Leitsatz

1. Stellt der Kläger die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts, so ist der Klageantrag jedenfalls dann ausreichend bestimmt, wenn ein Mindestbetrag angegeben ist.

2. Liegt ein Grund vor, ein Verfahren zum Ruhen zu bringen, hat das FG das Ruhen aber nicht angeregt, so rechtfertigt dies allein noch nicht, statt einer Entschädigung in Geld lediglich die Feststellung unangemessener Verfahrensdauer auszusprechen.

 

Normenkette

§ 198 GVG, § 65 Abs. 1 Satz 2, § 155 FGO, § 251 ZPO, § 247 BGB

 

Sachverhalt

Im Ausgangsverfahren der zusammen veranlagten Kläger ging es um die Besteuerung einer Zahlung, welche die Klägerin von ihrem Arbeitgeber erhalten hatte. Grund für dessen Zahlung war, dass er von einem anderen Unternehmen übernommen worden war. Die Klägerin wertete diese Zahlung als Schenkung, gab aber wegen des Freibetrags keine Schenkungsteuererklärung ab. Das FA behandelte die Zahlung demgegenüber als steuerpflichtigen Arbeitslohn. Das finanzgerichtliche Verfahren dauerte trotz mehrerer Verzögerungsrügen von März 2010 bis zum Mai 2013.

 

Entscheidung

Die Klage war zulässig und begründet. Die Dauer des Ausgangsverfahrens war im Umfang von zwölf Monaten unangemessen, für die den Klägern eine Entschädigung jeweils in Höhe von 1.200 EUR nebst Zinsen zu zahlen war.

 

Hinweis

In diesem Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer, einem Parallelfall zum Urteil des BFH vom 4.6.2014 (X K 12/13, BFHE 246, 136, BStBl II 2014, 933, BFH/NV 2014, 1844; siehe auch Förster, BFH/PR 2014, 450), sind drei wichtige Erkenntnisse herausgearbeitet worden:

1. Zunächst bleibt der für die Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer zuständige X. Senat bei den Grundsätzen seiner Rechtsprechung mit der im Ausgangspunkt pauschalierenden Sichtweise (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 7.11.2013, X K 13/12, BFH/NV 2014, 259, BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179 und BFH, Urteil vom 18.3.2014, X K 4/13, BFH/NV 2014, 1050 sowie BFH, Urteil vom 19.3.2014, X K 8/13, BFH/NV 2014, 1154, BFHE 244, 521, BStBl II 2014, 584). Er sieht sich in dieser Auffassung dadurch bestätigt, dass das BVerfG die gegen das Senatsurteil X K 4/13 gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat.

2. Eine Entschädigungsklage ist zulässig, wenn der Kläger, um das Erfordernis eines bestimmten Klageantrags gemäß § 65 Abs. 1 FGO zu erfüllen, die für die Bemessung der Höhe des Anspruchs erforderlichen Tatsachen benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Entschädigung (etwa einen Mindestbetrag) angibt.

3. In Bezug auf die Zahlung einer Entschädigung beim objektiven Vorliegen eines Ruhensgrundes ist zu unterscheiden:

Soweit die Beteiligten auf entsprechende Anfrage des FG einem Ruhen des Verfahrens mit Rücksicht auf ein beim BFH anhängiges Revisionsverfahren in einer parallelen Angelegenheit zwar nicht zustimmen, wohl aber objektiv ein Grund vorliegt, ein Verfahren zum Ruhen zu bringen und gleichzeitig für die fehlende Zustimmung keine Gründe erkennbar sind, kann vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass für die Verfahrensverzögerung in dieser Zeitspanne keine Entschädigung in Geld zu gewähren ist. Vielmehr ist nach § 198 Abs. 4 Satz 1 GVG die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, ausreichend (vgl. BFH, Urteil vom 4.6.2014, X K 12/13, BFH/NV 2014, 1844, BFHE 246, 136, BStBl II 2014, 933).

Anders verhält es sich jedoch, wenn das FG das Ruhen des Verfahrens nicht angeregt hat. In diesem Fall hat es das Verfahren nicht gefördert, sodass die Beteiligten auch nicht wissen können, was in ihrem konkreten Fall aus Sicht des FG einem Fortgang des Verfahrens und damit der Gewährung ihres persönlichen Rechtsschutzes entgegensteht. Es ist nicht zuletzt diese Ungewissheit, vor der das Regelwerk der §§ 198ff. GVG schützen will. Daher ist es angemessen, ihnen dann eine Entschädigung in Geld zuzusprechen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 2.12.2015 – X K 7/14

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