Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerrecht. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Sonderregelungen für Kunstgegenstände. Differenzbesteuerung. Steuerpflichtige Wiederverkäufer. Lieferung von Kunstgegenständen durch den Urheber oder seine Rechtsnachfolger. Innergemeinschaftliche Umsätze. Recht auf Vorsteuerabzug

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 312, 315, 317 Abs. 1

 

Beteiligte

Mensing II

Finanzamt Hamm

Harry Mensing

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 20.10.2021; Aktenzeichen XI R 2/20; BFH/NV 2022, , 567; BStBl II 2022, , 503)

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.11.2023; Aktenzeichen XI R 22/23 (XI R 2/20))

 

Tenor

Die Art. 312 und 315 sowie Art. 317 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

sind dahin auszulegen, dass

die Mehrwertsteuer, die ein steuerpflichtiger Wiederverkäufer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb eines Kunstgegenstands entrichtet hat, dessen spätere Lieferung der Differenzbesteuerung nach Art. 316 Abs. 1 dieser Richtlinie unterliegt, Teil der Steuerbemessungsgrundlage dieser Lieferung ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Oktober 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 9. März 2022, in dem Verfahren

Finanzamt Hamm

gegen

Harry Mensing

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter P. G. Xuereb, T. von Danwitz und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Harry Mensing, vertreten durch Rechtsanwalt O.-G. Lippross,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und A. Hoesch als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Pethke und V. Uher als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. März 2023

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 311 ff. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Hamm (Deutschland) und Herrn Mensing, einem Kunsthändler, wegen der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer in Fällen, in denen die Differenzbesteuerung auf Lieferungen von Kunstgegenständen zur Anwendung kommt, die durch den Betroffenen zuvor im Rahmen innergemeinschaftlicher Lieferungen erworben worden sind.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 4, 7 und 51 der Mehrwertsteuerrichtlinie lauten:

„(4) Voraussetzung für die Verwirklichung des Ziels, einen Binnenmarkt zu schaffen[,] ist, dass in den Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern angewandt werden, durch die die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälscht und der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr nicht behindert werden. Es ist daher erforderlich, eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern im Wege eines Mehrwertsteuersystems vorzunehmen, um so weit wie möglich die Faktoren auszuschalten, die geeignet sind, die Wettbewerbsbedingungen sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Gemeinschaftsebene zu verfälschen.

(7) Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sollte, selbst wenn die Sätze und Befreiungen nicht völlig harmonisiert werden, eine Wettbewerbsneutralität in dem Sinne bewirken, dass gleichartige Gegenstände und Dienstleistungen innerhalb des Gebiets der einzelnen Mitgliedstaaten ungeachtet der Länge des Produktions- und Vertriebswegs steuerlich gleich belastet werden.

(51) Es sollte eine gemeinschaftliche Regelung für die Besteuerung auf dem Gebiet der Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Antiquitäten und Sammlungsstücke erlassen werden, um Doppelbesteuerungen und Wettbewerbsverzerrungen zwischen Steuerpflichtigen zu vermeiden.”

Rz. 4

Art. 193 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mehrwertsteuer schuldet der Steuerpflichtige, der Gegenstände steuerpflichtig liefert oder eine Dienstleistung steuerpflichtig erbringt, außer in den Fällen, in denen die Steuer gemäß den Artikeln 194 bis 199 sowie 202 von einer anderen Person geschuldet wird.”

Rz. 5

Die Mehrwertsteuerrichtlinie enthält unter dem Titel XII („Sonderregelungen”) ein Kapitel 4 („Sonderregelungen für Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten”). Abschnitt 1 dieses Kapitals enthält Art. 311 der Richtlinie, der u. a. die Begriffe „Kunstgegenstand” und „Wiederverkäufer” definiert. In Abschnitt 2 dieses Kapitels, der die Sonderregelung für steuerpflichtige Wiederverkäufer festlegt, umfasst der Unterabschnitt 1 („Differenzbesteuerung”) die Art. 312 bis 325.

Rz. 6

Art. 312 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Für die Zwecke dieses Unterabschnitts gelten folgende Begriffsbestimmungen:

  1. ‚Verka...

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