Leitsatz

Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Tätigkeitsstätten mit einer Entfernung von bis zu 30 km sind auch vor 2008 in der tatsächlichen Höhe als Werbungs­kosten abziehbar.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG 2002, R 38 Abs. 3 LStR 2005

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2005 als Betonbauer Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Er wurde ausschließlich an ständig wechselnden Einsatzorten eingesetzt und kehrte täglich zu seiner Wohnung zurück.

Das FA berücksichtigte für die Fahrten folgende Beträge: Für die ersten 10 km 0,30 €, über 10 km 0.40 € und bei Fahrten über 30 km 0,60 €.

Hiergegen wendet sich der Kläger und begehrt die Berücksichtigung sämtlicher Fahrten nach Dienstreisegrundsätzen.

 

Entscheidung

Das FG hat der Klage stattgegeben. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist die von der Finanzverwaltung berücksichtigte 30-km-Grenze nicht mit den Entscheidungen des BFH vom 11.05.2005 vereinbar.

 

Hinweis

1. In seinen Entscheidungen vom 11.05.2005 (BFH-PR 2005, 399 ff.) hat der BFH seine Rechtsprechung zu der Beurteilung von Einsatzwechseltätigkeiten geändert und ausdrücklich festgestellt, dass für die Wege eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und ständig wechselnden Tätigkeitsstätten die Entfernungspauschale nicht anzusetzen ist und die Aufwendungen für solche Fahrten in der nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Höhe abziehbar sind. Er ließ jedoch offen, ob damit die frühere Rechtsprechung zur 30-km-Grenze aufgegeben werden sollte.

Das BMF hat in seinem Schreiben vom 26.10.2005, IV C 5 -- S 2353 -211/05 ohne nähere Begründung an der 30-km-Grenze der R 38 Abs. 3 LStR 2005 festgehalten. Im Hinblick auf die vorgenannten Entscheidungen des BFH wurde in der Literatur hieran überwiegend Kritik geäußert.

2. Reisekosten, die im Rahmen einer Einsatzwechseltätigkeit anfallen, sind nach der Besprechungsentscheidung Reisekosten, welche nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, sondern nach Dienstreisegrundsätzen zu beurteilen sind.

3. Die von der Finanzverwaltung vertretene Rechtsauffassung führt für den Veranlagungszeitraum 2007 m.E. zu einem verfassungsrechtlich bedenklichen Ansatz von Werbungskosten bei Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnder Tätigkeitsstätte. Denn bei Entfernungen von bis zu 30 km würden aufgrund der Neuregelung zur Entfernungspauschale die ersten 20 km nicht berücksichtigt.

Wenn die Entfernung zwischen Wohnung und Einsatzstelle mehr als 30 km beträgt, wäre auch nach Auffassung der Finanzverwaltung die gesamte Strecke nach Dienstreisegrundsätzen zu berücksichtigen. Gerade im Grenzbereich führt dies zu nicht zu rechtfertigenden Verwerfungen.

4. Rechtslage ab 2008: Die Begriffe Dienstreise, Einsatzwechseltätigkeit und Fahrtätigkeit wurden unter dem einheitlichen Oberbegriff „Auswärtstätigkeit” zusammengefasst.

D.h. seit 2008 entfällt bei der Einsatzwechseltätigkeit die bisherige 30-km-Grenze für die Fahrten zwischen Wohnung und Einsatzstelle. Folglich sind die Fahrten unabhängig von der Entfernung mit den tatsächlichen Aufwendungen oder mit dem pauschalen Kilometersatz als Werbungs­kosten abziehbar.

Insoweit kommt die Entfernungspauschale nicht mehr in Betracht.

5. Der 1. Senat des FG Hamburg vertritt in seiner Entscheidung vom 09.08.2007 ebenfalls die Auffassung, dass die Entfernungspauschale nicht zum Ansatz kommt. Gegen das Urteil vom 09.08.2007, 1 K 25/07 wurde mittlerweile Revision eingelegt. Diese ist unter dem Aktenzeichen VI R 47/07 beim BFH anhängig.

6. Berücksichtigt das FA nur die Entfernungspauschale, sollte unter Hinweis auf das vorgenannte Revisionsverfahren Einspruch eingelegt werden. Dieser kann gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO bis zur Entscheidung durch den BFH ruhen.

 

Link zur Entscheidung

FG Nürnberg, Urteil vom 05.12.2007, 3 K 33/2007 -- NZB VI B 6/08

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