Entscheidungsstichwort (Thema)

Während eines Steuerstrafverfahrens beschlagnahmte Unterlagen. Verwertungsverbot. Beweiswürdigung. objektiver und subjektiver Tatbestand der Steuerhinterziehung. Angaben in den eingereichten Steuererklärungen. Schätzung auch im Laufe eines Strafverfahrens zulässig. Einkommensteuer 1987–1994

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Von der Steuerfahndung beschlagnahmte Unterlagen unterliegen im Steuerfestsetzungsverfahren keinem Verwertungsverbot, wenn die Durchsuchung vom zuständigen Gericht angeordnet und die Beschlagnahme durch § 108 StPO gedeckt war. Das gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits ein Haftbefehl gegen den Steuerschuldner ergangen sein sollte.

2. Umfangreiche Ausführungen zur Frage der Verwirklichung des objektiven und des subjektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung, zur Beweiswürdigung betreffend die beschlagnahmten Unterlagen und Zeugenaussagen sowie zur Würdigung der Einlassungen des Steuerschuldners. Im Streitfall enthielten die eingereichten Steuererklärungen unrichtige bzw. unvollständige Angaben zur Höhe der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit sowie zu den Einkünften aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung.

3. Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen ist grundsätzlich auch im Laufe eines (Steuer-) Strafverfahrens zulässig. Dabei ist der strafrechtliche Grundsatz „in dubio pro reo” auch im Steuerfestsetzungsverfahren zu beachten, wenn zu prüfen ist, ob der Steuerpflichtige eine Steuerhinterziehung begangen hat.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 386, 393, 162, 370 Abs. 1; StPO § 108

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 04.05.2005; Aktenzeichen XI B 230/03)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klin.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin (Klin) war in den Streitjahren als Zahnärztin selbständig tätig. Wie schon in den Vorjahren unterhielt sie in der … in … eine Einzelpraxis. Bereits mit notariellem Kaufvertrag vom 10.6.1984 hatte die Klin das mit einem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück … in … mit allem Zubehör und allen Einrichtungs- und Ausstattungsgegenständen erworben. Vom Kauf ausgenommen hatten die Vertragsparteien lediglich die Familienbilder und Bücher des Verkäufers sowie einen Satz Trinkgläser.

In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1984 bis 1986 hatte die Klin für das Objekt … in … Verluste aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht und dabei jeweils auch Mieteinnahmen angegeben. Nachdem im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1984 bis 1986 vom Prüfer Zweifel am Bestehen der behaupteten Mietverhältnisse geäußert worden waren, führte der Prozessbevollmächtigte zu 1 in einem Schreiben vom 16.6.1989 an die mit der Prüfung beauftragte Betriebsprüfungsstelle des Finanzamts … aus, das Objekt … in … sei stets nur recht kurzfristig anbietbar gewesen, da die Klin erwogen habe, „anstelle der … Praxis ihre Zahnarztpraxis in dem Haus in … zu führen”. Es erscheine ihm deshalb als nur eine von zwei Möglichkeiten, die Kosten und Erträge in der Einkunftsart „VuV” zu erklären, denn bei beabsichtigter Praxisverlegung handele es sich um vorbereitende Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG und nicht um Werbungskosten. In einem ebenfalls an die genannte Betriebsprüfungsstelle gerichteten Schreiben vom 8.12.1989 äußerte sich der Prozessbevollmächtigte zu 1 zur Nutzung des Objekts … in den Jahren nach dem Prüfungszeitraum wie folgt:

„In den Jahren nach dem Prüfungszeitraum, also ab 1987, ging es ebenso weiter wie davor: Gelegentliche vorübergehende Vermietungen.”

In den vom Prozessbevollmächtigten zu 1 erstellten, am 4.12.1990 bzw. 19.12.1990 beim Beklagten (Bekl) eingereichten Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1987, 1988 und 1989, auf die wegen der Einzelheiten vollinhaltlich Bezug genommen wird, machte die Klin für das Objekt … in … wiederum Verluste aus Vermietung und Verpachtung (V+V) geltend. Die Mieteinnahmen gab sie dabei jedoch – anders als in den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1984 bis 1986 – jeweils mit 0 DM an.

Der Bekl berücksichtigte in den Einkommensteuerbescheiden für 1987 vom 8.3.1991, für 1988 ebenfalls vom 8.3.1991 und für 1989 vom 26.3.1991 die für das Objekt … in … geltend gemachten Verluste aus V+V nicht. Zur Begründung führte er aus, die Aufwendungen für das Haus in … hätten nicht berücksichtigt werden können, da keine Einnahmeerzielungsabsicht erkennbar sei. Ebenfalls unberücksichtigt ließ der Bekl in den genannten Bescheiden für die Jahre 1987 bis 1989 die von der Klin beanspruchten Abschreibungen in Höhe von jeweils 210 DM für eine von ihr im Jahre 1984 angeschaffte Damenarmbanduhr. Zu dieser hatte der Prozessbevollmächtigte zu 1 in einem Schreiben vom 11.1.1991 unter Hinweis auf das Vorbringen im Rahmen der Betriebsprüfung für die Jahre 1984 bis 1986 ausgeführt, sie werde nur beruflich genutzt. Im Rahmen der erwähnten Betriebsprüfung hatte die Klin vortragen lassen, eine säurefeste Armbanduhr sei betriebs...

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