Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnungsfortschreibung eines Grundstücks. Herleitung des materiell richtigen Grundsteuermessbetrags aus dem Einheitswert

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Falle einer bloßen Zurechnungsfortschreibung eines Grundstücks gelten die früheren Feststellungen zu Art und Wert gem. § 182 Abs. 2 S. 1 AO auch gegenüber dem neuen Eigentümer weiter, obwohl dieser nicht Adressat des früheren Einheitswertbescheids war.

2. Da nach dem Wortlaut von § 17 Abs. 1 GrStG bei der Neuveranlagung der Grundsteuermessbetrag auf den Fortschreibungszeitpunkt neu festgesetzt (nicht: fortgeschrieben) wird, ist er aus dem Einheitswert materiell richtig, ohne Bindung an Haupt-, Nach- oder Neuveranlagungen auf frühere Stichtage, herzuleiten.

 

Normenkette

AO § 182 Abs. 2, § 184 Abs. 1 S. 4; GrStG § 17 Abs. 1, § 41; BewG §§ 19, 22

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.02.2020; Aktenzeichen II R 10/17)

 

Tenor

Der Grundsteuermessbescheid – Neuveranlagung auf den 01.01.2015 – vom 20.04.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.07.2016 wird dahingehend geändert, dass der Grundsteuermessbetrag 324,97 EUR beträgt.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bedeutung der sog. „dinglichen Wirkung” (§ 182 Abs. 2 i. V. m. § 184 Abs. 1 Satz 4 AbgabenordnungAO –) eines Grundsteuermessbescheids im Zusammenhang mit einer Neuveranlagung nach Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts und um die Steuermesszahl gemäß § 41 Grundsteuergesetz – GrStG –.

I.

Auf dem in B. (heute rund 20.000 Einwohner, bei der Volkszählung vom 16.06.1933 jedoch 25.763 Einwohner) im Land Brandenburg belegenen Grundstück steht ein ehemaliges Fabrikgebäude, Baujahr ca. 1800, mit einem Anbau von 1997. In dem Ensemble wird eine X.-halle mit Y.-teil betrieben. Nach dem Gutachten des Bausachverständigen des beklagten Finanzamts – FA – macht der Altbau zwar rund 65 % des umbauten Raumes aus, jedoch wegen des aufgrund der Ausstattungsgüte geringeren Raummeterpreises des Altbaus und der Alterswertminderung bei der Einheitswertermittlung nur rund 47 % des Wertes (im Einzelnen Gutachten FG-A Bl. 32-41). Das wertmäßige Überwiegen des Anbaus ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Zwischen den Beteiligten besteht auch Einigkeit hinsichtlich der rechtlichen Folgerungen gemäß § 31 Abs. 1 bis 3 der Verordnung zur Durchführung des Grundsteuergesetzes für den ersten Hauptveranlagungszeitraum – GrStDV 1937 – i. V. m. § 41 GrStG (Stichtag zur Abgrenzung von Alt- und Neubauten 31.03.1924, Abgrenzung nach wertmäßigem Überwiegen, mithin hier Neubau).

II.1.a)

Für das Grundstück wurde ein Einheitswert erstmalig mit Einheitswertbescheid an eine Rechtsvorgängerin der Klägerin – Nachfeststellung auf den 01.01.1999 – vom 27.04.2001 festgestellt, und zwar auf 79.400 DM (umgerechnet abgerundet 40.596 EUR). Zugleich erging ein Grundsteuermessbescheid – Nachveranlagung auf den 01.01.1999 – ebenfalls vom 27.04.2001, worin der Grundsteuermessbetrag auf 794,00 DM (umgerechnet 405,97 EUR) festgesetzt wurde. In der Begründung wird der Messbetrag aus dem Einheitswert und der Steuermesszahl von 10 ‰ berechnet und ausgeführt, die Einordnung des Grundstücks als Geschäftsgrundstück, die ausschließliche oder wertmäßig überwiegende Bebauung mit Altbauten (bezugsfertig bis 31.03.1924) und die Zugehörigkeit zur Gemeindegruppe b (über 25.000 bis 1 Mio. Einwohner nach dem Stand der allgemeinen Volkszählung vom 16.06.1933) führten zu dieser Steuermesszahl.

b)

Aufgrund zwischenzeitlicher Veräußerungen vom 17.10.2001, 10.10.2003 und 11.12.2009 ergingen Einheitswertbescheide – Zurechnungsfortschreibung – auf den 01.01.2002, 01.01.2004 und 01.01.2010, in denen neben der neuen Zurechnung jeweils angegeben ist, der Einheitswert betrage wie bisher 40.596 EUR, und auf dieselben Stichtage jeweils Grundsteuermessbescheide – Neuveranlagung –, in denen der Grundsteuermessbetrag jeweils auf „405,97 EUR (wie bisher)” festgesetzt wurde.

2.

Nachdem das Grundstück der Klägerin in der Zwangsversteigerung vom 15.12.2014 zugeschlagen worden war, erließ das FA in genau derselben Weise wieder einen Einheitswertbescheid – Zurechnungsfortschreibung – auf den 01.01.2015 sowie einen Grundsteuermessbescheid – Neuveranlagung – auf den 01.01.2015, je vom 20.04.2015 (Einheitswertakte Bl. 54, 55).

3.a)

Mit Schreiben vom 21.05.2015 legte die Klägerin Einspruch ein, den sie mit Leerstand und Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung begründete.

b)

Mit Einspruchsentscheidung vom 27.07.2016 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

III.

Am 29.08.2016 erhob die Klägerin Klage. Sie macht nunmehr geltend, dass das Grundstück mit einem 1999 errichteten Neubau versehen sei, der den Wert ...

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