Sanktionierungsfunktion: Die Gesetzesüberschrift ("Steuergefährdung") verdeutlicht, was bereits erwähnt wurde: § 379 AO soll bestimmte Verhaltensweisen im Vorfeld einer Steuerverkürzung oder der Erlangung nicht gerechtfertigten Steuervorteile sanktionieren. Ist das Verhalten des Betroffenen als Steuerhinterziehung (§ 370 AO) strafbar, dann kommt § 21 Abs. 1 OWiG zur Anwendung. Es wird nur das Strafgesetz angewandt. Für die Konkurrenz zu § 378 AO findet sich in § 379 Abs. 7 AO der Vorrang des § 378 AO. Danach kann der Verstoß gegen § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO mit einer Geldbuße bis zu 25.000 EUR (nur dann) belegt werden, wenn die Handlung nicht nach § 378 AO geahndet werden kann. Wenn die Finanzbehörde aus Opportunitätsgründen von der Verfolgung der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 47 OWiG absieht bzw. wenn sie das Bußgeldverfahren einstellt, kann sie nicht auf § 379 AO zurückgreifen, wenn die Tat nicht nach § 378 AO geahndet werden kann (vgl. § 379 Abs. 7 AO), d.h. die Verfolgung des § 378 AO muss grundsätzlich aus rechtlichen und nicht aus tatsächlichen Gründen ausscheiden (Talaska in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 379 AO Rz. 620 [Apr. 2021]).

Was aber, wenn die Strafverfolgungsbehörden das Verhalten nicht als ausreichend für eine strafrechtliche Sanktion (nach § 370 AO) erachtet haben (etwa bei Einstellung des Steuerstrafverfahrens nach § 153 StPO oder nach § 153a StPO oder auch nach § 398 AO)?

Hier muss unterschieden werden:

  • Die Einstellung nach § 153a StPO entfaltet Wirkkraft i.S.d. § 264 StPO. Es handelt sich um eine "Art Sachentscheidung mit strafrechtlicher Sanktion" (so Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 153a Rz. 35). Diese erfasst also die ganze Tat i.S.v. § 264 StPO (LG Berlin v. 9.3.2007 – (576) 95/124 PLs 4333/05 Ns (17/06), VRS 113, 116). Tatmehrheit etwa schließt somit nicht automatisch aus, dass mehreren Handlungen zur selben Tat im prozessualen Sinne gehören (BGH v. 6.7.1982 – 1 StR 246/82, NStZ 1983, 87). Entscheidend ist, dass sich zwei oder mehrere Vorwürfe so auf denselben Lebenssachverhalt beziehen und infolge eines untrennbaren gedanklichen Zusammenhangs so miteinander verknüpft sind, dass sie sich wechselseitig ausschließen und deshalb Tatidentität i.S.d. § 264 StPO zu bejahen ist (OLG Hamm v. 25.2.1983 – 6 Ss 2170/82, StV 1984, 15). Diese Verknüpfung bezieht sich auch auf eine im Zusammenhang stehende Ordnungswidrigkeit (OLG Oldenburg v. 14.8.2001 – Ss 196/01 (II 114), StV 2002, 240; OLG Nürnberg v. 4.1.1977 – Ws 720/76, NJW 1977, 1787). Der Grund ist einleuchtend: Wenn die Verfolgung der Tat etwa auch als Vergehen endgültig abgeschlossen sein soll, dann sollte dies erst recht für den prinzipiell viel eher im Bagatellsektor anzusiedelnden Bereich der Ordnungswidrigkeiten gelten. Dieser Gesetzeszweck würde durchkreuzt, wenn man nach einer Teileinstellung gem. § 153a StPO dennoch auf § 21 Abs. 2 OWiG zurückgreifen dürfte, um eine weitere Verfolgung unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen. Das OLG Nürnberg formuliert es plakativ: Es sei davon auszugehen, dass die Vorschrift des § 153a StPO insgesamt "nach unten abschirmt", nicht aber nach oben zur Verbrechensqualifikation hin; sie stelle sich damit als Sondervorschrift gegenüber der allgemeinen Regel des § 21 Abs. 2 OWiG dar und sei somit in ihrer Rechtskraftwirkung der Vorschrift des § 84 Abs. 1 OWiG vergleichbar (OLG Nürnberg v. 4.1.1977 – Ws 720/76, NJW 1977, 1787).

Lösung des Beispielsfalles: Demzufolge gilt es in dem angeführten Beispielfall nur noch festzustellen, ob der Vorwurf sich auf eine Tat i.S.v. § 264 StPO bezieht. Ursprünglich bestand der Verdacht, F habe ausländische Einkünfte im Inland der Besteuerung entzogen. Nachdem dieser Vorwurf sich aufgrund des ausländischen Wohnsitzes als nicht haltbar erwies, sollte eine darin eingeschlossene Gefährdungshandlung (nämlich die fehlende Mitteilung eines Sachverhaltes i.S.v. § 138 Abs. 2 S. 1 AO) die notwendige Verbindungi.S.v. § 264 StPO ohne weiteres herstellen. Demzufolge scheidet eine Sanktionierung nach § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO aus.

  • Für die Einstellung nach § 153 StPO gelten andere Grundsätze. Sehen hier die Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Finanzbehörde, vgl. § 399 Abs. 1 AO) wegen geringer Schuld des Täters und fehlendem öffentlichen Interesse an der Verfolgung von eben dieser ab, so begründet eine entsprechende Verfügung kein Verfahrenshindernis und steht der Aburteilung der Tat deshalb nicht entgegen. Im Gegensatz zu einer gerichtlichen Verfahrenseinstellung gem. § 153 Abs. 2 StPO, nach der eine Fortführung des Verfahrens nur unter den Voraussetzungen des § 153a Abs. 1 S. 5 StPO möglich ist, kommt einer Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO allein durch die Staatsanwaltschaft kein auch nur begrenzter Strafklageverbrauch zu (BGH v. 11.3.2020 – 4 StR 307/19, NStZ-RR 2020, 179). Denn anders als bei einem gerichtlichen Beschluss nach § 153 Abs. 2 StPO, der auf der Grundlage einer auch für ein Urteil ausreichenden Sachverhaltsaufklä...

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