S 8.1.1 Sachliche und örtliche Zuständigkeit

1Sachlich zuständig ist nach §§ 386 Abs. 2, 387 Abs. 1 AO die Familienkasse, soweit sie das Kindergeld festzusetzen hat, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt. 2Die örtliche Zuständigkeit der Familienkasse im Strafverfahren richtet sich nach §§ 386 Abs. 1 Satz 2, 388 AO. 3Durch § 389 i.V.m. § 386 Abs. 1 Satz 2 AO wird die örtliche Zuständigkeit der Familienkasse erweitert, wenn Straftaten in einem Zusammenhang i.S.d. § 3 StPO stehen. 4U.a. bei mehrfacher örtlicher Zuständigkeit greift § 390 AO ein. 5Nach § 390 Abs. 1 AO ist die Familienkasse, die das Strafverfahren zuerst eingeleitet hat (siehe dazu § 397 Abs. 1 und 2 AO), vorrangig zuständig. 6Unter den Voraussetzungen des § 390 Abs. 2 AO hat eine zunächst nachrangig zuständige Familienkasse die Strafsache zu übernehmen. 7Ob die Übernahme der Strafsache sachdienlich ist, richtet sich nach den Umständen der vorzunehmenden Ermittlungen. 8Lassen sich der Ermittlungsaufwand (auch hinsichtlich der Kosten) vermindern und die Verhandlungen erleichtern und beschleunigen, ist die Übernahme sachdienlich.

S 8.1.2 Selbständiges Ermittlungsverfahren

(1) 1Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (§§ 386, 397 AO, 160 Abs. 1 StPO) nehmen die BuStra-Stellen die Rechte und Pflichten der Staatsanwaltschaft wahr, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat darstellt (§§ 386 Abs. 2 Nr. 1, 399 Abs. 1 AO). 2Als solche kommen im Bereich des Familienleistungsausgleichs die Erlangung nicht gerechtfertigter Kindergeldzahlungen infolge vorsätzlichen und rechtswidrigen Verhaltens (§ 370 AO) und die sachliche Begünstigung in Betracht, § 369 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 AO. 3In diesem selbständigen Ermittlungsverfahren muss die BuStra-Stelle die für die Staatsanwaltschaft geltenden Grundsätze der Verfahrenseinleitung, der Verfahrensdurchführung und des Beweises beachten (§§ 385 Abs. 1, 399 Abs. 1 AO).

(2) 1Die Familienkasse führt das Ermittlungsverfahren grundsätzlich selbständig durch. 2Von der Befugnis, auch in den Fällen nach § 386 Abs. 2 i.V.m. § 399 Abs. 1 AO die Steuerstrafsache an die Staatsanwaltschaft abzugeben (§ 386 Abs. 4 Satz 1 AO), ist nur nach pflichtgemäßem Ermessen Gebrauch zu machen. 3Wegen der Fälle, in denen die Abgabe angezeigt ist, wird auf Nr. 22 AStBV (St) 2023 verwiesen. 4Amtsträger der Finanzverwaltung i.S.d. Nr. 22 Abs. 1 Nr. 8 AStBV (St) 2023 sind nur die nach Geschäftsverteilungsplan in der Familienkasse Beschäftigten und ihre weisungsbefugten Vorgesetzten.

(3) Werden gegenüber einer Familienkasse des öffentlichen Dienstes vorsätzlich falsche Angaben gemacht, so liegt hinsichtlich des überhöhten Familien- bzw. Ortszuschlages und ggf. des Beihilfeanspruchs i.d.R. auch ein Betrug zu Lasten des Dienstherrn vor, sodass im Verdachtsfall die Sache regelmäßig an die Staatsanwaltschaft abzugeben ist, vgl. S 8.1.3.

(4) 1Mit der Abgabe erlischt die selbständige Ermittlungszuständigkeit der Familienkasse. 2Die Staatsanwaltschaft kann die Strafsache nur im Einvernehmen mit der Familienkasse wieder an diese zurückgeben (§ 386 Abs. 4 Satz 3 AO).

S 8.1.3 Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens

(1) 1Treffen im Rahmen des einheitlichen Tatgeschehens i.S.d. § 264 StPO Steuerstraftaten mit anderen Straftaten außerhalb des § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO zusammen, z.B. mit einer Urkundenfälschung nach § 267 StGB oder einem Betrug nach § 263 StGB (vgl. S 8.1.3 Abs. 3), ist die Staatsanwaltschaft und nicht die Familienkasse Herrin des Ermittlungsverfahrens (§§ 160 Abs. 1 StPO, 386 Abs. 2 Nr. 2 AO). 2Dasselbe gilt bei § 386 Abs. 3 AO (Haft- bzw. Unterbringungsbefehl gegen den Beschuldigten). 3Bei Zweifeln über die Zuständigkeitsfrage empfiehlt sich eine Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft, vgl. Nr. 17 AStBV (St) 2023.

(2) 1Der Begriff der Tat in § 386 AO ist strafverfahrensrechtlicher Natur und i.S.v. § 264 StPO zu verstehen. 2Gemeint ist ein ggf. aus mehreren sachlich-rechtlich selbständigen Tathandlungen (§§ 52 und 53 StGB) bestehender einheitlicher Lebenssachverhalt, der im Falle getrennter Verfolgung und Aburteilung der Tathandlungen unnatürlich aufgespalten würde.

(3) 1Gleichwohl hat die BuStra-Stelle auch in diesen Fällen beim Verdacht einer Steuerstraftat den Sachverhalt zu ermitteln (§ 386 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 397 Abs. 1 AO). 2Sie hat in dem dann von der Staatsanwaltschaft zu führenden Ermittlungsverfahren die Rechte und Pflichten einer Polizeibehörde wahrzunehmen (§§ 402 Abs. 1, 399 Abs. 2 Satz 2 AO; 163 StPO). 3Das bedeutet auch, dass die BuStra-Stelle den Weisungen der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren Folge zu leisten hat (§ 167 StPO). 4Andererseits ist sie hinsichtlich der Steuerstraftat befugt, sich an den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder der Polizei zu beteiligen (§ 403 Abs. 1 AO). 5Die BuStra-Stelle gibt der Staatsanwaltschaft Anlass und Ergebnis ihrer Ermittlungen unverzüglich bekannt (§§ 386 Abs. 1 Satz 1, 402 Abs. 1 AO, 163 Abs. 2 Satz 1 StPO).

S 8.1.4 Allgemeines zum Ermittlungsverf...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge