Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Behandlung von Prämien zur Schweizer Unfallversicherung für die Versicherung der Nichtberufsunfälle bei Grenzgängern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die von dem Schweizer Arbeitgeber eines Grenzgängers an den Versicherer geleisteten Prämien für die obligatorische Versicherung der Nichtberufsunfälle (NBUV) führen mit der Prämienzahlung zu Arbeitslohn.

2. Die Prämien des Arbeitgebers zur NBUV sind nicht nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei, da es sich um eine freiwillig erbrachte Leistung des Arbeitgebers handelt.

3. Die Abzugsfähigkeit ausländischer Sonderausgaben richtet sich nach deutschem Recht.

4. Die Prämien des Grenzgängers zur NBUV sind in Höhe der Prämienanteile, die auf die Behandlungskosten bei Nichtberufsunfällen entfallen, als Beiträge zu einer der Basis-Krankenversicherung im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Satz 3 EStG vergleichbaren Krankenversicherung anzusehen. Soweit darüber hinaus eine umfassende Absicherung der finanziellen Folgen eines Nichtberufsunfalls durch die von der NBUV gewährten Geldleistungen erfolgt, ist die NBUV einer privaten Unfallversicherung nach §§ 178 ff. VVG vergleichbar.

5. Sachgerechter Maßstab für eine Schätzung des abzugsfähigen Anteils der Prämien zur NBUV ist der prozentuale Anteil der Ausgaben des Versicherers für Pflegeleistungen und Kostenvergütungen bei Nichtberufsunfällen an den Gesamtausgaben.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 S. 4, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 62; DBA CHE Art. 15a

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 10.03.2023; Aktenzeichen X R 1/21)

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 10. August 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. November 2019 wird dahingehend geändert, dass die Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG um 194 EUR erhöht werden. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 85 % und der Beklagte zu 15 %.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die steuerliche Behandlung von Prämien zur Schweizer Unfallversicherung für die Versicherung der Nichtberufsunfälle bei Grenzgängern.

Die Kläger sind Eheleute, die in den Veranlagungszeiträumen 2016 und 2017 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie haben drei Kinder. Die Familie wohnt in Deutschland.

Der Kläger ist von Beruf Entwickler. Er war bis Juli 2017 in A Schweiz und danach in B Schweiz bei der X AG beschäftigt. Die Klägerin ist in C Schweiz in Teilzeit (40%) beschäftigt. Die Einkünfte der Kläger aus nichtselbständiger Arbeit unterlagen nach der Grenzgängerregelung gemäß Art. 15a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (vom 11. August 1971, BGBl II 1972, 1022 i.d.F. des Protokolls vom 21. Dezember 1992, BGBl 1993, 1888 –DBA Schweiz–) der Besteuerung im Inland.

Aufgrund ihrer Tätigkeit in der Schweiz waren die Kläger gemäß Art. 1a des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung vom 20. März 1981 (UVG, Systematische Rechtssammlung –SR– 832.20 www.admin.ch) wie alle in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmer obligatorisch in der Schweizer Unfallversicherung versichert. Die Schweizer Unfallversicherung ist eine gesetzliche Sozialversicherung (vgl. Art. 1 UVG) und gewährt Schutz bei Berufsunfällen (Art. 7 UVG), Nichtberufsunfällen (Art. 8 UVG; hiervon ausgenommen sind Teilzeitbeschäftigte mit einer Arbeitszeit von unter 8 Std./Woche, vgl. Art. 13 der Verordnung über die Unfallversicherung vom 20. Dezember 1982 –UVV–, SR 832.202 www.admin.ch) und Berufskrankheiten (Art. 6 UVG). Als Berufsunfälle gelten alle Unfälle, die dem Versicherten bei der Arbeit und während Arbeitspausen zustoßen (Art. 7 UVG). Alle anderen Unfälle gelten als Nichtberufsunfälle (Art. 8 UVG). Dazu gehören auch Unfälle des Arbeitnehmers auf dem Weg zur Arbeit. Im Falle eines Unfalls haben die Versicherten Anspruch auf die im UVG gewährleisteten Versicherungsleistungen. Hierzu gehören neben der Übernahme der Kosten der Heilbehandlung (Art. 10 UVG) und der Kosten für Hilfsmittel (Art. 11 UVG) verschiedene Geldleistungen wie Taggelder (Art. 15 bis 17 UVG), Invalidenrente (Art. 15, 18 bis 23 UVG), Integritätsentschädigung (Art. 24, 25 UVG), Hilflosenentschädigung (Art. 26, 27 UVG) und Hinterlassenenrenten (Art. 28 bis 35 UVG). Wegen der Einzelheiten de...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge