Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweiswirkung der Protokollierung einer Erledigungserklärung. Keine Anfechtung von Verfahrenshandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist streitig, ob übereinstimmende Erledigungserklärungen wirksam abgegeben wurden, ist das Verfahren fortzusetzen und durch Urteil festzustellen, dass die Hauptsache erledigt ist.

2. Erledigungserklärungen stellen wesentliche Förmlichkeiten im Sinne des § 165 ZPO dar, deren Beachtung nur durch Protokoll bewiesen werden kann.

3. Wird das Protokoll unter Verstoß gegen § 162 Abs. 1 ZPO den Beteiligten nicht vorgelesen und genehmigt, fehlt dem Protokoll insoweit die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nach §§ 415, 418 Abs. 2 ZPO; die Erklärung kann in diesem Fall auf andere Weise bewiesen werden.

4. Ist eine Förmlichkeit protokolliert, steht positiv fest, dass sie gewahrt ist. Nur der Beweis der Fälschung ist nach § 165 S. 2 ZPO geeignet, die Beweiswirkung der protokollierten Erledigungserklärung zu entkräften.

5. Eine Anfechtung einer Erledigungserklärung nach §§ 119, 123, 142 BGB wegen Irrtums, bzw. ihr Widerruf ist ausgeschlossen.

 

Normenkette

FGO §§ 138, 94; ZPO §§ 160, 162 Abs. 1, § 165 S. 2, §§ 415, 418; BGB §§ 119, 123, 142

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 15.07.2010; Aktenzeichen VIII B 39/09)

BFH (Beschluss vom 15.07.2010; Aktenzeichen VIII B 39/09)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet ist.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Klageverfahren der Klägerin 10 K 125/06 fortzuführen oder die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen ist.

Die Klägerin und ihr Ehemann B erhoben am 14. Juni 2006 beim Finanzgericht Baden-Württemberg 10 K 125/06 Klage gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1992 und 1995 bis 2000 sowie gegen den Bescheid zum 31. Dezember 1992 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer 1992.

In der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2008 nahmen der Kläger und seine Ehefrau die Klage gegen den Bescheid zum 31. Dezember 1992 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer 1992 zurück. Das Finanzgericht stellte insoweit das nach Abtrennung unter dem Az. 10 K 1110/08 weitergeführte Verfahren mit Beschluss vom 28. Februar 2008 – 10 K 1110/08 – ein. Des Weiteren erklärten der Kläger, seine Ehefrau und der Beklagte nach Teilabhilfe durch diesen den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, worauf das Finanzgericht – FG – Baden-Württemberg mit Beschluss vom 28. Februar 2008 entsprechend dem Vorschlag der Beteiligten über die Kosten des Verfahrens entschied. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die über die mündliche Verhandlung gefertigte Niederschrift und auf die Beschlüsse des FG vom 28. Februar 2008 verwiesen.

Am 05. April 2008 teilte C – der Sohn des Klägers – dem Gericht unter Hinweis auf den Beschluss des AG X – Vormundschaftsgericht – vom 28. November 2007 – FR XVII 140/07 – mit, dass er zum Betreuer des Klägers bestellt worden sei, als dessen gesetzlicher Vertreter die Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht genehmige und die Fortsetzung des Verfahrens beantrage, da der Kläger aufgrund des Betreuungsverhältnisses keine rechtswirksamen Willenserklärungen habe abgeben können. Der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens des Klägers wird unter dem Aktenzeichen 10 K 1575/08 geführt, da das Aktenzeichen des ursprünglichen Vorverfahrens aus EDV-technischen Gründen nicht mehr aufgenommen werden konnte.

Das AG X – Vormundschaftsgericht – entließ mit Beschluss vom 25. November 2008 – FR XVII 140/07 – den bisherigen Betreuer C und bestellte D als neuen Betreuer.

Durch Schriftsatz des jetzigen Bevollmächtigten vom 23. Juni 2008 beantragte dieser, in dem Finanzrechtsstreit der Eheleute A gegen das Finanzamt Y die Klagen 10 K 125/06 und 10 K 1110/08 bezüglich beider Eheleute fortzuführen. Nachdem bereits für den Kläger B das Aktenzeichen 10 K 1575/08 angelegt war, wurde nur ein Aktenzeichen bezüglich der A unter dem Aktenzeichen 10 K 2875/08 angelegt und nur dieses Verfahren für die Klägerin als solches eingetragen, während im übrigen das Verfahren gegen B unter dem alten Aktenzeichen 10 K 1575/08 weitergeführt wurde.

Der Prozessbevollmächtigte beantragte für die Klägerin, das Protokoll vom 28. Februar 2008 dahingehend zu berichtigen, dass dieses den Klägern nicht vorgelesen und von ihnen auch nicht genehmigt worden sei, so dass sowohl die darin enthaltenen Klagrücknahmenerklärungen als auch die Erledigungserklärungen nicht wirksam seien und solche Erklärungen auch nicht erklärt worden seien.

Zur Begründung führte der Prozessbevollmächtigte aus, dass es den Klägern sowohl an einem objektiven Erklärungsverhalten als auch am erforderlichen Erklärungsbewusstsein gefehlt habe. Nur hilfsweise werde vorgetragen, falls eine Erledigungserklärung objektiv abgegeben worden sein sollte, sei diese ausschließlich von Seiten des nicht prozessfähigen Klägers...

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