Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwendung des steuerlichen Einlagekontos. keine verfassungswidrige Rückwirkung der Neufassung des § 27 Abs. 1 KStG durch das SEStEG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos ist ungeachtet unterjähriger Zugänge zum steuerlichen Einlagekonto auf den zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres festgestellten positiven Bestand des Kontos begrenzt. Unterjährige Zugänge zum steuerlichen Einlagekonto stehen damit nicht für Leistungen (hier: Ausschüttungen) im gleichen Jahr zur Verfügung.

2. § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG i.d.F. des SEStEG widerspricht für das Jahr 2006 nicht dem verfassungsrechtlich gewährten Vertrauensschutzgebot und damit auch nicht dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG.

3. Mit der Gesetzesänderung durch das SEStEG wurde keine rückwirkende Neuregelung geschaffen, sondern eine Klarstellung der bisherigen Regelung verwirklicht.

 

Normenkette

KStG 2002 § 27 Abs. 1, 2 S. 1 Fassung 2006-12-07; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 100 Abs. 1; BVerfGG § 80

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.07.2017; Aktenzeichen I R 96/15)

BFH (Urteil vom 19.07.2017; Aktenzeichen I R 96/15)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft, die sich in Liquidation befindet.

Mit Bescheid zum 31.12.2005 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 S. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) wurde das steuerliche Einlagekonto in Höhe von EUR 22.434 festgestellt.

Am 16. Juni 2006 erfolgte eine verdeckte Einlage in die Klägerin in Höhe von EUR 154.346, die aus einem unstrittig steuerlich nicht anerkannten Treuhandverhältnis resultierte. Zwei Gesellschafter der Klägerin waren an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt und leiteten die Gewinnausschüttung dieser Gesellschaft auf Basis der Treuhandvereinbarung weiter an die Klägerin. Mit Gesellschafterbeschluss vom 26. Juli 2006 wurde dieser Betrag an die Gesellschafter der Klägerin entsprechend deren Beteiligungsquote weitergeleitet.

Mit dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 7. Dezember 2006 – SEStEG – (BGBl I 2006, 2782, BStBl I 2007, 4) wurde § 27 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz in der im Jahr 2006 durch das SEStEG geänderten Fassung (KStG) bezüglich der Verwendungsfestschreibung geändert.

Das Bundesministerium der Finanzen legte den Gesetzentwurf für das SEStEG am 21. April 2006 vor; die Kabinettvorlage erfolgte am 9. Juni 2006 (Kabinettsache, Datenblatt Nr 16/08011 für die Sitzung am 14. Juni 2006). Das Kabinett verabschiedete den Entwurf am 12. Juli 2006. Die Bundesregierung leitete den Gesetzentwurf am 11. August 2006 dem Bundesrat zu. Das Gesetz vom 7. Dezember 2006 wurde am 12. Dezember 2006 im Bundesgesetzblatt verkündet. Es trat rückwirkend zum 1. Januar 2006 in Kraft.

Die Klägerin erklärte in der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 27 Abs. 2 KStG zum 31.12.2006 (ebenfalls) ein steuerliches Einlagekonto in Höhe von EUR 22.434. Sie ging dabei davon aus, dass die Ausschüttung im Jahr 2006 mit der Einlage des gleichen Jahres verrechnet würde. Der Beklagte folgte dem nicht und stellte mit Bescheid zum 31.12.2006 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 S. 1 KStG vom 24. August 2007 das steuerliche Einlagekonto in Höhe von EUR 154.346 fest. Dies hatte die Festsetzung von Kapitalertragsteuer in Höhe von EUR 26.382 (EUR 154.346 Ausschüttung ./. EUR 22.434 steuerfrei mögliche Ausschüttung = EUR 131.911,71 steuerpflichtiger Ausschüttungsbetrag * 20 %) zur Folge. Das gegen den Bescheid vom 24. August 2007 geführte Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Beklagte unter anderem aus, eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung des SEStEG in Bezug auf die ab 1. Januar 2006 geltende Fassung des § 27 Abs. 1 KStG sei zu verneinen. Wenn wie vorliegend das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspreche, könne in Bezug auf eine vor Ablauf des Wirtschaftsjahres (= Kalenderjahr) ausgestellte Steuerbescheinigung kein Vertrauensschutz abgeleitet werden. Maßgebend sei die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos auf der Basis einer Verrechnung sämtlicher Leistungen in einer Summe mit dem Bestand des Einlagekontos (des vorangegangenen Wirtschaftsjahres) mit der Folge, dass eine ordnungsgemäße, zutreffende Steuerbescheinigung erst mit Ablauf des betreffenden Wirtschaftsjahres ausgestellt werden könne; denn erst dann stünde fest, ob nicht noch weitere Leistungen mit dem Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu verrechnen seien und ob ggfs. eine Splittung des verwendbaren Einlagekonto-Betrags auf die einzelnen Leistungen zu erfolgen habe.

Die Klägerin hat fristgerecht Klage erhoben, die zunächst unter dem...

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