Beispiel

Die private Krankenkasse des A übermittelt im Jahr 2020 Daten zu den von A gezahlten Krankenversicherungsbeiträgen i.H.v. 5.000 EUR an das zuständige FA. Irrtümlich werden diese im Rahmen der Steuerfestsetzung des A nicht berücksichtigt.

Abwandlung: Das FA berücksichtigt lediglich einen Betrag von 50 EUR aufgrund eines Eingabefehlers.

Datenübermittlungspflicht Dritter an die Finanzbehörden: Im Rahmen der beginnenden Digitalisierung des Steuerverfahrensrechts hat der Gesetzgeber mit Wirkung für Besteuerungszeiträume nach 2016 u.a. § 93c AO wie auch § 175b AO für anwendbar erklärt, wenn steuerliche Daten eines Steuerpflichtigen für diese Besteuerungszeiträume auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einem Dritten als mitteilungspflichtiger Stelle elektronisch an Finanzbehörden zu übermitteln sind (Art. 97 § 27 Abs. 2 EGAO). Im Fall von Beiträgen zu einer Kranken- oder gesetzlichen Pflegeversicherung i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG hat die Krankenkasse als mitteilungspflichtige Stelle nach § 10 Abs. 2a S. 4 Nr. 2 EStG für die Veranlagungszeiträume 2017 und 2018 und nunmehr nach § 10 Abs. 2b S. 1 EStG entsprechende Daten zu übermitteln.

Eigenständige Korrekturvorschrift erforderlich: Da diese Daten keine Grundlagenbescheide i.S.d. § 171 Abs. 10 S. 1 AO sind, bedurfte es einer eigenständigen Korrekturvorschrift (vgl. nur Loose in Tipke/Kruse. AO/FGO, § 175b AO Rz. 2 [Okt. 2020]). Dabei sieht § 175b AO vor, dass eine Änderung trotz Bestandskraft der Steuerfestsetzung möglich ist, wenn

  • Daten von dritter Stelle an die Finanzbehörden übermittelt und dort nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden (§ 175b Abs. 1 AO);
  • die übermittelten Daten zu Ungunsten des Steuerpflichtigen falsch sind (§ 175b Abs. 2 AO);
  • eine Einwilligung des Steuerpflichtigen zur Datenübermittlung nicht gegeben ist (§ 175b Abs. 3 AO).

Betroffen sind die übermittelten Daten i.S.d. § 93c AO. § 93c Abs. 1 Nr. 2 AO legt fest, welche Angaben der Datensatz neben den steuerlichen Daten eines Steuerpflichtigen auf Grund gesetzlicher Vorschriften (§ 93c Abs. 1 AO) enthalten muss (weiterführend auch Nöcker in Zugmaier/Nöcker, AO-Kommentar, § 93c Rz. 7). Im Fall der Beiträge zu einer Krankenversicherung sieht § 10 Abs. 2b S. 1 EStG (= § 10 Abs. 2a S. 4 Nr. 2 EStG a.F.) vor, dass die Höhe der im jeweiligen Beitragsjahr geleisteten und erstatteten Beiträge übermittelt wird.

Lösung zum Beispielsfall: Soweit die von der Krankenkasse übermittelten Beiträge nicht berücksichtigt worden sind, besteht die Möglichkeit zur Korrektur nach § 175b Abs. 1 AO. Das Gleiche gilt im Fall der der Höhe nach fehlerhaft berücksichtigten Beiträge.

Festsetzungsfrist: § 171 Abs. 10a AO regelt die insoweit relevante Festsetzungsfrist für Daten des Steuerpflichtigen i.S.d. § 93c AO. Danach endet diese, soweit Daten eines Steuerpflichtigen nach dem Besteuerungszeitraum innerhalb von sieben Kalenderjahren den Finanzbehörden zugegangen sind, nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

Korrekturmöglichkeit für alle Fälle der Datenübermittlung nach § 93c Abs. 1 AO: Fraglich erschien bislang, ob § 93c Abs. 1 Nr. 2 AO, der insb. die Höhe der Beiträge nicht nannte, dazu führte, dass deshalb eine Änderung nach § 175b Abs. 1 AO nicht möglich sei. Die Höhe ergibt sich erst aus § 10 Abs. 2b S. 1 EStG bzw. § 10 Abs. 2a S. 4 Nr. 2 EStG a.F. Da jedoch § 93c Abs. 1 S. 1 AO alle Daten umfasst, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften von einer mitteilungspflichtigen Stelle an Finanzbehörden elektronisch zu übermitteln sind, sind auch die Daten relevant, die aufgrund von Einzelgesetzen zu übermitteln sind. Somit schafft § 175b Abs. 1 AO eine umfassende Korrekturmöglichkeit. Sogar Auswertungsfehler, etwa im Fall einer fehlerhaften Zuordnung, sind relevant. Nicht der in § 93c Abs. 1 Nr. 2 AO dargelegte Datensatz, sondern alle aufgrund einer steuerlichen Verpflichtung zu übermittelnden Daten führen bei Fehlerhaftigkeit also zur Korrekturmöglichkeit nach § 175b Abs. 1 AO (BFH v. 8.9.2021 – X R 5/21, DStR 2022, 553 Rz. 31). Nur so kann § 175b AO sicherstellen, dass eine Korrektur für alle Fälle gilt, in denen sich die Datenübermittlung nach § 93c Abs. 1 AO richtet (Gesetzesentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 3.2.2016, BT-Drucks. 18/7457, 88).

 

Beispiel

Irrtümlich berücksichtigt das FA die von der Krankenkasse übermittelten Daten bei dem namensgleichen Sohn des A. Auch in diesem Fall ist also nach der BFH-Rspr. (BFH v. 8.9.2021 – X R 5/21, DStR 2022, 553 Rz. 31) § 175b Abs. 1 AO anwendbar.

Beachten Sie: Sind die übermittelten Daten der Krankenkasse selbst zu Ungunsten des A falsch, so ist die Korrektur nicht nach § 175b Abs. 1 AO, sondern nach § 175b Abs. 2 AO vorzunehmen, es sei denn, der Steuerpflichtige hat eigene abweichende Angaben im Freitextfeld nach § 150 Abs. 7 S. 2 AO gemacht. In diesem Fall kommt es, trotz des Überschreitens des Anwendungsbereichs mit § 173 AO, nicht auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen an (weiterführend auc...

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