Die Schlussanträge werfen diverse Fragen auf (was logisch ist, da der GA sich im Wesentlichen an die unter II. genannten Urteile des EuGH anlehnt, die diese Fragen ebenso aufgeworfen haben – m.E. ohne sie zu beantworten[18]).

[18] Vgl. von Streit/Streit, UR 2020, 525.

1. Verbrauchbarer Vorteil

Vorteil = Parkplatz: Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH liegt eine Leistung im Sinne des Mehrwertsteuerrechts (nur) dann vor, wenn der Leistungsempfänger durch das Tätigwerden des Leistenden einen Vorteil erhält, der zu einem Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt.[19] Einen solchen Vorteil erlangt der Nutzer im vorliegenden Fall allein durch die Möglichkeit sein Fahrzeug auf einem Parkplatz abstellen zu können (wenn man einmal außen vor lässt, dass der Nutzer auch das Recht erwirbt, in den Genuss der Erfüllung der sich aus dem Parkvertrag ergebenden Verpflichtungen zu kommen[20]).

Unerlaubtes Parken: Hierbei könnte man allerdings schon hinterfragen, inwieweit in den Fällen, in denen Fahrzeuge auf Plätzen abgestellt werden, auf denen das Parken nicht erlaubt ist (Feuerwehrzufahrt), überhaupt ein Leistungswille des A vorliegt. A will diese Plätze den Nutzern ja gerade nicht für das Abstellen ihrer Fahrzeuge zur Verfügung stellen – auch nicht gegen Entgelt. Die Nutzer verschaffen sich also einen Vorteil, den A nicht zuwenden will.[21]

Kein weiterer Vorteil: Abgesehen davon werden den Nutzern weitere verbrauchbare Vorteile von A nicht gewährt. Allenfalls könnte man annehmen, dass die allgemeinen Kontrollen, die A auf dem Parkplatz durchführt, dem Nutzer insofern zugutekommen, als durch die Kontrollen Ordnung und Sicherheit und die Verfügbarkeit von freiem Parkraum sichergestellt werden (eine Art Geschäftsführung ohne Auftrag). Das wäre allerdings keine Zurverfügungstellung eines Parkplatzes, sondern eine andere Leistung ("Kontrollleistung"). Dann wäre aber nicht einsichtig, warum nur die Nutzer hierfür zu zahlen hätten, bei denen ein Regelverstoß vorliegt. Die Kontrollen kämen ja auch den anderen Nutzern zugute. Es würde sich dann vielmehr die Frage stellen, ob die Kontrollleistung für die Nutzer, die keinen Regelverstoß begehen und denen deshalb keine Kontrollgebühr berechnet wird, aus Sicht der A eine Leistung ohne Entgelt (unentgeltliche Wertabgabe) darstellen würde.[22]

Es bleibt festzuhalten, dass der GA davon ausgeht, dass die Möglichkeit der Parkplatznutzung der einzige verbrauchbare Vorteil ist, den der Nutzer von A erhält.

[19] Vgl. z.B. EuGH v. 29.2.1996 – C-215/94 – Mohr, UR 1996, 119 Rz. 19 ff.; EuGH v. 18.12.1997 – C-384/95 – Landboden, UR 1998, 102 Rz. 24. Vgl. auch BFH v. 22.2.2017 – XI R 17/15, UR 2017, 389, Ziff. II.1. Aufschlussreich auch EuGH, Schlussanträge der GAin Kokott v. 4.6.2020 – C-335/19 – E. Sp. Z o.o. Sp. k. Rz. 23 ff.
[20] Vgl. oben II.2.
[21] Unklar bleibt, ob der Nutzer, wenn er in einer Feuerwehrzufahrt parkt, ohne ein Ticket zu ziehen, neben den EUR 70 auch das reguläre Parkentgelt zahlen müsste.
[22] Letztendlich sind die Kosten für die Kontrollen wahrscheinlich ohnehin in den regulären Parkentgelten als Betriebskosten berücksichtigt.

2. Wechselseitiger Zusammenhang

Alle Zahlungen sind Entgelt: Allerdings ist der GA der Ansicht, der Nutzer wende hierfür sowohl das Parkentgelt – soweit eines zu zahlen ist – als auch die Kontrollgebühr auf.

Widerspruch zu Tolsma: Diese Annahme ist m.E. nicht kompatibel mit dem Urteil des EuGH vom 3.3.1994 im Fall Tolsma[23] (das auch heute noch Grundlage der ständigen Rechtsprechung ist[24]). Hierin hatte der Gerichtshof festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen einer Dienstleistung und einer Zahlung nur dann vorliege, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehe, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht würden und die Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bilde.[25] Das ist im vorliegenden Zusammenhang nicht erfüllt.

Vergütung = Reguläres Parkentgelt: Das zeigt sich z.B. in dem Fall, dass der Parkplatznutzer einen Parkschein erworben hat (z.B. für eine Stunde für EUR 5), es aber versäumt, diesen sichtbar anzubringen, weswegen er zusätzlich die Kontrollgebühr zu zahlen hat.

In diesem Fall ist die Vergütung, die den tatsächlichen Gegenwert für die Zurverfügungstellung des Parkplatzes darstellt, nach den Vereinbarungen das reguläre Parkentgelt i.H.v. EUR 5. Die Kontrollgebühr i.H.v. EUR 70 will der Nutzer für die Parkplatznutzung gerade nicht zahlen. Wenn man vorab fragen würde, ob ein Nutzer ggf. bereit wäre für die einstündige Zurverfügungstellung eines Parkplatzes ggf. insgesamt EUR 75 zu zahlen, würde wahrscheinlich kein Nutzer dem zustimmen. Zu Recht, weil dies wahrscheinlich die der A für die Zurverfügungstellung der Parkplätze entstehenden Kosten um ein Vielfaches übersteigen würde.

Kein Austauschverhältnis bei "Kontrollgebühren": Allein der Umstand, dass der A durch den Regelverstoß höhere Kosten entstehen, kann nicht dazu führen, dass sich das Entgelt für die Parkplatznutzung erhöht...

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