Tz. 198

Stand: EL 106 – ET: 06/2022

Die Sachzuwendung einer Stiftung an den Destinatär stellt den Rechtsanwender vor ein Paradoxon:

  • Auf Ebene der Stiftung stellt die unentgeltliche Übertragung eine nach § 10 Nr 1 KStG nabzb Aufwendung dar. Zu einer Besteuerung der verhinderten Vermögensmehrung – wie bei § 8 Abs 3 S 2 KStG – kommt es hingegen nicht (s Tz 84). Auf Grund der Unentgeltlichkeit der Zuwendung ist die Bw-Fortführung nach § 6 Abs 3 EStG bzw § 11d EStDV zu berücksichtigen.
  • Auf Ebene des Stifters besteht mit dem Verweis auf § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG in § 20 Abs 1 Nr 9 S 1 Hs 2 EStG ein Besteuerungsbefehl für verdeckte Zuwendungen (glA s von Löwe, Familienstiftung und Nachfolgegestaltung, 2. Aufl, 2. Kap § 6 Rn 23; aA s Götz/Pach-Hanssenheimb, Hdb der Stiftungen, 3. Aufl Rn. 856)
 

Tz. 199

Stand: EL 106 – ET: 06/2022

Es stellt sich die Frage, ob der Empfänger der Sachzuwendung die Leistung der Stiftung nach § 20 Abs 1 Nr 9 S 1 Hs 2 EStG dem Grunde nach zu versteuern hat, obwohl für diese Vermögensübertragung § 6 Abs 3 EStG bzw § 11d EStDV (Fortführung der Bw der Stiftung) anzuwenden wären. Wenn eine Besteuerung nach § 20 Abs 1 Nr 9 EStG befürwortet wird, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage nach der Bewertung, insbes ob der Empfänger die Bw der Stiftung zu Grunde legen muss oder ob die allg Grundsätze des § 8 EStG gelten.

 

Tz. 200

Stand: EL 106 – ET: 06/2022

Richter befürwortet offenbar, dass eine Sachzuwendung dem Grunde nach eine Leistung iSd § 20 Abs 1 Nr 9 EStG darstellt. Die Bewertung richtet sich aber nicht nach § 8 Abs 2 EStG, sondern knüpft an die Werte der Stiftung an (Richter in Seifart/von Campenhausen, Stiftungsrechts-Hdb, 4. Aufl, § 42 Rn 18).

 

Tz. 201

Stand: EL 106 – ET: 06/2022

Die von § 6 Abs 3 EStG und § 11d EStDV vorausgesetzte Unentgeltlichkeit der Vermögensübertragungen steht einer Besteuerung nach § 20 Abs 1 Nr 9 EStG nicht entgegen. Dies mag widersprüchlich erscheinen: Unentgeltliche Vermögensübertragungen setzen begrifflich voraus, dass weder Leistungsaustausch oder Entgelt vorliegt. Leistungsaustausch oder Entgelt sind jedoch idR Voraussetzung, um einen Besteuerungstatbestand des EStG zu erfüllen. Von diesem Grundsatz bestehen jedoch im EStG Ausnahmen (s FG Ddf v 08.05.2018, EFG 2018, 1372). Hierunter ist auch § 20 Abs 1 Nr 9 EStG zu fassen, denn die Leistungen der Stiftungen stellen kein Entgelt oder keinen Leistungsaustausch dar (s Tz 189). Demnach ist es nicht ausgeschlossen, dass eine unentgeltliche Vermögensübertragung sowohl den Tatbestand des § 20 Abs 1 Nr 9 EStG als auch den des § 6 Abs 3 EStG oder § 11d EStDV erfüllt.

 

Tz. 202

Stand: EL 106 – ET: 06/2022

Zur Ermittlung des gewollten Ergebnisses ist uE auch das ges-geberische Grundanliegen des § 20 Abs 1 Nr 9 EStG heranzuziehen. Durch die Einfügung des § 20 Abs 1 Nr 9 EStG iRd StSenkG sollte zumindest eine Belastungsähnlichkeit von Stiftung/Destinatär und Kap-Ges/AE hergestellt werden. Es kann daher nicht ernsthaft bezweifelt werden, dass Sachverhalte, die der vGA einer Kap-Ges wirtsch vergleichbar sind, eine Leistung iSd § 20 Abs 1 Nr 9 EStG darstellen. Belastungsgleichheit hat der Ges-Geber nicht hergestellt; Stiftungen unterliegen nicht den Regelungen des § 8 Abs 3 KStG (s Tz 81ff). Eine ähnliche Belastung der Wertschöpfung kann sich jedoch nur ergeben, wenn die Leistung nach § 20 Abs 1 Nr 9 EStG mit den Werten berücksichtigt werden, die sich unter Anwendung des § 6 Abs 3 EStG oder § 11d EStDV ergeben. Hintergrund ist, dass eine Vorbelastung auf Ebene der Stiftung mit KSt – mangels Besteuerung der verhinderten Vermögensmehrung – fehlt. Es wäre daher nicht sachgerecht, wenn die stillen Reserven "auf dem Weg" zum Destinatär aufgedeckt werden und bei diesem nur der AbgeltungSt bzw dem besonderen St-S nach § 32d EStG – maW dem Teileink-Verfahren – unterlägen. Die auf den Anfallsberechtigten/Destinatär übergegangenen stillen Reserven müssen daher bei diesem – sofern ein entspr Besteuerungstatbestand erfüllt ist – mit dessen vollem ESt-Tarif versteuert werden. Die Bewertung der Sachzuwendung einer Stiftung an den Destinatär/Anfallsberechtigten hat daher in diesen Fällen für dessen Besteuerungszwecke mit den Bw der Stiftung zu erfolgen.

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