Aussetzung der Vollziehung/einstweilige Anordnung: Der vorläufige Rechtsschutz wird durch zwei voneinander unabhängige Rechtsinstitute gewährt: die Aussetzung der Vollziehung gem. § 361 AO bzw. § 69 FGO und die einstweilige Anordnung gem. § 114 FGO.

(Grafik: Jörißen in Schmider/Wagner/Loritz, Handbuch der Bauinvestitionen und Immobilienkapitalanlagen (HdB), Fach 1714 m.w.A.)

Beide Rechtsinstitute stehen bezüglich ihrer Voraussetzungen in einem grundsätzlichen Ausschließlichkeitsverhältnis. § 114 FGO gilt nicht für die Fälle, die von § 69 FGO erfasst werden (§ 114 Abs. 5 FGO).

Abgrenzung: Grundsätzlich wird unterschieden, ob die Behörde bereits bestehende Rechtspositionen des Steuerpflichtigen durch einen belastenden oder feststellenden Verwaltungsakt beeinträchtigt – dann sind §§ 361 AO, 69 FGO vorrangig anwendbar – oder ob sie eine Besserstellung hinsichtlich der bestehenden Rechtsposition, beispielsweise durch Ablehnung des Erlasses eines begünstigenden Verwaltungsaktes oder durch andere Maßnahmen als den Erlass eines Verwaltungsaktes verweigert – dann findet § 114 FGO Anwendung. Die Aussetzung der Vollziehung vermeidet also Nachteile, die durch die vorzeitige Durchsetzung angefochtener vollziehbarer Verwaltungsakte entstehen können, während die einstweilige Anordnung solche Nachteile vermeidet, die durch Veränderung der bestehenden Rechtslage oder in anderer Weise noch entstehen können.

Die Rspr. orientiert sich bei der Abgrenzung zwischen der Aussetzung (bzw. Aufhebung) der Vollziehung und der einstweiligen Anordnung primär an der Klageart im Hauptsacheverfahren. Bei Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage wird der vorläufige Rechtsschutz durch die Aussetzung (bzw. Aufhebung) der Vollziehung gewährt; bei Verpflichtungs-, Leistungs- oder Feststellungsklagen ist demgegenüber die einstweilige Anordnung gegeben (BFH v. 23.4.2012 – III B 183, 11, BFH/NV 2012, 1173; v. 21.12.2012 – III B 41/12, BFH/NV 2013, 549; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 90). Allerdings gilt die Abgrenzung nach der Klageart nicht ausnahmslos; zwei Fallgruppen sollten als Ausnahmen verinnerlicht werden:

  • Bei Ablehnung einer vom Steuerpflichtigen begehrten Grundlagenentscheidung durch die Finanzbehörde ist im einstweiligen Verfahren die Aussetzung der Vollziehung statthaft (Beispiel: negative Feststellungsbescheide; BFH GrS v. 14.4.1987 – GrS 2/85, BStBl. II 1987, 637).
  • Bei Ablehnung eines Leistungsbegehrens des Steuerpflichtigen ist im einstweiligen Rechtsschutz die einstweilige Anordnung das Mittel der Wahl (Beispiel: ein beantragter (Kinder)Geldbescheid wird nach einer materiell-rechtlichen Prüfung abgelehnt; Meinert, DStZ 2015, 599; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 40 FGO Rz. 11).

Während § 361 AO die Aussetzung der Vollziehung durch die Finanzbehörde während des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens regelt, ist § 69 FGO einschlägig, wenn die zugrunde liegende Hauptsache bereits beim FG anhängig ist. Nach § 69 Abs. 2 FGO kann während des Klageverfahrens die Finanzbehörde, nach § 69 Abs. 3, 4, 6 und 7 FGO das FG die Vollziehung aussetzen. Die Vorschriften gelten nebeneinander, so dass der Steuerpflichtige einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Finanzbehörde stellen und bei Ablehnung das Rechtsmittel des Einspruchs einlegen kann. Gegen die Einspruchsentscheidung kann er keine finanzgerichtliche Klage erheben (§ 361 Abs. 5 AO), aber das FG unmittelbar gem. § 69 Abs. 3 FGO anrufen (auch schon vor Klageerhebung). Er kann ebenfalls den Antrag bei Gericht zu stellen, ohne dass zuvor Einspruch gegen die Entscheidung der Finanzbehörde eingelegt wurde bzw. bevor über einen eingelegten Einspruch entschieden wurde.

Beraterhinweis Demzufolge kann der Steuerpflichtige zweigleisig vorgehen, einerseits Einspruch bei der Finanzbehörde einlegen und andererseits einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim FG stellen. Sollte im Einspruchsverfahren dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stattgegeben werden, würde sich das finanzgerichtliche Verfahren erledigen.

Voraussetzung für den Antrag bei Gericht ist aber in jedem Fall, dass bereits ein erfolgloser Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Finanzbehörde gestellt wurde, es sei denn, dass diese nicht in angemessener Frist über den Antrag entschieden hat oder eine Vollstreckung droht (§ 69 Abs. 4 FGO).

(Grafik: Jörißen in Schmider/Wagner/Loritz, HdB, Fach 1714 m.w.A.).

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