Entscheidungsstichwort (Thema)

Kapitalerträge, Beteiligung an Investmentfonds, Freier Kapitalverkehr, Schwarze Fonds, Erträge aus ausländischen Investmentanteilen, Auslandsinvestmentgesetz

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 64 AEUV ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die eine pauschale Besteuerung der Erträge von Anteilsinhabern eines ausländischen Investmentfonds vorsieht, wenn dieser Fonds bestimmten gesetzlichen Verpflichtungen nicht genügt, eine Maßnahme darstellt, die den Kapitalverkehr im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Sinne dieses Artikels betrifft.

 

Normenkette

AEUV Art. 64

 

Beteiligte

Wagner-Raith

Ingeborg Wagner-Raith

Finanzamt Ulm

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 06.08.2013; Aktenzeichen VIII R 39/12; BFH/NV 2013, 1976)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Ausnahme ‐ Kapitalverkehr im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen ‐ Regelung eines Mitgliedstaats, die eine pauschale Besteuerung von Kapitalerträgen aus Beteiligungen an ausländischen Investmentfonds vorsieht ‐ Schwarze Fonds“

In der Rechtssache C-560/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. August 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Oktober 2013, in dem Verfahren

Finanzamt Ulm

gegen

Ingeborg Wagner-Raith,

beigetreten:

Bundesministerium der Finanzen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter S. Rodin und E. Levits (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie des Richters F. Biltgen,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Frau Wagner-Raith, vertreten durch Rechtsanwalt U. Ziegler,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, A. Wiedmann und K. Petersen als Bevollmächtigte,

‐ der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brighouse als Bevollmächtigte im Beistand von K. Bacon, Barrister,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Scharf, A. Cordewener und W. Roels als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Dezember 2014

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 64 Abs. 1 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Wagner-Raith, Erbin von Frau Maria Schweier, und dem Finanzamt Ulm (Deutschland) wegen der Besteuerung von Kapitalerträgen aus Beteiligungen an Investmentfonds mit Sitz auf den Kaimaninseln (überseeisches Gebiet des Königreichs Großbritannien und Nordirland).

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages [durch den Vertrag von Amsterdam aufgehobener Artikel] (ABl. L 178, S. 5) bestimmt, dass die Mitgliedstaaten „[u]nbeschadet der nachstehenden Bestimmungen … die Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Gebietsansässigen in den Mitgliedstaaten [beseitigen]. Zur Erleichterung der Durchführung dieser Richtlinie wird der Kapitalverkehr entsprechend der Nomenklatur in Anhang I gegliedert.“

Rz. 4

Zu den in Rubrik I („Direktinvestitionen“) in Anhang I der Richtlinie 88/361 angeführten Kapitalbewegungen gehört die Beteiligung an neuen oder bereits bestehenden Unternehmen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter Wirtschaftsbeziehungen.

Rz. 5

Rubrik IV („Geschäfte mit Anteilscheinen von Organismen für gemeinsame Anlagen“) des Anhangs schließt in Teil A betreffend „Transaktionen mit Anteilscheinen von Organismen für gemeinsame Anlagen“ u. a. den Erwerb an der Börse gehandelter Anteilscheine von ausländischen Organismen durch Gebietsansässige und den Erwerb nicht an der Börse gehandelter Anteilscheine von ausländischen Organismen durch Gebietsansässige ein.

Rz. 6

In den in dem Anhang enthaltenen „Begriffsbestimmungen“ heißt es:

„Im Sinne dieser Nomenklatur und ausschließlich zur Anwendung der Richtlinie gelten als:

Direktinvestitionen

Investitionen jeder Art durch natürliche Personen, Handels-, Industrie- oder Finanzunternehmen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen denjenigen, die die Mittel bereitstellen, und den Unternehmern oder Unternehmen, für die die Mittel zum Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind. Der Begriff der Direktinvestitionen ist also im weitesten Sinne gemeint.

Bei den unter I 2 der Nomenklatur genannten Unternehmen, die als Aktiengesellschaften betrieben werden, ist eine Beteiligung im Sinne einer Direktinvestition dann vorhanden, wenn das im Besitz einer natürlichen Person oder eines anderen Unternehmens oder sonstigen Inhabers befindliche Aktienpa...

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