Leitsatz

Für den nach § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO unanfechtbaren Beschluss des FG zur Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter ist eine Begründung nicht erforderlich (§ 113 Abs. 2 Satz 1 FGO); dies gilt auch dann, wenn einer der Beteiligten sich zuvor gegen eine Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter ausgesprochen hat.

 

Normenkette

Normenkette: § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO

 

Sachverhalt

Der Senat des FG hatte die Sache durch Beschluss nach § 6 Abs. 1 FGO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, ohne dem Kläger vorher Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Dagegen wandte sich der Kläger vor dem FG und nach seinem Unterliegen in der ersten Instanz auch im Revisionsverfahren vor dem BFH.

Er rügte als Verfahrensmängel, dass nach dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs den Beteiligten vor der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden müsse. Außerdem müsse der Übertragungsbeschluss mit Gründen versehen werden.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision zurück. Die Frage, ob das FG vor der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme geben müsse, sei zwar umstritten. Ein in der unterlassenen Anhörung möglicherweise liegender Verfahrensverstoß könne sich im Streitfall aber nicht auswirken. Denn der Beschluss über die Übertragung auf den Einzelrichter sei nach § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO unanfechtbar. Als unanfechtbare Entscheidung der Vorinstanz unterliege der Beschluss nicht der Nachprüfung im Revisionsverfahren (§ 124 Abs. 2 FGO).

Ein Verfahrensfehler könne auch nicht darin gesehen werden, dass das FG seinen Übertragungsbeschluss nicht mit Gründen versehen habe. Da der Übertragungsbeschluss unanfechtbar sei, sei nach § 113 Abs. 2 Satz 1 FGO eine Begründung nicht erforderlich. Dies gelte auch dann, wenn sich die Beteiligten zuvor gegen eine Übertragung auf den Einzelrichter ausgesprochen hätten.

 

Hinweis

Die nach wie vor bestehende Arbeitsbelastung der Finanzgerichte führt vermehrt dazu, dass die Senate von der Möglichkeit der Übertragung auf den Einzelrichter Gebrauch machen.

Die Entscheidung lässt zwar offen, wie die im Schrifttum umstrittene Frage zu beantworten ist, ob die Beteiligten von der beabsichtigten Übertragung der Sache auf den Einzelrichter unterrichtet werden müssen, um dazu Stellung nehmen zu können. Das Urteil macht indes deutlich, dass der Beteiligte – unabhängig davon, wie die Streitfrage zu entscheiden ist – eine etwaige Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht mit Erfolg rügen kann.

Denn der Übertragungsbeschluss ist unanfechtbar. Deshalb ist er auch nicht zu begründen und kann nach der BFH-Entscheidung im Revisionsverfahren nicht mehr geprüft werden, abgesehen von kaum vorkommenden Fällen "greifbarer Gesetzwidrigkeit".

Diese Prozesssituation ist unbefriedigend. Der Ausschluss der Überprüfbarkeit des Übertragungsbeschlusses bedeutet an sich nur, dass der BFH nicht mehr prüfen soll, ob die Voraussetzungen für eine Übertragung auf den Einzelrichter vorgelegen haben. Gleichwohl müsste der BFH prüfen dürfen, ob bei dem Übertragungsbeschluss das rechtliche Gehör gewährt worden ist.

Beachten Sie, dass der BFH den Übertragungsbeschluss nur bei greifbarer Gesetzwidrigkeit prüft. Dies setzt aber immer voraus, dass eine entsprechende Verfahrensrüge bereits vor dem FG, und zwar unter Darlegung der Gründe, erhoben worden ist. Andernfalls tritt wegen sog. rügeloser Einlassung ein Rügeverlust ein. Greifbare Gesetzwidrigkeit ist nur ausnahmsweise gegeben, z.B. wenn sich der Einzelrichter selbst bestellt oder wenn die Verbote des § 6 Abs. 2 (es wurde bereits vor dem Senat mündlich verhandelt) oder Abs. 3 Satz 2 FGO (erneute Übertragung auf den Einzelrichter) nicht beachtet wurden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.2.2001, IX R 94/97

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