Lösung:

Das fingierte Reihengeschäft kommt nach § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG zur Anwendung, da der Wert der aus dem Drittland eingeführten Gegenstände höchstens 150 EUR beträgt. Es wird eine Lieferung von H an MP und eine Lieferung von MP an K fingiert. Die Warenbewegung wird gem. § 3 Abs. 6b UStG der Lieferung von MP an K zugeordnet. Der Ort der ruhenden Lieferung zwischen H und MP bestimmt sich nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG und ist infolgedessen im Drittland belegen.

Hinsichtlich der Ortsvorschriften für die warenbewegte Lieferung, kommt es erneut darauf an, welche Partei die Einfuhrabfertigung übernimmt:

(1) Einfuhr durch Kunden – mit und ohne Inanspruchnahme § 21a UStG

Wird die Einfuhr dem K1 zugeschrieben, bestehen auch bei Einbindung der elektronischen Schnittstelle die zwei Möglichkeiten, dass entweder K1 selbst die Einfuhrabfertigung vornimmt oder S im Rahmen des § 21a UStG damit beauftragt. Letzteres setzt voraus, dass der Mitgliedstaat der Einfuhr auch das Bestimmungsland der Ware ist.

Der Ort der warenbewegten Lieferung zwischen MP und K bestimmt sich nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG und ist somit im Drittland belegen. Es handelt sich um eine in Deutschland nicht steuerbare Lieferung. Für H und MP ergeben sich konsequenterweise keine umsatzsteuerlichen Anmelde- und Erklärungspflichten in Deutschland. K schuldet die Einfuhrumsatzsteuer, die bei der Überlassung der Waren zum freien Verkehr entsteht.

(2) Einfuhr durch Händler

Wird die Einfuhr dem H zugeschrieben, muss H den in der EU ansässigen S als indirekten Vertreter beauftragten. Die Einfuhr wird durch den S in Deutschland durchgeführt.

Der Ort der warenbewegten Lieferung bestimmt sich nach § 3c Abs. 3 UStG, wenn die Ware in Deutschland eingeführt wird und in Deutschland an K1 verkauft wird. Der Ort der warenbewegten Lieferung bestimmt sich nach § 3c Abs. 2 UStG, wenn die Ware in Deutschland eingeführt wird und an einen K2 in einem anderen EU-Mitgliedstaat verkauft wird. In diesem Fall liegt der Ort der Lieferung in dem anderen EU-Mitgliedstaat. Die Umsätze sind folglich im jeweiligen Bestimmungsland der Ware steuerbar und mangels Steuerbefreiung steuerpflichtig. Der MP hat die Möglichkeit, die Umsätze entweder im allgemeinen Besteuerungsverfahren oder im IOSS-Verfahren nach § 18k UStG zu erklären.

Auch wenn der Händler bzw. sein indirekter Vertreter in diesem Szenario Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist, kommt § 3 Abs. 8 UStG nicht zur Anwendung. Der Händler führt gem. § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG eine unbewegte Lieferung aus. § 3 Abs. 8 UStG kann aber nur auf die warenbewegte Lieferung im Reihengeschäft angewandt werden.[28]

Beraterhinweis Da die Zollanmeldung im Rahmen der indirekten Vertretung für Rechnung des Händlers erfolgt, schuldet dieser die entstandene Einfuhrumsatzsteuer. Der Händler ist nicht zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt, da dieser nach den Grundsätzen des Reihengeschäfts (§ 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG) eine ruhende Lieferung im Drittland bewirkt und daher die anschließende Einfuhr im Zuge der bewegten Lieferung nicht für sein Unternehmen ausgeführt wird.[29] Vorsteuerabzugsberechtigt ist demzufolge der Online-Marktplatz, der die warenbewegte Lieferung ausführt.[30] Dieser ist so zu behandeln, als ob er den Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist, dass der Händler dem Online-Marktplatz einen entsprechenden Beleg (Einfuhrbeleg) für den Vorsteuerabzug aushändigt.[31] Zur Herstellung der Neutralität sollte der Händler die von ihm geschuldete Einfuhrumsatzsteuer dem Marktplatz in Rechnung stellen, da diesem das Vorsteuerabzugsrecht zusteht.

(3) Einfuhr durch Schnittstelle

Fall:

Als in Deutschland ansässiges Unternehmen könnte der MP auch selbst als Zollanmelder auftreten und die Waren in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführen.

Lösung:

Umsatzsteuerlich würde sich die Lösung wie unter 2. b) bb) (2) darstellen. Diese Variante hätte den Charme, dass der MP als Zollanmelder Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer wäre und diese zugleich als Vorsteuer abziehen könnte. Etwaige Einfuhrnachweise wären somit schon vorhanden und müssten nicht beim H angefordert werden. Auch die Berechnung der Einfuhrumsatzsteuer zwischen H und MP entfiele.

Beraterhinweis Angesichts der Umsetzung der Neuregelung bereits zum 1.7.2021 dürfte diese Variante in der Praxis kaum realisierbar sein. Zur Umsetzung wäre der Aufbau einer eigenen Zollorganisation (u.a. Informationsbeschaffung für die Abfertigung der Waren, Zolltarifierung, Überprüfung von Einfuhrverboten- und -beschränkungen, etc.) durch den Online-Marktplatz notwendig. Zusätzlich würde sich der Online-Marktplatz bei dieser Variante den Haftungsrisiken des Zollrechts aussetzen und als Anmelder gleichzeitig auch Zollschuldner für "fremde" Verkäufe werden. Es bleibt abzuwarten, ob Online-Marktplätze diesen Aufwand betreiben wollen.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge