Alle Zahlungen sind Entgelt: Allerdings ist der GA der Ansicht, der Nutzer wende hierfür sowohl das Parkentgelt – soweit eines zu zahlen ist – als auch die Kontrollgebühr auf.

Widerspruch zu Tolsma: Diese Annahme ist m.E. nicht kompatibel mit dem Urteil des EuGH vom 3.3.1994 im Fall Tolsma[23] (das auch heute noch Grundlage der ständigen Rechtsprechung ist[24]). Hierin hatte der Gerichtshof festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen einer Dienstleistung und einer Zahlung nur dann vorliege, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehe, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht würden und die Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bilde.[25] Das ist im vorliegenden Zusammenhang nicht erfüllt.

Vergütung = Reguläres Parkentgelt: Das zeigt sich z.B. in dem Fall, dass der Parkplatznutzer einen Parkschein erworben hat (z.B. für eine Stunde für EUR 5), es aber versäumt, diesen sichtbar anzubringen, weswegen er zusätzlich die Kontrollgebühr zu zahlen hat.

In diesem Fall ist die Vergütung, die den tatsächlichen Gegenwert für die Zurverfügungstellung des Parkplatzes darstellt, nach den Vereinbarungen das reguläre Parkentgelt i.H.v. EUR 5. Die Kontrollgebühr i.H.v. EUR 70 will der Nutzer für die Parkplatznutzung gerade nicht zahlen. Wenn man vorab fragen würde, ob ein Nutzer ggf. bereit wäre für die einstündige Zurverfügungstellung eines Parkplatzes ggf. insgesamt EUR 75 zu zahlen, würde wahrscheinlich kein Nutzer dem zustimmen. Zu Recht, weil dies wahrscheinlich die der A für die Zurverfügungstellung der Parkplätze entstehenden Kosten um ein Vielfaches übersteigen würde.

Kein Austauschverhältnis bei "Kontrollgebühren": Allein der Umstand, dass der A durch den Regelverstoß höhere Kosten entstehen, kann nicht dazu führen, dass sich das Entgelt für die Parkplatznutzung erhöht. Mit den EUR 70 soll vielmehr abgegolten werden, dass A neben der Zurverfügungstellung des Parkplatzes weitere Tätigkeiten ausführen muss (wohl die Bearbeitung des Regelverstoßes), die allerdings beim Nutzer zu keinem verbrauchbaren Vorteil führen.[26] Es gibt also kein Austauschverhältnis zwischen den EUR 70 und der Zurverfügungstellung des Parkplatzes.

Grund für die Kosten: Es wird im Grunde genommen auch noch nicht einmal genauer dargestellt, wodurch diese Kosten entstehen. Das kann nur vermutet werden.

Höhe der Kosten: Auch wird nicht dargelegt, warum die Kosten in allen Fällen EUR 70 betragen. Im Fall Vodafone wurde immerhin noch konkret berechnet, welche Kosten Vodafone entstanden waren und wie hoch demnach die Zahlungen sein durften, die den (gekündigten) Kunden noch belastet werden durften.[27] Es ist also durchaus möglich, dass die tatsächlichen Kosten von A (zumindest im Einzelfall) niedriger sind (z.B. EUR 50), was bei Zugrundelegung der unter III. dargestellten Grundsätze zur Folge hätte, dass die "Kontrollgebühren" i.H.v. EUR 50 Entgelt für eine Leistung wären (insoweit entsprechen sie der Wiedererlangung der mit der Erbringung der Dienstleistung verbundenen Kosten[28]) und i.H.v. EUR 20 kein Entgelt (insoweit übersteigen sie die Kosten).

Unentgeltliches Parken: Noch weniger wird der Zusammenhang der Zahlung der EUR 70 mit der Zurverfügungstellung des Parkplatzes in den Fällen deutlich, in denen der Nutzer den Wagen auf einem Parkplatz abstellt, auf dem mit einer Parkscheibe für eine bestimmte Zeit unentgeltlich geparkt werden darf, die Parkscheibe aber falsch eingestellt hat. Auch in diesem Fall fällt die "Kontrollgebühr" an, obwohl der Nutzer mit Sicherheit nichts für den Parkplatz bezahlen will (und schon gar nicht EUR 70). Auch wird nicht klar, warum jemand, der die Parkscheibe richtig einstellt, gratis parken darf (obwohl dem Parkplatzbesitzer Kosten entstehen), während derjenige, der die Parkscheibe falsch einstellt, ein Parkentgelt i.H.v. EUR 70 zahlen muss.

Weitere Kosten: Müsste A den Wagen des Nutzers, der z.B. in einer Feuerwehrzufahrt abgestellt ist, abschleppen lassen (Kosten z.B. EUR 250, deren Ersatz vom Nutzer verlangt wird), müsste der GA eigentlich auch diesen Betrag als Parkentgelt ansehen.

Fehlender Parteiwille, Widerspruch zur wirtschaftlichen Realität: Es entspricht m.E. weder dem Willen der Parteien, die Kontrollgebühr als Entgelt für die Parkplatznutzung anzusehen, noch der wirtschaftlichen Realität (auf die der EuGH ja in den Urteilen MEO und Vodafone großen Wert gelegt hatte und die auch der GA in den vorliegenden Schlussanträgen bemühte[29]).

[23] EuGH v. 3.3.1994 – C-16/93 – Tolsma, UR 1994, 399.
[24] Vgl. z.B. EuGH v. 11.6.2020 – C-43/19 – Vodafone Portugal, UR 2020, 678 Rz. 44; EuGH v. 3.7.2019 – C-316/18 – The Chancellor, Masters and Scholars of the University of Cambridge, UR 2019, 628 Rz. 29; EuGH v. 23.12.2015 – C-250/14 und C-289/14 – Air France-KLM und Hop!-Brit Air SAS, UR 2016, 93 Rz. 22. S. auch BFH v. 16.12.2020 – XI R 13/19, UR 2021, 471 Rz. 54.
[25] EuGH v. 3.3.1994 – C-16/93 – Tolsma, UR 1994, 399 R...

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