Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuerzerlegung: Sanierungsgewinn der Organträgerin kein Grund für die Zurechnung des gesamten einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags für den Organkreis aus Billigkeitsgesichtspunkten nach § 33 Abs. 1 GewStG an die Betriebsstätte der Organträgerin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Gewerbesteuerzerlegung lassen Organverhältnisse die Anwendung des § 29 Nr. 1 GewStG – in den einzelnen Betriebsstätten gezahlte Arbeitslöhne als Zerlegungsmaßstab – grundsätzlich unberührt. Wird bei einer Organschaft mit mehreren Organgesellschaften an verschiedenen Standorten nur durch einen Forderungsverzicht der Gläubigerbanken zugunsten der Organträgerin und den damit verbundenen Sanierungsgewinn im Organkreis überhaupt ein positiver Gewerbeertrag erzielt und hätte sich ohne den Sanierungsgewinn insgesamt ein erheblicher negativer Gewerbeertrag (Gewerbeverlust) ergeben, so ist dies kein Grund dafür, bei der Zerlegung den gesamten einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag des Organkreises nach § 33 Abs. 1 GewStG aus Billigkeitsgründen vollständig der Betriebsstätte zuzurechnen, an der die Organträgerin ansässig ist.

2. Nur eine offenbare Unbilligkeit von erheblichem Gewicht rechtfertigt eine Zerlegung nach § 33 Abs. 1 GewStG, z. B. wenn der Zerlegungsmaßstab des § 29 GewStG ungeeignet ist, weil überhaupt keine Arbeitslöhne gezahlt werden, oder wenn einer Gemeinde unmittelbar durch die in ihrem Gebiet befindliche Betriebsstätte wesentliche und atypische Lasten entstehen, oder wenn eine Gemeinde zwar Arbeitnehmerfolgekosten zu tragen hat, die gerade mit ihrem Anteil am Gewerbesteuermessbetrag ausgeglichen werden sollen, aber nach dem Regelzerlegungsmaßstab auf sie kein oder ein nur geringer Anteil entfällt, weil das gewerbliche Unternehmen nicht mit eigenen Arbeitnehmern, sondern ganz oder überwiegend mit Leiharbeitnehmern arbeitet.

3. Das Betriebsstättenergebnis ist für die Frage der Beteiligung der verschiedenen Gemeinden an der Gewerbesteuer im Hinblick auf die Arbeitnehmerfolgelasten kein sachgerechter Aufteilungsmaßstab.

 

Normenkette

GewStG § 29 Nr. 1, § 33 Abs. 1, § 28

 

Tenor

Der Zerlegungsbescheid vom 4. September 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 2014 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte

kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags 2011 der Beigeladenen.

Die Beigeladene ist Organträgerin mit verschiedenen Organgesellschaften. Die Organschaft wurde im Jahr 2010 begründet. An der Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags sind eine Vielzahl von Gemeinden beteiligt, so auch die Klägerin. Im Jahr 2011 verzichteten Gläubigerbanken der Beigeladenen auf Darlehensforderungen in Höhe von rund 27 Mio. Euro. Diese Summe ist im Gewerbeertrag von 12.657.462 Euro enthalten. Ohne den Verzicht wäre im Jahr 2011 ein negativer Gewerbeertrag in zweistelliger Millionenhöhe angefallen.

Der Beklagte beteiligte mit Bescheid vom 4. Februar 2013 alle Betriebsstättengemeinden auf der Grundlage der Regelzerlegung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG). Dagegen legte die Beigeladene Einspruch ein, den sie damit begründete, dass der Organverbund ohne den im Gewerbeertrag berücksichtigten sog. Sanierungsgewinn, der vollständig auf sie, die Beigeladene, die nur in C… ansässig sei, entfalle, einen Verlust erwirtschaftet hätte. Deshalb sei der gesamte Gewerbesteuermessbetrag der Betriebsstätte in C… zuzuordnen. Im Ergebnis dieser geänderten Zuordnung würde den Gemeinden der anderen Betriebsstätten der gleiche Anteil am Gewerbesteuermessbetrag zugewiesen, wie er ohne die Entstehung des Sanierungsgewinns zugewiesen worden wäre.

Der Beklagte änderte daraufhin den Zerlegungsbescheid mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 4. September 2013 in der Weise, dass der gesamte Gewerbesteuermessbetrag des Jahres 2011 der Gemeinde C… zugeordnet wurde, so dass auf die übrigen beteiligten Gemeinden jeweils ein Anteil von 0 Euro entfiel. Gegen diesen Bescheid legte nunmehr – neben vier weiteren Gemeinden – die Klägerin Einspruch ein. Drei der anderen Gemeinden nahmen ihre Einsprüche noch im Jahre 2013 zurück. Eine weitere Gemeinde stimmte nachträglich der abweichenden Zerlegung zu.

Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die abweichende Zerlegung nach § 33 Abs. 1 GewStG nicht sachgerecht und unbillig sei. Ein atypischer Sachverhalt, der die tatsächlichen Verhältnisse bei Anwendung der Regelzerlegung nicht widerspiegele, liege nicht vor.

Der Beklagte wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 2014 als unbegründet zurück.

Die Klägerin trägt vor, dass der Zweck der...

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