Rz. 703

[Autor/Stand] Die Steuergefährdungstatbestände nach § 379 AO bilden als typische Vorbereitungshandlungen bzw. Durchgangsdelikte (s. bereits Rz. 30) häufig die Vorstufe zu den späteren Verletzungsdelikten nach den §§ 370, 378 AO. Bereits aus den allgemeinen Grundsätzen der Gesetzeskonkurrenz folgt, dass das Gefährdungsdelikt gegenüber dem Verletzungsdelikt (auch im Versuchsstadium) subsidiär ist, wie dies auch der Regelung in § 21 Abs. 1 OWiG zugrunde liegt (s. dazu § 370 Rz. 883 und § 377 Rz. 148)[2]. Diese Stufensubsidiaritätsregel wird im Verhältnis des § 379 AO zu § 378 AO ausdrücklich in § 379 Abs. 46 AO, jeweils Halbs. 2, wiederholt.

 

Rz. 704

[Autor/Stand] Die Steuergefährdung ist gegenüber den Verletzungstatbeständen der §§ 370, 378 AO jedoch nur insoweit subsidiär, als dasselbe Rechtsgut, d.h. dieselbe Steuerart, betroffen ist und die Gefährdung nicht über die Verletzung hinausreicht[4].

 

Beispiel

Großhändler A tätigt im großen Umfang Ohne-Rechnung-Geschäfte. Er trägt die Verkäufe nicht in das Warenausgangsbuch ein; die Einnahmen gibt er bei den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen nicht an und führt bei den monatlichen Umsatzsteuervorauszahlungen entsprechend niedrigere Beträge ab. A hatte die Absicht, die Erlöse aus den OR-Geschäften auch bei den jährlichen Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen nicht anzugeben. Bevor er jedoch die Erklärungen einreichen kann, werden seine Manipulationen aufgedeckt.

Im vorstehenden Beispiel wurden durch das Nichtverbuchen der OR-Geschäfte drei Steuerarten (Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer) gefährdet. Da drei verschiedene Rechtsgüter gefährdet werden (s. allgemein dazu § 370 Rz. 53 ff.), liegen nicht eine, sondern drei idealkonkurrierende Steuergefährdungen nach § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO vor. Hinzu tritt wegen der fehlenden Aufzeichnung des Warenausgangs der Tatbestand nach § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO. Außerdem hat sich A einer Umsatzsteuerverkürzung schuldig gemacht, die mit Abgabe der unrichtigen Voranmeldungen und zu geringen Vorauszahlungen bereits vollendet ist. Die Umsatzsteuergefährdung durch das Nichtverbuchen der OR-Geschäfte ist gegenüber der Umsatzsteuerverkürzung durch Verschweigen der Erlöse bei den Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 370 AO) subsidiär, da Gefährdung und Verletzung dieselbe Steuerart betreffen. Zwischen der Umsatzsteuerhinterziehung und den durch die Falschbuchung begangenen Einkommensteuer- bzw. Gewerbesteuergefährdungen besteht hingegen Tatmehrheit[5].

 

Rz. 705

[Autor/Stand] § 379 AO ist gegenüber § 378 AO auch dann subsidiär, wenn die Steuergefährdung vorsätzlich erfolgt. Diese bei den Fällen der Subsidiarität umstrittene Frage ist durch die ausdrückliche Regelung des § 379 Abs. 46, jeweils Halbs. 2 AO entschieden[7]. Sieht die FinB in diesem Fall aus Opportunitätsgründen von der Verfolgung der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 47 OWiG ab bzw. stellt sie das Bußgeldverfahren ein, so ist es ihr verwehrt, auf die vorsätzliche Steuergefährdung zurückzugreifen, da § 379 AO nur anzuwenden ist, wenn die Tat nicht nach § 378 AO geahndet werden kann (vgl. § 379 Abs. 46 AO, jeweils Halbs. 2), d.h. die Verfolgung des § 378 AO muss grundsätzlich aus rechtlichen und nicht aus tatsächlichen Gründen ausscheiden (zum Sonderproblem der Selbstanzeige s. Rz. 680 ff.)[8].

 

Rz. 706

[Autor/Stand] Umstritten ist, ob ein Rückgriff auf den subsidiären Gefährdungstatbestand des § 379 AO möglich ist, wenn und soweit wegen einer wirksamen Selbstanzeige nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO eine Ahndung hinsichtlich der Verkürzungshandlung ausscheidet (s. § 371 Rz. 801; oben Rz. 680 ff.).

 

Rz. 707

[Autor/Stand] So soll einer Ansicht nach die Vorschrift des § 21 OWiG ("gleichzeitig", d.h. tateinheitlich) und hier insb. dessen Abs. 2 ("wenn eine Strafe nicht verhängt wird") auf das besondere Stufenverhältnis zwischen Steuergefährdung und Steuerverkürzung keine Anwendung finden[11]. Aus den allgemeinen Regeln der Subsidiarität folge – in Ausnahme von dem Grundsatz einer Sperrwirkung des primären Delikts nur im Falle einer tatsächlichen Bestrafung –, dass ein Strafaufhebungs- bzw. -ausschließungsgrund dann auch strafbefreiende Wirkung hinsichtlich des subsidiären Tatbestandes entfaltet, wenn dadurch "ausschließlich die gefährliche Vorstufe der Verletzungsdelikte" betroffen ist[12].

 

Rz. 708

[Autor/Stand] Demgegenüber lebt nach überwiegender Ansicht der subsidiäre Gefährdungstatbestand des § 379 AO bei strafbefreiender Selbstanzeige gem. §§ 371, 378 Abs. 3 AO nach den allgemeinen Regeln der Gesetzeskonkurrenz wieder auf[14] (s. Rz. 684). Allerdings dürfte auch eine etwaige Vorbereitungshandlung (z.B. eine Belegfälschung oder Falschbuchung) aus Strafwürdigkeitsgesichtspunkten regelmäßig aufgezehrt sein, so dass eine Ahndung nach § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO zumindest fraglich und eine Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahren (§ 47 OWiG) angebracht erscheint (s. dazu Rz. 690 ff.).

 

Beispiel

Geschäftsinhaber A verbucht vorsätzlich Kosten der privaten Lebenshaltung als Betri...

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