Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzicht auf die Erhebung von Gesellschaftsteuer in einem Mitgliedstaat, Qualifizierung einer Gesellschaft als Kapitalgesellschaft, Verlagerung des Orts der Geschäftsleitung

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 4 Abs. 1 Buchst. g und 3 Buchst. b der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 und die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Verzicht eines Mitgliedstaats auf die Erhebung der Gesellschaftsteuer nicht daran hindert, dass eine Gesellschaft, die zu einer der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie genannten Kategorien gehört, bei der Verlegung des Ortes ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung von diesem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, in dem diese Steuer noch erhoben wird, für die Erhebung der Gesellschaftsteuer im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie als Kapitalgesellschaft zu qualifizieren.

Diese Auslegung darf jedoch nicht dazu führen, dass Verhaltensweisen begünstigt werden, die durch die Errichtung künstlicher Konstruktionen mit dem alleinigen Ziel der Erlangung eines Steuervorteils gekennzeichnet sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Umstände des Ausgangsverfahrens objektive Merkmale einer solchen missbräuchlichen Praxis aufweisen.

 

Normenkette

EWGRL 335/69 Art. 4 Abs. 1, 3

 

Beteiligte

Ing. Auer

Firma Ing. Auer – Die Bausoftware GmbH

Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr

 

Verfahrensgang

UFS (Österreich) (Urteil vom 31.05.2006; Abl.EU 2006, Nr. C 212/13)

 

Tatbestand

„Indirekte Steuern ‐ Ansammlung von Kapital ‐ Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft ‐ Abschaffung der von einer Gesellschaft erhobenen Gesellschaftsteuer“

In der Rechtssache C-251/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Linz (Österreich), mit Entscheidung vom 31. Mai 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Juni 2006, in dem Verfahren

Firma ING. AUER ‐ Die Bausoftware GmbH

gegen

Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters G. Arestis, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász und T. von Danwitz,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Firma ING. AUER ‐ Die Bausoftware GmbH, vertreten durch J. Wiedlroither und G. Aigner, Rechtsanwälte,

‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer sowie G. Glega und J. Bauer als Bevollmächtigte,

‐ der hellenischen Regierung, vertreten durch I. Pouli und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,

‐ der spanischen Regierung, vertreten durch M. Munoz Pérez als Bevollmächtigten,

‐ der polnischen Regierung, vertreten durch E. Osniecka-Tamecka als Bevollmächtigte,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Afonso und W. Mölls als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Juni 2007

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. g und 3 Buchst. b sowie Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (ABl. L 156, S. 23) und die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 69/335).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Firma ING. AUER ‐ Die Bausoftware GmbH (im Folgenden: ING. AUER ‐ Die Bausoftware) und dem Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr wegen einer Gesellschaftsteuerforderung des Finanzamts in Höhe von 104 680,20 Euro.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3

Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 69/335 sieht vor:

„(1) Die der Gesellschaftsteuer unterliegenden Vorgänge werden ausschließlich in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft in dem Zeitpunkt befindet, in dem diese Vorgänge erfolgen.

(2) Befinden sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft in einem Drittland und ihr satzungsmäßiger Sitz in einem Mitgliedstaat, so werden die der Gesellschaftsteuer unterliegenden Vorgänge in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem sich der satzungsmäßige Sitz befindet.“

4

Art. 3 der Richtlinie 69/335 bestimmt:

„(1) Kapita...

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