Leitsatz

Erste Tätigkeitsstätte bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des aufnehmenden Unternehmens, der der Arbeitnehmer im Rahmen eines eigenständigen Arbeitsvertrags mit dem aufnehmenden Unternehmen für die Dauer der Entsendung zugeordnet ist.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Nrn. 4a, 5 und 5a, Abs. 4 Sätze 1 bis 3, § 3 Nr. 16, § 1 Abs. 1 Satz 1, § 32b Abs. 1 Sätze 1 und 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 32a Abs. 1 EStG, § 41 Abs. 1 Satz 1 AO, Art. 4, Art. 15 Abs. 1, Art. 23 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 2 DBA-USA 1989/2008, § 118 Abs. 2, § 126 Abs. 2, § 155 Satz 1 FGO, § 293 ZPO

 

Sachverhalt

Der Kläger ist verheiratet und seit 2000 bei der X-AG angestellt. 2013 schloss er mit der X-AG einen Entsendevertrag. Danach sollte der Kläger ab Juli 2013 für 3 Jahre bei einer Konzerngesellschaft (Gastgesellschaft) in Y/USA tätig werden. Weiter war darin vereinbart, dass

  • das Arbeitsverhältnis mit der X-AG (Heimatgesellschaft) mit Beginn des Auslandseinsatzes ruhend gestellt wird,
  • der Kläger mit der Gastgesellschaft einen lokalen Arbeitsvertrag schließt,
  • im Hinblick auf Urlaub und Krankheit nicht schlechter steht, als nach den Regelungen der Heimatgesellschaft,
  • betreffend Jubiläen und Sonderurlaub die Regelungen der Heimatgesellschaft fortgelten,
  • der Kläger jederzeit zurückgerufen werden und
  • das ruhende Arbeitsverhältnis auch während der Entsendung durch die X-AG gekündigt werden kann.

Dieser Entsendevertrag trat ergänzend neben den ruhenden Arbeitsvertrag mit der X-AG und den ­lokalen Arbeitsvertrag mit der Gastgesellschaft.

Den lokalen Arbeitsvertrag mit der Gastgesellschaft ging der Kläger bei Dienstantritt in den USA ein. Darin waren Arbeitszeit, weitere arbeitsrechtliche Rechte und Pflichten der Parteien und die Bezahlung des Klägers geregelt. Dieser Kläger trat seinen Einsatz bei der Gastgesellschaft in deren Werk in Y vereinbarungsgemäß im Juli 2013 an. Die Klägerin begleitete ihn während des Auslandsaufenthalts. Die Kläger bezogen eine Wohnung in Y; die Wohnung in Deutschland behielten sie bei.

Neben dem ausländischen Arbeitslohn erklärten die Kläger im Streitjahr (2014) einen Wohn- und Möbelkostenzuschuss sowie ein Flugbudget für Heimflüge. Bei den Nebenleistungen des Arbeitgebers handele es sich um steuerfreie Werbungskostenerstattungen, die nicht zu dem Progressionsvorbehalt unterliegenden ausländischen Arbeitslohn gehören würden.

Das FA folgte dem nicht. Die erste Tätigkeitsstätte des Klägers habe sich im Streitjahr in den USA befunden. Dorthin habe sich auch der Lebensmittelpunkt der Kläger verlagert. Der dem Progressionsvorbehalt unterliegende Arbeitslohn könne deshalb nicht um Unterkunftskosten und Kosten für Heimfahrten gemindert werden.

Das FG wies die hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage ab (Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.4.2018, 5 K 262/16, Haufe-Index 12466870, EFG 2019, 36).

 

Entscheidung

Die Revision der Kläger hat der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Die Kläger waren im Streitjahr unstreitig gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStGunbeschränkt einkommensteuerpflichtig, da sie – neben ihrer Wohnung in Y – im Inland einen Wohnsitz hatten.

2. Ebenfalls unstreitig ist, dass die Einnahmen des Klägers aus seiner Tätigkeit in Y gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-USA nicht der deutschen Besteuerung unterlagen, da Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die der gemäß Art. 4 DBA-USA in den USA ansässige Kläger aus seiner unselbstständigen Arbeit in Y bezog, nur in den USA besteuert werden konnten. Sie unterliegen jedoch dem Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG i.V.m. Art. 23 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 2 DBA-USA).

3. Hat ein unbeschränkt Steuerpflichtiger Einkünfte bezogen, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind, so ist auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Dieser ermittelt sich gemäß § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG nach dem zu versteuernden Einkommen, das sich ergäbe, wenn die ausländischen Einkünfte der deutschen Besteuerung unterlägen. Diese Einkünfte sind daher nach den einschlägigen Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu bestimmen. Dies gilt sowohl für die Ermittlung der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit als auch für die damit zusammenhängenden Werbungskosten. Deshalb sind insbesondere nach § 3 Nr. 16 EStGsteuerfreie Vergütungen nicht in die Ermittlung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte einzubeziehen.

4. Nach § 3 Nr. 16 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013 (BGBl I 2013, 285) sind die Vergütungen, die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes von ihrem Arbeitgeber zur Erstattung von Reisekosten, Umzugskosten oder Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung erhalten, steuerfrei, soweit sie die nach § 9 EStG al...

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