Seit vielen Jahren bestehen rechtspolitische Bestrebungen, ein echtes Unternehmensstrafrecht zu schaffen (vgl. Cappel / Duttiné, DStR 2020. 1685 [1686]). Die von den Strafgerichten abgeurteilten Fälle des Handels mit CO2-Zertifikaten (vgl. BGH v. 15.5.2018 – 1 StR 159/17, wistra 2019, 63 = ZWH 2019, 56) und Cum/Ex-Geschäften (vgl. BGH v. 28.7.2021 – 1 StR 519/20, DStZ 2021, 741) sowie die Dieselabgas-Affäre (vgl. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/dieselgate/chronik/) zeigen, dass Wirtschaftsstraftaten – und auch Steuerhinterziehungen – im hohen Maße nicht nur ein Phänomen krimineller Individuen darstellen, sondern auch ganz konkret große Unternehmen betreffen. Der Satz "societas delinquere non potest", also das Postulat, dass juristische Personen nicht deliktsfähig seien, wird in der Rechtswissenschaft zunehmend in Zweifel gezogen (zum Streitstand vgl. Schäfer, wistra 2021, 89; für die Straffähigkeit von Verbänden etwa Rogall in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 30 Rz. 12; dagegen unter Hinweis auf das verfassungsrechtlich verankerte Schuldprinzip u.a. Peglau, ZRP 2001, 406).

Bereits nach geltendem Recht besteht allerdings die Möglichkeit, Geldbußen gegen Unternehmen zu verhängen (s. § 30 OWiG). Danach können bei vorsätzlicher Begehung Geldbußen bis zu 10 Mio. EUR gegen Unternehmen festgesetzt werden, wenn eine Leitungsperson eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die Pflichten, welche die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind oder die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte. Nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG kann dieses Höchstmaß sogar überschritten werden, wenn der Höchstbetrag für eine Abschöpfung des aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteils nicht ausreicht.

Insoweit kommt als Ordnungswidrigkeit z.B. eine Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG in Betracht, denn eine solche Pflichtverletzung stellt eine betriebsbezogene Zuwiderhandlung i.S.d. § 30 OWiG dar (vgl. BayObLG v. 17.8.1998 – 3 ObOWi 83/98, wistra 1999, 71; Hunsmann in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 377 AO Rz. 150 [Oktober 2013]; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Stichw. "Aufsichtspflichtverletzung" Rz. 3]).

Auch im Kartellrecht sind Geldbußen gegen Unternehmen möglich und üblich (vgl. §§ 81a ff. GWB). Besonders hoch können Geldbußen gegen Unternehmen nach der DSGVO ausfallen, wenn nämlich juristische Personen oder Personenvereinigungen gegen Datenschutzvorschriften verstoßen (vgl. Art. 83 DSGVO: bis zu 20 Mio. EUR).

Dessen ungeachtet hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bereits im August 2019 den Referentenentwurf eines Verbandssanktionengesetzes vorgelegt, der als Referentenentwurf zum Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft fortgeführt und nunmehr als Regierungsentwurf der Bundesregierung vorliegt (BT-Drucks. 19/23568 v. 21.10.2020). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Verhängung wirksamer, angemessener und abschreckender Sanktionen gegen Verbände in einer Reihe von internationalen Rechtsinstrumenten (Übereinkommen der UN, der OECD und der EU) vorgegeben sei und hält die Verantwortlichkeit von Verbänden für einen inzwischen universal anerkannten Standard (BT-Drucks. 19/23568 v. 21.10.2020, 44).

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