Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Festsetzungsfrist für Schenkungsteuer bei Zusammenfassung mehrerer Grundstücksschenkungen in einer notariellen Urkunde

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat, wobei die jeweils zuerst eingetretene Alternative maßgeblich ist. Durch diese Vorschrift wird bei einer nach § 30 ErbStG bestehenden Anzeigepflicht oder nach § 31 ErbStG durch Aufforderung ausgelösten Erklärungspflicht die in § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO enthaltene Drei-Jahres-Grenze, bis zu der der Anlauf der Festsetzungsfrist längstens gehemmt ist, außer Kraft gesetzt und bei einer lediglich für Gerichte und Notare bestehenden Anzeigepflicht nach § 34 ErbStG der Anlauf der sonst nach § 170 Abs. 1 AO beginnenden Festsetzungsfrist gehemmt.

2. Fordert das FA den Steuerpflichtigen, nachdem es gem. § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alt. 2 AO Kenntnis von der vollzogenen Schenkung erlangt hat, noch innerhalb der regulären Festsetzungsfrist zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf (§ 31 Abs. 1 ErbStG), greift – ebenso wie bei einer nach § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG bestehenden, aber nicht erfüllten Anzeigepflicht des Erwerbers oder Schenkers – die reguläre Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO ein.

3. Hat bei Zusammenfassung mehrerer Grundstücksschenkungen in einer notariellen Urkunde der beurkundende Notar nur dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen FA darüber vollständig im Umfang der gesetzlichen Pflichten Anzeige erstattet, hat dieses FA jedoch das für die Schenkungsteuer zuständige FA nur über die Schenkung eines einzigen Grundstücks benachrichtigt und erlangt das für die Schenkungsteuer zuständige FA erst nach dem Tod der Schenkerin von den weiteren Grundstücksschenkungen Kenntnis, so beginnt die Frist für die Festsetzung der Schenkungsteuer hinsichtlich der weiteren Grundstücksschenkungen nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO erst mit Ablauf des Todesjahres der Schenkerin. Die Kenntnis des Grunderwerbsteuer-FA über alle Grundstücksschenkungen kann dem Schenkungsteuer-FA im Hinblick auf die Verjährung nicht zugerechnet werden.

4. Wird behauptet, der Notar habe zeitnah auch an das für die Schenkungsteuer zuständige FA eine Anzeige über den gesamten Umfang der Grundstücksschenkungen geschickt, ist eine solche Anzeige in den Akten des Schenkungsteuer-FA aber nicht enthalten, so muss diese Behauptung vom Steuerpflichtigen durch präsente Beweismittel, z. B. eine schriftliche Einlassung des Notars, belegt werden.

5. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO stellt lediglich auf die positive Kenntnis des für die Schenkungsteuer zuständigen FA ab, nicht aber darauf, was dieses FA ggf. bei früheren Sachverhaltsermittlungen (u. a. Anforderung des notariellen Vertrags) hätte in Erfahrung bringen können.

 

Normenkette

AO § 170 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 1, § 47; ErbStG § 30 Abs. 3, §§ 31, 34 Abs. 2 Nr. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.07.2017; Aktenzeichen II R 22/16)

BFH (Urteil vom 26.07.2017; Aktenzeichen II R 22/16)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Mit notariellem Schenkungsvertrag vom 05.11.2002 des Notars B. in C. zur Ur-Nr. 227/… übertrug die Mutter der Klägerin ihre Eigentumsanteile an dem Grundbesitz D.-straße (1/1), E.-straße (1/2) und F.-straße (3/4) in C. sowie zwei Eigentumswohnungen der Wohnungseigentumsanlage G.-straße in H. gegen Einräumung eines lebenslangen Nießbrauchs zu gleichen Teilen von je 1/3 auf die Klägerin und dessen Schwester und Bruder. Auf der letzten Seite der Notarurkunde findet sich ein Stempelabdruck mit dem Text „Abschrift der Urkunde dem FA übersandt” mit der handschriftlichen Ergänzung des Datums „7.11.2002”.

Eine Aufforderung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung erhielten die Geschwister nicht.

Am 15.12.2009 verstarb die Mutter der Klägerin. Im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung hierzu, die beim Beklagten am 20.10.2011 einging, wurde der geschenkte Grundbesitz ordnungsgemäß als Vorerwerb aus dem Jahr 2002 erklärt.

Hierauf setzte der Beklagte mit Schenkungsteuerbescheid vom 01.11.2012 für die Klägerin die Schenkungsteuer unter Ansatz der von den Lagefinanzämtern festgestellten Grundbesitzwerte mit 624.166,67 EUR unter Abzug eines Freibetrages von 205.000 EUR bei einem Steuersatz von 15 v. H. ebenso wie bei ihrem Bruder auf 62.865 EUR fest. Bei der Schwester I. wurde noch ein weiterer Vorerwerb in Ansatz gebracht und die Steuer (19 v. H.) auf 99.050 EUR festgesetzt.

Hiergegen legte die Klägerin am 29.11.2012 Einspruch ein und berief sich darauf, dass die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen sei. Der Notar habe Ausfertigungen der Vertragsurkunde sowohl an das Finanzamt J. für Zwecke der Grunderwerbsteuer als auch an das damals für die Schenkungsteuer zuständige Finanzamt K. gesandt. Der Beklagte teilte daraufhin mit, dass ihm d...

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