Leitsatz

Eine (im schwebenden Geschäft zu passivierende) Verbindlichkeit aus Erfüllungsrückstand setzt voraus, dass die ausstehende Gegenleistung die erbrachte Vorleistung "abgelten" soll und ihr damit synallagmatisch zweckgerichtet und zeitlich zuordenbar ist.

 

Normenkette

§ 240 Abs. 2, Abs. 1, § 242 Abs. 1, § 246 Abs. 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB

 

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten war streitig, ob die Voraussetzungen für die Passivierung einer (ungewissen) Verbindlichkeit vorliegen, nachdem die Mieterin bei einem auf 10 Jahre befristeten Mietvertrag für die ersten 11 Monate keinen Mietzins zu entrichten hatte. Die X-GmbH (als Rechtsvorgängerin der Klägerin) hatte am 3.4.1997 als Mieterin einen Mietvertrag über Büro- und Hallenflächen mit Außenanlagen und zehn außen liegenden Parkplätzen abgeschlossen. Der Mietvertrag enthielt sinngemäß u.a. die folgenden Bestimmungen:

Das Mietverhältnis beginnt am 1.7.1997 und hat eine Laufzeit von 10 Jahren bis zum 30.6.2007. Danach verlängert sich das Mietverhältnis um jeweils 2 1/2 Jahre, wenn es nicht von einer der Vertragsparteien (fristgemäß) gekündigt wird. Die Vermieterin wird der Mieterin das Mietobjekt zum 1.7.1997 bezugsfertig zur Verfügung stellen. Der Mietzins ist ab 1.6.1998 zu zahlen. Nebenkosten sind ab Bezugsfertigstellung zu entrichten. Der Mietzins steigt oder fällt entsprechend der Veränderung des Gesamtlebenshaltungskostenindex nach Ablauf von 30 Monaten (von Mietbeginn an gerechnet). Die Vermieterin überließ der GmbH das Mietobjekt vertragsgemäß zum 1.7.1997 zur Nutzung. Zudem leistete sie der GmbH 1997 und 1999 12.000 DM Baukostenzuschüsse für die Einrichtung einer Teeküche und eines Lagers zur Aufbewahrung von Seenotrettungsmitteln.

Die GmbH bildete in ihrer Bilanz zum 31.12.1997 eine Rückstellung i.H.v. 6/120 des für die Grundlaufzeit des Mietvertrags (10 Jahre) insgesamt zu zahlenden Mietzinses. In der Bilanz zum 31.12.1998 erhöhte sie die Rückstellung (für die Zeit bis 31.5.1998) um weitere 5/120, gleichzeitig löste sie (für die Zeit der aufwandswirksamen Mietzahlungen ab 1.6.1998) den Rückstellungsbetrag wiederum mit 7/109 auf.

Demgegenüber gelangte das FA zu der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Passivierung nicht vorlägen.

Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg (EFG 2005, 1262).

 

Entscheidung

Das wurde vom BFH bestätigt.

Die nachzuentrichtenden Mietraten der GmbH bis einschließlich Mai 1998 waren nach den insoweit ausschlaggebenden Feststellungen des FG nicht aufgeschoben und mit den künftigen Mietraten zu leisten: Die GmbH sei nicht verpflichtet gewesen, vor dem Juni 1998 mit der Mietzahlung zu beginnen. Sie habe auch nicht nachgewiesen, dass ab Juni 1998 (unter Berücksichtigung der zunächst nicht erhobenen Raten) eine überhöhte Miete gezahlt worden sei; ebenso liege ein Fall progressiver Miete nicht vor. Die erforderliche Verknüpfung im Sinn einer "Abgeltung" der Nutzungsüberlassung (siehe dazu die Praxis-Hinweise) fehlte danach.

 

Hinweis

Eigentlich ist alles ganz einfach:

1. (Ungewisse) Verbindlichkeiten sind nach GoB vollständig passivisch auszuweisen – es sei denn, es handelt sich um eine Verpflichtung aus einem schwebenden Geschäft. Dann gilt die Ausgewogenheitsvermutung mit der Folge des prinzipiellen Ausweisungsverbots.

2. Es gibt aber eine Ausnahme von dieser Einschränkung in Gestalt des Erfüllungsrückstands.

Das ist ein gesetzlich nicht definierter Begriff, der zum Ausdruck bringt, dass das Gleichgewicht des "Schwebeverhältnisses" in Unordnung geraten ist. Dies gilt insbesondere im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen, "wenn der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet, also weniger geleistet hat, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hatte" (BFH, Urteil vom 28.7.2004, XI R 63/03, BFH-PR 2005, 85).

3. Ursprünglich wurde das Vorliegen eines Erfüllungsrückstands (nur) nach dem rechtlichen, insbesondere schuldrechtlichen Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im schwebenden Geschäft beurteilt und somit an den schuldrechtlich gebotenen Zeitpunkt der Erfüllung geknüpft.

Allerdings hat der BFH in der Folgezeit die Frage nach dem Vorliegen eines Erfüllungsrückstands nicht ausschließlich nach bürgerlichem Recht beurteilt. Ausreichend ist vielmehr auch eine an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierte Betrachtung. Auch davon ausgehend setzt das Vorliegen eines Erfüllungsrückstands jedoch voraus, "dass mit der nach dem Vertrag geschuldeten zukünftigen Leistung nicht nur an Vergangenes angeknüpft, sondern Vergangenes abgegolten wird".

4. Der BFH folgert nun aus dieser letzteren Einschränkung, dass "die rückständige Gegenleistung der erbrachten Vorleistung synallagmatisch zweckgerichtet und bei zeitbezogenen Leistungen auch zeitlich zuordenbar ist". Die allgemeinen Passivierungsvoraussetzungen für (ungewisse) Verbindlichkeiten reichen also nicht aus. Es muss in jedem Fall jene spezifische Verknüpfung zwischen Leistung und...

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