Mit Urteil v. 27.10.2020 hat der BFH entschieden, dass die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG auch dann eintritt, wenn die bei der Auszahlung der Kapitalerträge einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht beim FA angemeldet und abgeführt wird und keiner der Ausschlussgründe des § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2, Satz 2 oder Satz 3 EStG vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte in Form von Scheinrenditen aus einem betrügerischen Schneeballsystem erzielt hat, für die aus seiner Sicht Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG einbehalten worden ist. Die Klage gegen einen Verlustfeststellungsbescheid, die sich gegen die Verrechnung von – aus der Sicht des Klägers – zu Unrecht der Besteuerung zugrunde gelegten Kapitaleinkünften richtet, ist zulässig. Sie ist begründet, wenn mit dem Klageantrag dieselben Einwendungen wie gegen den dem Verlustfeststellungsbescheid zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheid geltend gemacht werden und diese durchgreifen.

Sachverhalt: Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2012 bei der von B geführten Firma C Scheinrenditen aus Aktienverkäufen, die sie nicht in der Einkommensteuererklärung angegeben hatte. B hatte unter der Firma der C ein Schneeballsystem mit fingierten Aktiengeschäften betrieben, das in 2013 aufflog. C zahlte bis dahin auf Verlangen der Anleger die Gewinne aus. Der Klägerin bescheinigte C im Streitjahr einen Gewinn aus dem fingierten An- und Verkauf von Aktien. Auf der von C erteilten Abrechnung wurde die rechnerisch zutreffende Kapitalertragsteuer zzgl. SolZ ausgewiesen und einbehalten. Jedoch wurde die Kapitalertragsteuer von C weder beim FA angemeldet noch abgeführt, was der Klägerin nicht bekannt war. In 2012 bot C der Klägerin an, den Gewinn auszuzahlen, was diese ablehnte. Die Klägerin kaufte sogar weitere Aktien und bat, den Kaufpreis mit dem zuvor bescheinigten Veräußerungserlös zu verrechnen. Das FA erfuhr aufgrund einer Mitteilung der Steuerfahndung von den Kapitalerträgen und änderte die Steuerfestsetzung für das Streitjahr gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und unterwarf den Erlös aus der Veräußerung der Aktien als Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung nach § 32d Abs. 3 EStG. Die von C einbehaltene Abzugssteuer wurde nicht angerechnet. Der Aktienveräußerungsgewinn wurde mit dem verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2011 verrechnet, so dass ein verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2012 von 0 EUR festgestellt wurde. Die Klägerin wendete sich gegen die Änderung der Einkommensteuer und der Verlustfeststellung.

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen. Der Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr und der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2012 sind aufzuheben, so dass die von der Klägerin erzielten Scheinrenditen nicht in die Einkommensteuerfestsetzung einbezogen und nicht mit dem verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2011 verrechnet werden.

Versteuerung von Scheinrenditen: Der BFH hält an seiner langjährigen Rspr. zur Besteuerung von Scheinrenditen aus in betrügerischer Absicht umgesetzten Schneeballsystemen fest; s. oben unter II. 1.

Keine Minderung der BMG um vorgetäuschte Steuerabzugsbeträge: Die BMG der von dem Kläger aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG mindert sich nicht um die von C einbehaltenen Steuerabzugsbeträge; s. oben II. 1.

Abgeltungswirkung des Steuerabzugs greift auch bei betrügerischen Schneeballsystemen: Die erzielten Scheinrenditen sind gem. § 2 Abs. 5b EStG nicht der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde zu legen, da diese aufgrund des Einbehalts durch C der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, so dass die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG eingetreten ist; s. oben II. 1.

Beraterhinweis Die Klägerin hat sowohl die geänderte Einkommensteuerfestsetzung als auch die geänderte Verlustfeststellung auf den 31.12.2012 angefochten. Die Anfechtung auch der geänderten Verlustfeststellung war nach Feststellung des BFH zulässig, obwohl die Einkünfte nicht eigenständig zu ermitteln bzw. zu überprüfen sind. Im Weiteren war die Klage auch begründet, denn im vorliegenden Fall wurden mit dem Klageantrag dieselben Einwendungen wie gegen den dem Verlustfeststellungsbescheid zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheid geltend gemacht. Der Verlustfeststellungsbescheid ist inhaltlich an den Einkommensteuerbescheid gebunden, obwohl ein Einkommensteuerbescheid keinen Grundlagenbescheid für die Verlustfeststellung darstellt. Da die inhaltlichen Argumente durchgreifen und die streitigen Kapitaleinkünfte aus den Scheinrenditen aufgrund der Abgeltungswirkung des Steuereinbehalts gem. § 2 Abs. 5b EStG nicht der Einkommensteuerfestsetzung nach § 32d Abs. 3 EStG zugrunde zu legen sind, ist die Verrechnung mit dem verbleibenden Verlustvortrag zum 31.12.2011 rechtswidrig. Grundsätzlich hätte der Verlustfeststellungsbescheid nicht gesondert a...

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