Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf befristete Stundung einer Kindergeldückforderung bis zur Reduzierung anderweitiger Ratenzahlungsvereinbarungen: Ablehnung des Stundungsantrags bei Zugrundelegung falscher Tatsachen ermessensfehlerhaft. persönliche Stundungswürdigkeit trotz Verletzung der Mitwirkungspflichten im Kindergeldverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beantragt die Steuerpflichtige die Stundung einer Kindergeldrückforderung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, ab dem sich Ratenzahlungen an andere Gläubigern reduzieren und deswegen Raten auf die Kindergeldrückforderung geleistet werden können, so ist die Ablehnung des Stundungsantrags durch die Familienkasse ermessensfehlerhaft, wenn die Familienkasse von der fehlerhaften Tatsache ausgegangen ist, dass die Steuerpflichtige Leistungen zur Grundsicherung bezieht und wenn die Familienkasse deswegen nicht berücksichtigt hat, dass eine Einziehung der Forderung möglich ist und die Einziehung eine erhebliche Härte für die Schuldnerin unter dem Gesichtspunkt bedeuten kann, dass die Schuldnerin deswegen die mit anderen Gläubigern vereinbarten Ratenzahlungen nicht mehr erfüllen kann.

2. Persönliche Stundungsgründe können vorliegen, wenn eine Stundung die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers ermöglichen kann. Der Umstand, dass der Antragsteller im Kindergeldverfahren seine Mitwirkungspflichten verletzt hat, reicht für sich genommen nicht aus, um die Stundungswürdigkeit des Antragstellers zu verneinen und auf eine Prüfung der Stundungsbedürftigkeit zu verzichten.

 

Normenkette

AO §§ 222, 37 Abs. 2, § 5; EStG § 68 Abs. 1; FGO § 102

 

Tenor

1. Der Bescheid über die Ablehnung der Stundung der Rückforderung von Kindergeld für das Kind S für August 2014 bis Februar 2015 in Höhe von 1.296 EUR zuzüglich Säumniszuschläge vom 12. September 2018 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2018 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit geleistet hat.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Mutter der Kinder S, geboren am xx.xx. 1992, und T, geboren am xx.xx. 1996. Für diese Kinder hatte die Klägerin Kindergeld beantragt. Dieses wurde bewilligt und ausgezahlt. Die Klägerin ist als Arbeitnehmerin beschäftigt.

Sodann hob die Familienkasse A mit Bescheid vom 19. November 2015 die Festsetzung von Kindergeld für das Kind S von Februar 2012 bis Februar 2015 und für das Kind T ab Juni 2014 auf und forderte die Rückzahlung von Kindergeld i.H.v. 8.292 EUR. Die Aufhebung wurde damit begründet, dass das Ende der Ausbildungszeit trotz mehrfacher Anforderung nicht mitgeteilt worden und damit das Bestehen eines Kindergeldanspruchs für die genannten Zeiträume nicht nachgewiesen worden sei. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein.

Mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 änderte die Familienkasse A den Bescheid vom 19. November 2015. Sie entschied, dass Kindergeld für das Kind S bis Juli 2014 zu Recht gezahlt worden und der zurückgeforderte Betrag i.H.v. 5.520 EUR nicht mehr zu erstatten sei. Etwaige weitere Forderungen blieben hiervon unberührt. Mit Einspruchsentscheidung vom 4. Januar 2016 wegen Kindergeld für das Kind S wies die Familienkasse A im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurück. Kindergeld sei lediglich bis Juli 2014 zu Recht bezahlt worden. Das Kind S habe im Juli 2014 seine Ausbildung beendet. Dadurch mindere sich der Rückforderungsbetrag für überzahltes Kindergeld ab August 2014 auf 1.288 EUR.

Mit Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2016 wies die Familienkasse A den Einspruch wegen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für das Kind T ab Juni 2014 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage. Die Klage war beim Finanzgericht Baden-Württemberg unter dem Az. 10 K 479/16 anhängig. Während des Klageverfahrens reichte die Klägerin ergänzende Unterlagen ein. Mit Bescheid vom 16. Juni 2016 setzte die Familienkasse A Kindergeld für das Kind T für den Zeitraum Juni 2014 bis einschließlich Januar 2015 fest und führte u.a. aus, das Kindergeld für das Kind T sei zu Recht gezahlt worden. Der zurückgeforderte Betrag i.H.v. 1.476 EUR sei nicht zu erstatten.

Nach Mahnung vom 19. Januar 2016 hatte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch Rückstände i.H.v. 2.772 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen. Dieser Betrag wurde um 1.476 EUR gemindert und das Vollstreckungsersuchen zurückgezogen und die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber der Bank mit Sc...

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