Leitsatz

Werden bei einer Person insgesamt 760 Zigaretten mit polnischen Steuerzeichen vorgefunden, bleiben sämtliche Zigaretten - trotz der Freimengenregelung von 200 Zigaretten - abgabenfrei, wenn die Zigaretten zunächst von anderen Personen eingeführt wurden und dann durch eine Schenkung auf die betreffende Person übergegangen sind.

 

Sachverhalt

Bei einer Fahrzeugkontrolle im Jahr 2007 fanden Beamte des Hauptzollamts im Wagen einer Münchnerin insgesamt 760 Zigaretten mit polnischen Steuerzeichen. Aufgrund der damals geltenden Freimenge von 200 Zigaretten [1] stellte das Hauptzollamt insgesamt 560 Zigaretten im Aufsichtswege sicher.

In ihrer Klage gegen die Sicherstellung konnte die Münchnerin folgenden Ablauf glaubhaft machen: Am Tag vor der Kontrolle sei sie zusammen mit ihrem Vater und ihren Großeltern über den Grenzübergang Gastrose nach Polen gefahren. Dort habe jeder von ihnen eine Stange Zigaretten gekauft. Bevor sie am Folgetag vom Wohnsitz ihrer Großeltern in K-Stadt die Heimreise nach München angetreten hatte, schenkten ihr die Großeltern und der Vater die von ihnen erworbenen Stangen. Sämtliche Zigaretten seien für ihren Eigenbedarf bestimmt gewesen. Die Münchnerin war daher der Ansicht, dass alle 760 Zigaretten unter die Freimengenregelung fallen.

 

Entscheidung

Das FG entschied, dass sämtliche Zigaretten abgabenfrei eingeführt werden durften. Im maßgebenden Jahr galt für Einfuhren aus der Republik Polen noch die Mengenbeschränkung des § 20 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a) TabStG, wonach insgesamt 200 Zigaretten steuerbefreit waren, die Privatpersonen bis zum 31.12.2008 in Polen für ihren Eigenbedarf erwarben und einführten. Diese Freimengenregelung lässt das FG nicht nur für die Tochter, sondern auch für die Großeltern und den Vater gelten. Die aufgefundenen 760 Zigaretten waren daher von der Gesamtheit der einzelnen Freimengen gedeckt. Das FG leitet dieses Ergebnis aus Art. 8 der Systemrichtlinie[2] ab, die der nationalen Freimengenregelung des § 20 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a) TabStG zugrundeliegt. Danach ist das Tatbestandsmerkmal "Eigenbedarf" dahingehend auszulegen, dass sich die Abgabenfreiheit nicht auf den persönlichen Ver- oder Gebrauch der Waren beschränkt. Eine solche Auslegung findet keine Stütze in Art. 8 der Systemrichtlinie. Das FG legt den Begriff des Eigenbedarfs großzügiger aus und fasst hierunter auch den Begriff "Eigenbesitz". Der Vater und die Großeltern haben diesen Eigenbesitz zunächst an den Zigaretten begründen müssen um sie dann verschenken zu können. Deshalb wurden alle Zigaretten von der Freimengenregelung erfasst.

 

Hinweis

Der EuGH [3] hat zwar entschieden, dass Waren von der Abgabenfreiheit ausgeschlossen sind, wenn Privatpersonen diese erwerben um den Bedarf anderer Personen zu decken. Dieser Entscheidung lag aber der Fall zugrunde, dass eine Person verbrauchssteuerpflichtige Waren im Namen einer Gruppe einführte und die Ware hinterher unter anteiliger Kaufpreiszahlung an die anderen Gruppenmitglieder verteilte. Das Thüringer FG grenzt die Schenkung im o.g. Urteilsfall deutlich von dieser Fallkonstellation ab.

Die Revision ist unter Az. VII R 59/10 beim BFH anhängig.

 

Link zur Entscheidung

Thüringer FG, Urteil vom 26.04.2010, 2 K 462/08

[1] § 20 Abs. 4 Satz 1 TabStG
[2] RL 92/12/EWG i. d. F. der RL 92/108/EWG

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