rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kirchensteuer und Kirchgeld bei glaubensverschiedenen Ehegatten. kein Anspruch von Ehepaaren mit kirchenzugehörigem Alleinverdiener auf Gleichbehandlung mit Ehepaaren mit nicht kirchenzugehörigem Alleinverdiener

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Dass Aufwand, der vom Gesetzgeber grundsätzlich als nicht abzugsfähig nach § 12 EStG angesehen wird, entweder nur in beschränktem Umfang oder gar nicht zum steuermindernden Abzug zugelassen wird, stellt eine vom Gesetzgeber geregelte, verfassungsrechtlich unbedenkliche Typisierung dar. Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, zusätzliche Sonderausgabentatbestände zu schaffen.

2. Die Glaubensfreiheit schützt den Kirchenangehörigen nicht vor der Erhebung von Kirchensteuern und ähnlichen Abgaben.

3. Zwar kann nicht das einkommensteuerrechtlich ermittelte Einkommen des nicht einer Kirche angehörenden Ehegatten, wohl aber der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten den Gegenstand der Besteuerung bilden. Wenn angesichts der Schwierigkeiten der Bestimmung des Lebensführungsaufwandes als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehepartners dieser Aufwand nach dem gemeinsamen Einkommen der Ehegatten bemessen wird, ist hiergegen verfassungsrechtlich nichts einzuwenden.

4. Die Schaffung eines „negativen Kirchgeldes” ist vom Gesetzgeber und den Kirchensteuerbeschlüssen der Landeskirche nicht vorgesehen und angesichts der Tatsache, dass die gesamten vom Kläger als Kirchensteuer gezahlten Beträge steuermindernd als Sonderausgabe und der Lebensführungsaufwand des nicht verdienenden Ehegatten anderweitig berücksichtigt werden, verfassungsrechtlich nicht geboten.

 

Normenkette

EStG § 32a Abs. 5, § 12 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 4; KiStG BW § 6 Abs. 1, § 19 Abs. 4; GG Art. 2-3, 4 Abs. 1-2, Art. 14

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der verheiratete Kläger (Kl) reichte am 03.08.2007 gemeinsam mit seiner Ehefrau die Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 2006 beim Finanzamt ein. Danach gehörte er der evangelischen Kirche an, seine Ehefrau hingegen war konfessionslos. Der Kl. erzielte im Streitjahr Einkünfte von zusammen 53.529 EUR. Seine Ehefrau hingegen hatte Einkünfte von ./.1.543 EUR. Im Bescheid für 2006 über Kirchensteuer vom 12.12.2007 wurde die evangelische Kirchensteuer auf 444,08 EUR festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kl am 21.12.2007 mit Schreiben vom 17.12.2007 form- und fristgerecht Einspruch. Er wendet sich gegen die Nichtberücksichtigung des ihm entstehenden Lebensführungsaufwands für die nicht kirchenangehörige Ehefrau und begehrt die Minderung der festgesetzten Kirchensteuer um 96 EUR. Dieser Betrag entspricht nach den Ausführungen des Kl dem besonderen Kirchgeld, das festgesetzt werden würde, wenn seine Ehefrau die Alleinverdienerin wäre. Zur Begründung verweist er auf den Beschluss des BVerfG vom 28.10.2010 2 BvR 591/06, 2 BvR 1689/09, 2 BvR 2698/09, 2 BvR 2715/09, 2 BvR 148/10 und 2 BvR 816/10, HFR 2011, 98.

Am 01.02.2008 erging ein – aus anderen Gründen – geänderter Bescheid für 2006 über Kirchensteuer. Die Kirchensteuer wurde nunmehr auf 258,96 EUR herabgesetzt. Als Bemessungsgrundlage wurde hierbei ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 35.874 EUR unter Berücksichtigung eines Kinderfreibetrags von 5.808 EUR‚ der steuerfreien Halbeinkünfte des Ehemannes von 1.004 EUR und der Steuerermäßigung nach § 35a EStG von 117 EUR die Einkommensteuer unter Anwendung des Splittingtarifs mit 3.237 EUR errechnet. Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch wurde vom beklagten Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger form- und fristgerecht Klage, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.

Er trägt vor, strittig sei nicht die Anwendung des einfachen Rechts. Dieses sei richtig angewendet worden. Die einfachgesetzlichen Regelungen verstießen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, denn sie würden den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine folgerichtige Umsetzung steuerrechtlicher Belastungsentscheidungen nicht gerecht. Das Gebot der Folgerichtigkeit werde missachtet.

Die steuerrechtliche Behandlung der folgenden Sachverhalte verstoße gegen das Gebot der Folgerichtigkeit:

  • • Die Ehegatten leben in glaubensverschiedener Ehe und der Alleinverdiener ist Nicht-Kirchenmitglied (Sachverhalt 1)
  • • Die Ehegatten leben in glaubensverschiedener Ehe und der Alleinverdiener ist Kirchenmitglied (Sachverhalt 2: hier Streitfall).

Liege der Sachverhalt 1 vor, werde das besondere Kirchgeld erhoben. In seinem Beschluss vom 28.10.2010 (2 BvR 816/10) habe das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, dass zwar nicht das einkommensteuerrechtlich ermittelte Einkommen des nicht einer Kirche angehörenden Ehegatten, wohl aber der Lebensführungsaufwand des kirchenangehörigen Ehegatten den Gegenstand der...

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