Rz. 376

[Autor/Stand] Unter den geschilderten Umständen (oben Rz. 363 ff.) konnte es nicht überraschen, dass sich das BVerfG[2] der vom BFH in dessen Vorlagebeschlüssen v. 2.3.2011 (vgl. oben, Rz. 364 ff.) vertretenen Auffassung im Ergebnis anschloss und die Regelung des § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. i.V.m. den §§ 138 ff. BewG a.F. über die Ersatzbemessungsgrundlage als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar erklärte. Bringe der Gesetzgeber – so das BVerfG – eine Ersatzbemessungsgrundlage zur Anwendung, so müsse diese, um dem Grundsatz der Lastengleichheit zu genügen, Ergebnisse erzielen, die denen der Regelbemessungsgrundlage (Kaufpreis, Veräußerungsentgelt) weitgehend angenähert seien.[3] Der Ersatzmaßstab des § 8 Abs. 2 GrEStG a.F., der auf die Vorschriften der §§ 138 ff. BewG a.F. verweise, führe jedoch zu einer erheblichen und sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber dem Regelbemessungsmaßstab, der an die Gegenleistung des Erwerbsvorgangs anknüpfe. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, spätestens bis zum 30.6.2016 rückwirkend zum 1.1.2009 eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen. Bis zum 31.12.2008 seien die Vorschriften indessen weiter anwendbar.

 

Rz. 377

[Autor/Stand] Dieses Ergebnis begründete das BVerfG im Wesentlichen mit den folgenden Erwägungen:

 

Rz. 378

[Autor/Stand] Die rückwirkende Anwendung der gebotenen Neuregelung sei gerechtfertigt, weil allen Beteiligten (Gesetzgeber, Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen) durch die Erwägungen im "Erbschaftsteuerbeschluss" des BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02[6] (vgl. dazu oben, Rz. 211 ff.) hätte "klar sein (müssen), dass die Bewertungsregeln der §§ 138 ff. BewG (a.F.) zu erheblichen Ungleichheiten führten, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage betreffen" würden.[7]

 

Rz. 379

[Autor/Stand] Die in § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. in Bezug genommenen Bewertungsregeln der §§ 138 ff. BewG a.F. wichen erheblich vom gemeinen Wert ab.[9] Das ergebe sich bereits aus den Feststellungen des BVerfG im zur Erbschaft- und Schenkungsteuer ergangenen Beschluss v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02[10] (vgl. dazu oben, Rz. 211 ff.), welche auch in diesem Verfahren zur Grunderwerbsteuer verwertbar seien.[11] Entscheidend hierfür sei, dass die Anwendung der Bewertungsregeln in beiden Steuerarten letztlich auf das gleiche Ziel gerichtet sei, nämlich den gemeinen Wert festzustellen.[12]

 

Rz. 380

[Autor/Stand] Ein hinreichend gewichtiger Sachgrund zur Rechtfertigung dieser erheblichen Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.[14] Die mit der Ersatzbemessungsgrundlage regelmäßig verbundenen Abweichungen vom gemeinen Wert könnten nicht mit etwaigen Lenkungszielen der Bewertungsregeln gerechtfertigt werden. (wird näher ausgeführt)[15] Auch der Spielraum, den die Typisierungsbefugnis dem Gesetzgeber in erster Linie aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung biete, trage die hier in Rede stehenden Bewertungsmängel nicht (wird näher dargelegt).[16]

 

Rz. 381– 385

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[2] BStBl. II 2015, 871 = BVerfGE 139, 285, mit Anm. von Messbacher-Hönsch, juris Praxisreport Steuerrecht 40/2016 Rz. 5.
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[6] BStBl. II 2007, 192.
[7] BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BStBl. II 2015, 871 (882, Rz. 91); krit. zur Rückwirkung z.B. Engers/Schwäbe, BB 2015, 2465 (2468).
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[10] BStBl. II 2007, 192.
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020

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