Entscheidungsstichwort (Thema)

Freier Dienstleistungsverkehr. Freier Kapitalverkehr. In einem Drittstaat ansässiges Unternehmen. Ausschließlich oder hauptsächlich auf das Gebiet eines Mitgliedstaats gerichtete Tätigkeit. Gewerbsmäßige Kreditvergabe. Erfordernis einer vorherigen Genehmigung in dem Mitgliedstaat, in dem die Leistung erbracht wird

 

Beteiligte

Fidium Finanz

Fidium Finanz AG

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

 

Tenor

Eine innerstaatliche Regelung, nach der ein Mitgliedstaat für die Tätigkeit der gewerbsmäßigen Kreditvergabe im Inland durch ein in einem Drittstaat ansässiges Unternehmen eine vorherige Erlaubnis vorschreibt und diese Erlaubnis u. a. dann zu versagen ist, wenn das betreffende Unternehmen nicht seine Hauptverwaltung oder eine Zweigstelle im Inland hat, berührt vorwiegend die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit im Sinne der Artikel 49 ff. EG. Ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat kann sich nicht auf diese Bestimmungen berufen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Deutschland) mit Entscheidung vom 11. Oktober 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Oktober 2004, in dem Verfahren

Fidium Finanz AG

gegen

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas (Berichterstatter) und K. Schiemann, der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász, G. Arestis, A. Borg Barthet und M. Ilešič,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Fidium Finanz AG, vertreten durch die Rechtsanwälte C. Fassbender und A. Eckhard sowie durch Assessor N. Petersen,
  • der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, vertreten durch S. Ihle, S. Deppmeyer und A. Sahavi als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch S. Spyropoulos, D. Kalogiros, S. Vodina und Z. Chatzipavlou als Bevollmächtigte,
  • Irlands, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von M. Collins, SC,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes, L. Máximo dos Santos und Â. Seiça Neves als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch K. Wistrand als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk und T. Scharf als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. März 2006

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 49 EG, 56 EG und 58 EG.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Klage der Fidium Finanz AG (im Folgenden: Fidium Finanz), einer Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz, gegen einen Bescheid der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: Bundesanstalt), mit dem diese Behörde ihr untersagte, in Deutschland ansässigen Kunden gewerbsmäßig Kredite zu gewähren, weil sie nicht über die nach deutschem Recht erforderliche Erlaubnis verfüge.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Die Artikel 49 EG bis 55 EG regeln den freien Dienstleistungsverkehr. Artikel 49 Absatz 1 EG verbietet Beschränkungen dieser Freiheit innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind.

4 Die Artikel 56 EG bis 60 EG betreffen den freien Kapitalverkehr. Artikel 56 Absatz 1 EG sieht vor, dass im Rahmen der Bestimmungen des Titels III Kapitel 4 „Der Kapital- und Zahlungsverkehr” des EG-Vertrags alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten sind.

5 In der Einleitung des die Überschrift „Nomenklatur für den Kapitalverkehr gemäß Artikel 1 der Richtlinie” tragenden Anhangs I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von dem durch den Vertrag von Amsterdam aufgehobenen Artikel 67 des Vertrages (ABl. L 178, S. 5) heißt es:

„…

Der in dieser Nomenklatur genannte Kapitalverkehr umfasst:

  • alle für die Durchführung des Kapitalverkehrs erforderlichen Geschäfte: Abschluss und Ausführung der Transaktion und damit zusammenhängende Transferzahlungen. …

  • die Kredit- oder Darlehensrückzahlungen.

Diese Nomenklatur ist keine erschöpfende Aufzählung zur Definition des Begriffs des Kapitelverkehrs; sie enthält nämlich eine Rubrik XIII – F ‚Sonstiger Kapitalverkehr: Verschiedenes’. Sie ist mithin nicht im Sinne einer Einschränkung des Geltungsbereichs d...

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