Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer bei Schenkung mehrerer Grundstücke in einer notariellen Urkunde und anfänglichem Bekanntwerden nur einer Grundstücksschenkung bei dem für die Schenkungsteuer zuständigen FA

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Da bei einer Grundstücksschenkung den Beschenkten persönlich keine Verpflichtung trifft, den schenkungsteuerlich bedeutsamen Vorgang anzuzeigen bzw. eine Steuererklärung hierzu einzureichen, richtet sich der Beginn der vierjährigen Festsetzungsfrist nicht nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO, sondern grundsätzlich nach § 170 Abs. 1 AO (Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist). Die Festsetzungsfrist beginnt aber gem. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nicht vor Ablauf des Todesjahres des Schenkers bzw. dem Jahr, in dem dem FA die Schenkung bekannt wird; insoweit ist der frühere Zeitpunkt maßgebend.

2. Wurden mehrere Grundstücke geschenkt, hat das für Grunderwerbsteuer zuständige FA die bei ihm eingegangene notarielle Anzeige betreffend ein Grundstück an das für die Schenkungsteuer zuständige FA weitergeleitet und hat dieses keine Schenkungsteuererklärung angefordert, weil es von einem der Höhe nach unter den gesetzlichen Freibeträgen liegenden Erwerb ausging, so hatte das für die Erbschaftsteuer zuständige FA zunächst nur positive Kenntnis i. S. d. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO über den Erwerb eines Grundstücks. Erfährt es erst nach dem Tod der Schenkerin aufgrund der Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung, in der die Schenkung aller Grundstücke als Vorerwerb aufgeführt ist, von der Schenkung mehrerer Grundstücke, so beginnt die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer hinsichtlich der erst nachträglich bekannt gewordenen weiteren Grundstücksschenkungen nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO erst mit Ablauf des Todesjahres der Schenkerin.

3. Das (Tz. 2) gilt auch dann, wenn dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen FA durch eine zeitnahe notarielle Anzeige alle Grundstücksschenkungen bereits im Schenkungsjahr bekannt gewesen sein sollten oder das für die Schenkungsteuer zuständige FA bei sorgfältigerer Sachbearbeitung und Sachverhaltsermittlung (u. a. Aufforderung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung, Anforderung der notariellen Urkunde usw.) bereits zur Zeit der Grundstücksschenkung Kenntnis von allen Grundstücksschenkungen erlangen hätte können; insoweit kommt es verschuldensunabhängig lediglich auf die positive Kenntnis des Schenkungsteuer-Finanzamts an.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 5; ErbStG § 30 Abs. 3, § 34 Abs. 2 Nr. 3, § 31

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.07.2017; Aktenzeichen II R 21/16)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Mit notariellem Schenkungsvertrag vom 05.11.2002 des Notars B. in C. zur Ur-Nr. 227/… übertrug die Mutter des Klägers ihre Eigentumsanteile an dem Grundbesitz D.-straße (1/1), E.-straße (1/2) und F.-straße (1/3) in C. sowie zwei Eigentumswohnungen der Wohnungseigentumsanlage G.-straße in H. gegen Einräumung eines lebenslangen Nießbrauchs zu gleichen Teilen von je 1/3 auf den Kläger und dessen Schwestern. Auf der letzten Seite der Notarurkunde findet sich ein Stempelabdruck mit dem Text „Abschrift der Urkunde dem FA übersandt” mit der handschriftlichen Ergänzung des Datums „7.11.2002”.

Eine Aufforderung zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung erhielt weder der Kläger noch eine seiner Schwestern.

Am 15.12.2009 verstarb die Mutter des Klägers. Im Rahmen der Erbschaftsteuererklärung hierzu, die beim Beklagten am 20.10.2011 einging, wurde der geschenkte Grundbesitz ordnungsgemäß als Vorerwerb aus dem Jahr 2002 erklärt.

Hierauf setzte der Beklagte mit Schenkungsteuerbescheid vom 01.11.2012 für den Kläger die Schenkungsteuer unter Ansatz der von den Lagefinanzämtern festgestellten Grundbesitzwerte mit 624.166,67 EUR unter Abzug eines Freibetrages von 205.000 EUR bei einem Steuersatz von 15 v. H. ebenso wie bei seiner Schwester I. auf 62.865 EUR fest. Bei der Schwester J… wurde noch ein weiterer Vorerwerb in Ansatz gebracht und die Steuer (19 v. H.) auf 99.050 EUR festgesetzt.

Hiergegen legte der Kläger am 29.11.2012 Einspruch ein und berief sich darauf, dass die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen sei. Der Notar habe Ausfertigungen der Vertragsurkunde sowohl an das Finanzamt K. für Zwecke der Grunderwerbsteuer als auch an das damals für die Schenkungsteuer zuständige Finanzamt L. gesandt. Der Beklagte teilte daraufhin mit, dass ihm die Schenkungsvorgänge bisher nicht bekannt gegeben worden seien. Lediglich eine Veräußerungsanzeige des Notars über das Grundstück E.-straße sei am 11.02.2002 beim Finanzamt K. eingegangen.

In der beigezogenen Schenkungsteuerakte befindet sich diese Veräußerungsanzeige sowie eine Anlage hierzu, aus der sich die Ur.-Nr. des Notars ergibt sowie die Personalien der drei beschenkten Geschwister. Auf der Rückseite dieser Anlage befindet sich ein Verfügungsstempel der Finanzverwaltung,...

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