Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsaufspaltung. Erbengemeinschaft als Anteilseignerin der Betriebsgesellschaft. Zusammenrechnung der Anteile eines Elternteils und des minderjährigen Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine personelle Beherrschung der Betriebsgesellschaft durch den Besitzunternehmer ist anzunehmen, wenn dieser auf Dauer gesehen mit den Mitteln des Gesellschaftsrechts die Geschäfte des täglichen Lebens der Betriebsgesellschaft beherrscht. Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer ist dazu erforderlich, aber auch ausreichend, dass er über eine Beschlussmehrheit im Sinne von § 47 Abs. 1 GmbHG verfügt, wenn ihm die Geschäftsführung nicht gegen seinen Willen entzogen werden kann.

2. Gehören zum Nachlass alle Anteile an einer GmbH und ist die Erbengemeinschaft in der Gesellschafterliste als Anteilseigner eingetragen, ist innerhalb der Erbengemeinschaft eine Mehrheit der Mitberechtigten oder gar ein Einzelner zur Rechtsausübung für alle befugt (sogenannte Lehre von der mittelbar einheitlichen Rechtsausübung); dies gilt auch im Hinblick auf die Beschlussfassung über die Bestellung oder Abberufung des GmbH-Geschäftsführers.

3. Der Senat folgt nicht der in R 15.7 Abs. 8 Satz 3 EStR dargelegten Ansicht der Finanzverwaltung, eine personelle Verflechtung könne vorliegen, wenn nur ein Elternteil an dem einen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte hält, zugleich zusammen mit dem minderjährigen Kind die Mehrheit der Stimmrechte an dem anderen Unternehmen hält und das Vermögenssorgerecht allein beim beteiligten Elternteil liegt.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2 S. 1, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; GmbHG § 16 Abs. 1 S. 1, §§ 40, 47 Abs. 1; BGB §§ 2038, 745

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.04.2021; Aktenzeichen X R 5/19)

 

Tenor

1. Der Einkommensteueränderungsbescheid vom 15. Juli 2013 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11. April 2016 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung.

Die Kläger sind die Rechtsnachfolger des am 3. Januar 2010 verstorbenen V. Ausweislich des Erbscheins vom 10. Mai 2010 ist dieser von seiner Witwe (der Klägerin zu 1) zu 1/2 Erbteil sowie seinen beiden Kindern S 1 ([…] dem Kläger zu 2) und S 2 ([…], dem Kläger zu 3) zu je 1/4 Erbteil beerbt worden. V war bis zu seinem Tod alleiniger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der V GmbH in X (§ 2 des GmbH-Gründungsvertrags vom 17. Mai 1999, § 3 des Gesellschaftsvertrags vom 17. Mai 1999, Anlage 1 zum GmbH-Gründungsvertrag). Gegenstand des Unternehmens ist die Ausführung von […] (§ 2 des Gesellschaftsvertrags). Für die Beschlussfassung ist eine einfache Mehrheit erforderlich, soweit in der Satzung oder dem Gesetz nicht zwingend eine andere Mehrheit vorgeschrieben ist (§§ 6 und 7 des Gesellschaftsvertrags). Nach § 5 Abs. 3 des Vertrages kann jeder Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag verwiesen.

Die Klägerin zu 1 war und ist Alleineigentümerin des mit einer Lagerhalle mit Büro- und Sozialtrakt sowie Garagen bebauten Grundstücks … str. x in X. Mit Vertrag vom 26. Februar 2001 hat sie dieses Grundstück an die GmbH verpachtet, welche seither darauf ihr Unternehmen betreibt.

Unter dem 11. Januar 2010 haben die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 ein als Protokoll bezeichnetes Dokument unterzeichnet, nach dessen Inhalt die Klägerin zu 1 zur einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerin in der GmbH bestellt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden sollte. Bei der Aufzählung der beschließenden Gesellschafter ist auch der Kläger zu 3 namentlich aufgeführt, ergänzt durch einen Klammerzusatz, der auf eine Vertretung durch die Klägerin zu 1 als dessen Erziehungsberechtigte hinweist.

Für den zu diesem Zeitpunkt noch minderjährigen, […] Kläger zu 3 ordnete das Amtsgericht Y, Familiengericht, mit Beschluss vom 7. Juni 2010 Az.: […] eine Ergänzungspflegschaft an. Der Beschluss hatte den folgenden Wortlaut:

  1. „Für das Kind Kl S 2, […], wird Ergänzungspflegschaft angeordnet.

    Der Wirkungskreis umfasst die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte/pflichten des Pfleglings in der V GmbH, X.

  2. Für das Kind Kl S 2, […], wird gemäß §§ 1693, 1909 BGB Frau […] als Ergänzungspflegerin ausgewählt.”

Eine Begründung enthielt der Beschluss nicht.

Am 17. Juni 2010 erging ein Gesellschafterbeschluss, mit dem die Klägerin zu 1 zur einzelvertretungsberechtigt...

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