Sachverhalt

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des FG Münster ging es um die Auslegung von Art. 316 und 322 MwStSystRL bei der Differenzbesteuerung von Umsätzen mit Kunstgegenständen. Das Vorlagegericht wollte wissen, ob ein Wiederverkäufer die Differenzbesteuerung auch auf die Lieferung von Kunstgegenständen anwenden kann, die ihm vom Urheber oder von dessen Rechtsnachfolger, bei denen es sich nicht um Personen i. S. v. Art. 314 MwStSystRL handelt, innergemeinschaftlich geliefert wurden. Falls dies zu bejahen sei, wollte das FG Münster weiter wissen, ob nach Art. 322 Buchst. b MwStSystRL dem Wiederkäufer das Recht auf Vorsteuerabzug aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb der Kunstgegenstände zu versagen ist, auch wenn es keine nationale Vorschrift gibt, die eine entsprechende Regelung enthält.

Der Kläger ist Kunsthändler. Er erklärte zu Beginn des Streitjahres 2014 gegenüber dem FA, dass er die Differenzbesteuerung auf Kunstgegenstände anwende. Im Laufe des Jahres bezog er u.a. Lieferungen von Künstlern, die im übrigen Unionsgebiet ansässig waren. Diese Lieferungen wurden von den Künstlern in ihren Ansässigkeitsstaaten jeweils als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei behandelt. Der Kläger versteuerte die innergemeinschaftlichen Erwerbe gem. § 12 Abs. 2 Nr. 13 Buchst. a UStG mit dem ermäßigten Steuersatz. Er begehrt die Anwendung der Differenzbesteuerung auf die Lieferungen von Gegenständen, die er selbst von den Künstlern aus dem übrigen Unionsgebiet erworben hatte. Den Vorsteuerabzug machte er dabei - vorerst - nicht geltend.

Das Finanzamt verweigerte die Anwendung der Differenzbesteuerung. Der Kläger machte geltend, dass die nationale Regelung in § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. a UStG nicht unionsrechtskonform sei und berief sich auf die unmittelbare Anwendung von Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL.

Nach nationalem Recht findet die Differenzbesteuerung keine Anwendung auf die Lieferungen eines Gegenstands, den der Wiederverkäufer innergemeinschaftlich erworben hat, wenn auf die Lieferung des Gegenstands an den Wiederverkäufer die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen im übrigen Gemeinschaftsgebiet angewendet worden ist.[1] Eine solche Einschränkung enthält Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL nicht. Nach dieser Vorschrift räumen die Mitgliedstaaten den steuerpflichtigen Wiederverkäufern das Recht ein, die Differenzbesteuerung bei der Lieferung von Kunstgegenständen anzuwenden, die ihnen vom Urheber oder von dessen Rechtsnachfolgern geliefert wurden. In der Literatur wird die nationale Regelung teilweise als mit dem Unionsrecht unvereinbar angesehen. Die Regelung verursache eine Wettbewerbsverzerrung, die mit dem Neutralitätsprinzip unvereinbar sei.[2]

Das FG Münster war der Auffassung, dass die Vorschrift des Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL im systematischen Zusammenhang mit Art. 314 MwStSystRL zu sehen ist. Die letztgenannte Vorschrift regelt den (grundsätzlichen) Anwendungsbereich für die Differenzbesteuerung, u.a. auch für die Lieferung von Kunstgegenständen. Hiernach kommt die Differenzbesteuerung zur Anwendung, wenn dem Wiederverkäufer die Kunstgegenstände zuvor von bestimmten, im Einzelnen aufgeführten Personen geliefert worden sind. Sollte der Urheber bzw. dessen Rechtsnachfolger, der die Kunstgegenstände an den Wiederverkäufer innergemeinschaftlich geliefert hat, nicht von den in Art. 314 MwStSystRL genannten Personengruppen erfasst sein, dann kommt die Vorschrift des Art. 316 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL nicht zur Anwendung mit der Folge, dass in Fällen wie dem Streitfall die Anwendung der Differenzbesteuerung ausscheidet. Für den Fall, dass der EuGH die erste Vorlagefrage bejahen würde, stellte sich die weitere Frage, ob dem Kläger das Recht auf Vorsteuerabzug aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb der Kunstgegenstände zu versagen ist, auch wenn es keine nationale Vorschrift gibt, die eine entsprechende Regelung enthält.

Das FG Münster meinte, dass es erforderlich ist, den Vorsteuerabzug zu versagen, weil es sonst zu einer - systemwidrigen - doppelten Begünstigung käme.[3] Der Kläger hätte auf der einen Seite den Vorteil der Anwendbarkeit der Differenzbesteuerung zu seinen Gunsten und auf der anderen Seite das Recht auf Vorsteuerabzug. Das FG Münster ging davon aus, dass sich der Kläger nur unmittelbar auf das System der Differenzbesteuerung in seiner Gesamtheit und damit auf die Art. 312 - 325 MwStSystRL zu seinem Vorteil berufen könnte. Darin eingeschlossen wäre auch die Versagung des Vorsteuerabzugs gem. Art. 322 Buchst. b MwStSystRL. Dies wäre erforderlich, um dem Unionsrecht zur praktischen Wirksamkeit zu verhelfen.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass Art. 316 MwStSystRL nach seinem Wortlaut vorsieht, dass die Mitgliedstaaten den Wiederverkäufern das Recht einräumen, bei Lieferungen der in dieser Vorschrift abschließend aufgezählten Gegenstände die Differenzbesteuerung anzuwenden. Aus dem Wortlaut von Art. 316 ergebe sich jedoch nicht, dass dieses Recht von der ...

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