Beispiel 8

Ein Arbeitnehmer erhält von seinem zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Arbeitgeber einen Dienstwagen für sämtliche dienstlichen und privaten Fahrten. Nach den wahrheitsgetreuen Aufzeichnungen beträgt die jährliche Fahrleistung 20.000 km. Davon entfällt ein Anteil von 35 % auf private Fahrten. Der Arbeitnehmer hat eine Zuzahlung von 2.400 EUR (brutto) pro Jahr an den Arbeitgeber zu leisten. Der Dienstwagen wurde von diesem erworben und ist ihm somit zuzurechnen. Die Erwerbskosten beliefen sich auf 70.000 EUR (netto) zzgl. 13.300 EUR Umsatzsteuer. Für Versicherungsprämien, Kfz-Steuer und Rundfunkbeitrag fallen beim Arbeitgeber 3.000 EUR (netto), für sonstige Kosten (z.B. Treibstoff bzw. Strom, Wartung) 4.000 EUR (netto) zzgl. 760 EUR Umsatzsteuer pro Jahr an. Da der Arbeitergeber den Dienstwagen ausschließlich für unternehmerische Zwecke nutzt, ist er zum vollen Vorsteuerabzug (13.300 EUR + 760 EUR) berechtigt.

Exkurs: Verteilung der Erwerbs- oder Herstellungskosten

Es stellt sich in der Konstellation, in der der Dienstwagen dem Arbeitgeber zuzuordnen ist, da er ihn erworben oder hergestellt hat, die für die Ermittlung der Ausgaben wichtige Frage, auf welche Verwendungsdauer die Erwerbs- oder Herstellungskosten zu verteilen sind? Beide Autoren haben in der Praxis die Erfahrung gemacht, dass Angehörige der Finanzverwaltung die (persönliche) Meinung vertreten, dass in Ermangelung einer speziellen gesetzlichen Regelung bei Dienstwägen auf die allgemeine für umsatzsteuerliche Zwecke normierte Verwendungsdauer des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 15a Abs. 1 UStG von fünf Jahren bei beweglichen Wirtschaftsgütern abzustellen ist. Dass diese Ansicht unzutreffend ist, soll nachfolgend dargelegt werden. Zuvor allerdings noch der Hinweis, dass bei der Ermittlung der "umsatzsteuerlichen" Ausgaben des Arbeitgebers die Erwerbs- oder Herstellungskosten von Elektro- und Hybriddienstwägen – anders als im Bereich der Lohnsteuer – nicht halbiert bzw. geviertelt werden dürfen (Abschn. 15.23 Abs. 11 Nr. 2 Satz 4 UStAE).

(1) Keine Verteilung auf die ersten fünf Kalenderjahre nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 15a Abs. 1 UStG, sondern auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer

Auf die Frage, auf welchen Zeitraum die Erwerbs- oder Herstellungskosten eines Dienstwagens bei der Ermittlung des Ausgabenbetrags zu verteilen sind, ist der EuGH[5] schon im Jahr 1996 in der Rechtssache Enkler im Fall einer unentgeltlichen Wertabgabe eingegangen. Dabei hat er in Rz. 26 des Urteils die Sichtweise vertreten, dass sie auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zu verteilen sind. Damit hat er die Abschreibung für die Abnutzung ausdrücklich als Ausgabe anerkannt.

Diese unionsrechtliche Sichtweise wurde national lange akzeptiert. Dies änderte sich erst mit der durch die Seeling-Rechtsprechung des EuGH[6] ausgelöste Ungleichbehandlung von unternehmerischen und privaten Wohnungserwerbern, da die Erstgenannten durch den Sofortabzug des gesamten Vorsteuervolumens bei langfristig (nach AfA-Zeiträumen von Gebäuden, z.B. 50 Jahre) ausgelegter Rückzahlung über die Verwendungsbesteuerung der Wohnungsprivatnutzung einen Finanzierungsvorteil erreichten, und bei steuerfreier Entnahme nach Ablauf des zehnjährigen Berichtigungszeitraums nach § 15a UStG sogar ein unversteuerter Endverbrauch entstehen konnte. Deshalb wurden als nationale Korrektur zur Seeling-Rechtsprechung die "Erwerbs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts, soweit es dem Unternehmen zugeordnet ist..." mit Wirkung vom 1.7.2004 ausdrücklich als Bestanteil der Verwendungsaufwendungen in § 10 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 UStG aufgenommen und zudem in Satz 3 geregelt, dass ab einem Betrag von 500 EUR die Erwerbs- oder Herstellungskosten auf den Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG statt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts zu verteilen sind.[7] Diese durch die Gesetzesänderung angeordneten Rechtsfolgen hat der EuGH[8] in der Rs. Wollny – auch wenn das Unionsrecht keine § 10 Abs. 4 Nr. 2 Sätze 2 und 3 UStG entsprechende Regelung enthält – als unionsrechtskonform angesehen, da den Mitgliedstaaten bei der Ermittlung des Ausgabenbetrags ein Ermessen zusteht, das dahingehend ausgeübt werden kann, für Zwecke der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage bei privater Nutzung eines Unternehmensgegenstands die Anwendung der Regeln über die Berichtigung der Vorsteuerbeträge vorzusehen.[9] Damit lässt sich festhalten, dass der EuGH in der Rs. Wollny dem nationalen Gesetzgeber erlaubt hat, in Abweichung zu seinem Urteil in der Rs. Enkler für die Ermittlung des Ausgabenbetrags im Rahmen einer unentgeltlichen Wertabgabe die Erwerbs- oder Herstellungskosten des überlassenen Wirtschaftsguts auf den Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG zu verteilen.

An dieser Stelle ist Pflaum[10] zuzustimmen, der ganz konkret in Bezug auf Fahrzeuge ausführt: Für die Verteilung der Erwerbs- oder Herstellungskosten bei unentgeltlichen Wertabgaben enthält das UStG – seit dem 1.7.2004 – eine eigenständige Regelung (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Sätze 2 und 3 i.V.m. § 15a Abs. 1 UStG). Hiernach sind die Erwerbs- oder Herstellungskosten von Fahrzeugen regelmäßig auf die ...

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