Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Verfassungsmäßigkeit des rückwirkenden In-Kraft-Tretens des § 34 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002

 

Leitsatz (redaktionell)

Das rückwirkende In-Kraft-Treten des § 34 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 zum 1. Januar ist im Aussetzungsverfahren insoweit als verfassungsgemäß anzusehen, als hiervon Entschädigungen erfasst werden, die zu einem Zeitpunkt vereinbart wurden, in dem die beabsichtigte Gesetzesänderung bekannt war.

 

Normenkette

EStG §§ 34, 34 Abs. 1, § 24 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2-3; GG Art. 2 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 13.11.2003; Aktenzeichen XI B 47/03)

BFH (Beschluss vom 13.11.2003; Aktenzeichen XI B 47/03)

 

Tatbestand

Die Antragsteller sind verheiratet und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Antragsteller schied zum 31.03.1999 bei der A GmbH aus. Er war zuletzt als Technischer Leiter für diese Gesellschaft tätig und erhielt bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 632 800,00 DM, die auf der Abwicklungsvereinbarung vom 17.12.1998 beruht. Im Einzelnen heißt es darin u. a. wörtlich:

"§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Beide Seiten sind sich einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung mit Ablauf des 31.03.1999 enden wird.

§ 2 Abfindung

Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der damit verbundenen Aufgabe des sozialen Besitzstandes zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von DM 632.800,00 netto.

In beiderseitigem Einvernehmen wird der Arbeitgeber bei der Auszahlung Lohnsteuer nach Berücksichtigung des Freibetrages gemäß § 3 Nr. 9 EStG in Abzug bringen, und zwar in Anwendung des halben Steuersatzes nach §§ 24, 34, 39b EStG.

§ 3 Dienstwagen

Der Dienstwagen mit Kennzeichen ... wird dem Arbeitnehmer zum Preis von brutto DM 22.800,00 verkauft. Der Kaufpreis wird mit der Märzabrechnung einbehalten."

Am 29.03.1999 schlossen die Gesellschaft und der Antragsteller außerdem folgende Abtretungsvereinbarung:

"Von dem bis zum 29.04.1999 angelegten Festgeld der Firma A GmbH bei der G bank AG Berlin auf dem Konto Nr. ... in Höhe von 2,5 Mio. DM, tritt mit sofortiger Wirkung die Firma A GmbH einen Teilbetrag in Höhe von

DM 610.000,00

an Herrn B ab.

Herr B nimmt die Abtretung an.

Herr B ist ab sofort allein über diesen Betrag verfügungs- und weisungsberechtigt; er kann die Festgeldlaufzeit auch unterbrechen und den Teilbetrag von dem Festgeldkonto abziehen.

Die A GmbH wird die C bank AG entsprechend unterrichten."

Der Betrag wurde dem Konto des Antragstellers bei der D Bank am 29.04.1999 gutgeschrieben. Bei der Einkommensteuerfestsetzung 1999 vom 28.03.2001 wandte der Antragsgegner das Steuerentlastungsgesetz1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I 1999, 402) an. Die vom Antragsteller erzielten außerordentlichen Einkünfte wurden daher nicht wie bisher mit dem halben Steuersatz besteuert, sondern der Antragsgegner wandte die sogenannte "1/5-Regelung" an. Danach beträgt die Einkommensteuer auf außerordentliche Einkünfte das Fünffache des Unterschiedsbetrages zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte. Danach ergab sich eine Einkommensteuer in Höhe von … DM (Abschlusszahlung ohne Solidaritätszuschläge: ... DM). Mit ihrem Einspruch und dem zunächst beim Antragsgegner gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung begehrten die Antragsteller die Anwendung des halben Steuersatzes bei den außerordentlichen Einkünften. Der Antragsgegner entschied noch nicht über den Einspruch, lehnte aber eine Aussetzung der Vollziehung ab. Zur Begründung führte er u. a. aus: Der halbe Steuersatz sei nicht anzuwenden. Im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers komme es nicht auf den Zeitpunkt der rechtlichen Vereinbarung, sondern auf den Zeitpunkt des Zuflusses (vgl. § 11 Einkommensteuergesetz -EStG-) an. Diesbezüglich sei auch ohne Bedeutung, dass der Gesetzgeber bezüglich des Freibetrags nach § 3 Nr. 9 EStG eine Übergangsregelung dergestalt getroffen habe, dass für vor dem 01.01.1999 abgeschlossene Vereinbarungen die bisherige Regelung gelte, soweit die Abfindung dem Arbeitnehmer vor dem 01.04.1999 zufließe.

Der erste Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 mit der Streichung des ermäßigten Steuersatzes und der Einführung der Fünftelregelung sei bereits im November 1998 veröffentlicht worden. Somit hätte der Antragsteller eine Auszahlung der Abfindung noch 1998 vereinbaren können, um sich den ermäßigten Steuersatz zu erhalten. Entsprechende Hinweise auf eine solche Steuergestaltung seien in der einschlägigen Literatur veröffentlicht worden. Damit sei das Vertrauen spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr geschützt gewesen (vgl. Finanzgericht Baden-Württemberg vom 09.07.20...

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