Tz. 1068

Stand: EL 112 – ET: 12/2023

Muss sich die Gesellschaft selbst refinanzieren, kann die oa Mittelwertbetrachtung ("Margenteilungsgrundsatz"; s Tz 1067) jedenfalls nicht eingreifen. Dann ist auf jeden Fall der marktübliche Sollzinssatz als Kriterium für die Beurteilung der vereinbarten Verzinsung maßgebend. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde nämlich keine Anlage größerer Beträge bei einem Kreditinstitut vornehmen, wenn die Kap-Ges gleichzeitig selbst Finanzierungsbedarf für eigene Investitionen hat. Dies gilt natürlich erst recht, wenn die Kap-Ges nur deshalb selbst ein Darlehen aufnimmt, um es anschließend ihrem AE als Darlehen weiterleiten zu können. In diesen Fällen ist regelmäßig noch ein – wenn auch kleiner – Zinsaufschlag auf das weitergewährte Darlehen notwendig. Zumindest müssen die eigenen Kosten der Kap-Ges, die in diesem Zusammenhang entstehen, mit diesem Zuschlag abgegolten werden. Zu einer denkbaren Einschränkung, wenn eine lfd Finanzierung der Kap-Ges wegen einer längerfristigen Zinsbindung nicht tilgbar wäre (oder nur unter Inkaufnahme einer hohen Vorfälligkeitsentschädigung) s Tz 1067c/1.

Entscherheblich ist auch, ob der Darlehensnehmer das Geld dringend benötigt oder ob der GmbH von Seiten des Gesellschafters nur eine Kap-Anlage geboten wird. Im erstgenannten Fall muss sich der Zinssatz eindeutig an den marktüblichen Sollzinsen, im zweiten Fall eher an den Haben-Zinsen orientieren. Auch hieran zeigt sich aber wieder einmal mehr die Grundproblematik bei der Angemessenheitsprüfung von Zinsen: Inwieweit kennt der jeweilige Vertragspartner beim durchzuführenden Fremdvergleich die Finanzierungssituation des anderen Vertragspartners? Weiß ich, dass der andere Vertragspartner "Geld übrig hat", das er dringend anlegen muss und anderweitig nicht rentabel anlegen könnte? Weiß jemand, der Geld übrig hat, dass der andere dringend Geld in Form eines Darlehens braucht oder sehe ich ihn nur als Partner einer Geldanlage? In seinen s Urt des BFH v 18.05.2021 (BStBl II 2023, 678 und 723) ist der BFH auf diese Fragen nicht eingegangen. Es war wohl jeweils objektiv und subjektiv klar, dass die jeweilige Darlehensnehmerin auf eine Finanzierung angewiesen ist. Für die Verzinsung von Verrechnungskonten löst er die Fragen dann allerdings – durchaus pragmatisch – mit dem Margenteilungsgrundsatz; s Urt v 22.02.2023 (DB 2023, 1390) und s Tz 1067cff.

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