Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung des Mehrgewinns einer freiberuflichen, ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelnden Personengesellschaft aus der Korrektur eines unrechtmäßigen, nur einem Gesellschafter anzulastenden Betriebsausgabenabzugs

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein im laufenden Gesamthandsgewinn enthaltener, bestandskräftig festgestellter Mehrgewinn einer freiberuflichen Personengesellschaft, der auf unberechtigt und ohne Wissen der übrigen Gesellschafter treuwidrig als Betriebsausgaben verbuchte Privatausgaben eines Gesellschafters zurückzuführen ist, ist bei Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung nicht nur diesem Gesellschafter allein, sondern allen Gesellschaftern nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die übrigen Gesellschafter etwaige Regress- und Ausgleichsansprüche gegen den veruntreuenden Gesellschafter nicht durchzusetzen können.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3-4, § 11 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 18 Abs. 4 S. 2; AO § 39

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.09.2022; Aktenzeichen VIII R 6/19)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

 

Tatbestand

Der Kläger und der Beigeladene betrieben in der Zeit vom 1.1.1995 – 26.10.2010 in der Rechtsform der GbR das B… –nachfolgend GbR–. Beide Gesellschafter waren zu je 50 % an der GbR beteiligt, die ihren Gewinn im Wege der Einnahmenüberschussrechnung ermittelte. Streitig ist, ob dem Beigeladenen überquotal ein Gewinnanteil zugerechnet werden kann, der nach Auffassung des Klägers treuwidrig vom Beigeladenen aus dem GbR-Vermögen entnommen worden ist.

Mit Bescheid vom 23.2.2011 stellte der Beklagte die Einkünfte der GbR aus selbständiger Arbeit für das Jahr 2009 auf 56.737,90 EUR unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest, wobei hiervon die laufenden Einkünfte in Höhe von 54.467 EUR hälftig den Beteiligten zugerechnet wurden (jeweils 27.233,95 EUR). Die Sondervergütungen in Höhe von insgesamt 2.270,01 EUR wurden in Höhe von 2.073,60 EUR auf den Kläger und in Höhe von 196,01 EUR den Beigeladenen verteilt.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch und machte geltend, dass weder er noch eine vertretungsberechtigte Person die Feststellungserklärung 2009 unterschrieben habe. In die Erklärung seien private Ausgaben des Beigeladenen in Höhe von 14.488,02 EUR eingeflossen, die unberechtigterweise von der GbR getragen worden seien.

Am 15.12.2015 änderte der Beklagte die Feststellung auf Grundlage von § 164 Abs. 2 Abgabenordnung –AO– dahingehend, dass die laufenden Einkünfte der GbR um 14.488,02 EUR auf 68.955,91 EUR erhöht und hälftig auf die Gesellschafter verteilt wurden. Die zudem festgestellten Sonderbetriebsausgaben blieben unverändert bei 2.270,01 EUR.

Mit Einspruchsentscheidung vom 22.7.2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte aus, dass die Gewinnerhöhung wegen der nicht feststehenden betrieblichen Veranlassung der streitigen Aufwendungen erfolgt sei. Auch Mehrgewinne, die sich aus der Nichtanerkennung von Betriebsausgaben ergäben, seien nach dem vereinbarten Schlüssel auf die Gesellschafter zu verteilen. Einen eventuellen Ausgleichsanspruch müsse der Kläger zivilrechtlich gegen den Beilgeladenen geltend machen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger, den zuletzt festgestellten laufenden Gewinn von 68.955,91 EUR dergestalt zu verteilen, dass dem Beigeladenen vorab 14.488,02 EUR zugerechnet und der restliche Betrag von 54.467,89 hälftig verteilt wird. Er macht geltend, dass der Beigeladene in großem Umfang seine privaten Aufwendungen aus dem Betriebsvermögen bestritten habe, was er –der Kläger– im Jahr 2000 habe feststellen müssen. Damit habe der Beigeladene nicht nur Steuern hinterzogen, sondern zugleich seinen –des Klägers– Gewinnanteil verringert. Allein in den Jahren 2007-2010 habe der Beigeladene 50.000 EUR zu Unrecht für sich vereinnahmt, was Gegenstand einer zivilrechtlichen Klage sei.

Die hälftige Zurechnung des im Jahr 2009 vom Beigeladenen veruntreuten Gesellschaftsvermögens i. H. v. 14.488,02 EUR sei nicht nachvollziehbar. Dieser Betrag sei ausschließlich dem Beigeladenen zugutegekommen, was dieser auch nicht bestreite. Im Einzelnen handelte es sich dabei um Aufwendungen für eine Berufsausbildung zum Lerncoach i. H. v. 5.122 EUR, Kosten für die Anschaffung von Gegenständen i. H. v. 4.333,29 EUR, angebliche Geschäftsessen i. H. v. 2.053,05 EUR, Getränkekosten i. H. v. 2.018,19 EUR, Aufwendungen für Blumen i. H. v. 399,59 EUR, Fotokosten i. H. v. 130 EUR sowie Reisekosten i. H. v. 431,90 EUR. Diese Aufwendungen seien weder betrieblich veranlasst gewesen noch sei er –der Kläger– mit den Ausgaben einverstanden gewesen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH– seien die Mehrgewinne nicht notwendigerweise nach dem vereinbarten Verteilungsschlüssel den Gesellschaftern zuzurechnen, sondern unter bestimmten Umst...

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