Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluß der Steuerbevollmächtigten von der alleinverantwortlichen Leitung einer Steuerberatungsgesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Der Ausschluß der Steuerbevollmächtigten von der alleinigen verantwortlichen Leitung von Steuerberatungsgesellschaften ist mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH oder das Vorstandsmitglied einer Steuerberatungs-AG hat die steuerberatende Tätigkeit nach den gleichen Grundsätzen auszuüben wie ein freier Steuerberater, also unabhängig und eigenverantwortlich; an Weisungen etwa des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung ist er hinsichtlich der steuerberatenden Tätigkeit nicht gebunden. Die Leiter einer solchen Gesellschaft sind Steuerberater und werden als solche auch in das Berufsregister eingetragen. Das gleiche gilt von einem Steuerbevollmächtigten, der gemäß § 17 Abs. 2 StBerG neben Steuerberatern in die Leitung einer Steuerberatungsgesellschaft gewählt werden kann. Es liegt in der Eigenart dieser Berufe, daß sie persönliche Dienstleistungen zum Gegenstand haben und deshalb grundsätzlich nur persönlich ausgeübt werden können.

 

Normenkette

StBerG § 17 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1

 

Tatbestand

I.

1. Steuerberatung als Beruf ist verhältnismäßig jung. Vor dem ersten Weltkrieg bestand für eine Steuerberatung kaum ein Bedürfnis. Erst als Steuersystem und Steuerrecht immer komplizierter und unübersichtlicher wurden, bedienten sich die Steuerpflichtigen bei der Abgabe ihrer Steuererklärungen in zunehmendem Maße der Hilfe von Sachkennern. Die Reichsabgabenordnung sah vor, daß die Oberfinanzpräsidenten Personen allgemein zur Vertretung von Steuerpflichtigen zulassen konnten. Das Reichsgesetz vom 6. Mai 1933 (RGBl. I S. 257) verwendete ausdrücklich die Berufsbezeichnung Steuerberater. Das Recht der Helfer in Steuersachen wurde im Rechtsberatungsmißbrauchsgesetz vom 13. Dezember 1935 (RGBl. I S. 1478) geregelt, das den § 107a in die Reichsabgabenordnung einfügte. Danach bedürfen Personen, die geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, insbesondere geschäftsmäßig Rat in Steuersachen erteilen, dazu der vorherigen Erlaubnis des Finanzamts. Durch das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten vom 16. August 1961 (BGBl. I S. 1301) – StBerG – wurden die Berufe der Steuerberater und der Steuerbevollmächtigten neu geordnet.

2. Steuerberatung wurde in der Regel von Einzelpersonen betrieben. Doch gab es in der Praxis auch Steuerberatungsgesellschaften. Schon die Verordnung zur Durchführung des § 107a der Reichsabgabenordnung vom 11. Januar 1936 (RGBl. I S. 11) sah die Möglichkeit vor, auch Gesellschaften die Steuerberatung zu gestatten. § 4 dieser Verordnung lautet:

Bei juristischen Personen und bei offenen Handelsgesellschaften und ähnlichen Vereinigungen ermächtigt die Erlaubnis nur zur Berufsausübung durch die in der Erlaubnis namentlich bezeichneten Personen.

Die Erlaubnis zur Steuerberatung für juristische Personen oder Personenvereinigungen wurde von der Behörde nach freiem Ermessen erteilt; sie blieb eine Ausnahme. Es wurde noch nicht vorausgesetzt, daß die Gesellschaft von einem Steuerberater verantwortlich geleitet wurde. Erst § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 107 der Reichsabgabenordnung vom 18. Februar 1937 (RGBl. I S. 245) bestimmte, daß inländische Gesellschaften, die “die Hilfeleistung in Steuersachen oder eine sonstige Rechtswahrer-Tätigkeit hauptberuflich betreiben”, als Steuerberatungsgesellschaften nur zugelassen werden konnten, wenn mindestens ein Inhaber, Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer Steuerberater war.

Nach dem zweiten Weltkrieg verlangten die Gesetze in den Ländern der ehemaligen amerikanischen Besatzungszone, daß bei Steuerberatungsgesellschaften alle persönlich haftenden Gesellschafter und mindestens die Hälfte der Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer Steuerberater waren.

3. Der Regierungsentwurf zu dem jetzt geltenden Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (BT-Drucks. III/128) sah in § 4 Steuerberatungsgesellschaften mit beschränkter Haftung vor, deren sämtliche Geschäftsführer Steuerberater sein mußten. In der Begründung dazu (a.a.O., S. 25 f.) heißt es: Steuerberatungsgesellschaften widersprächen zwar dem Wesen des freien Berufs; im Hinblick auf die steuerberatende Tätigkeit von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sehe der Entwurf aber Steuerberatungsgesellschaften mit beschränkter Haftung vor, damit der Berufsstand nicht bei der Beratung größerer Unternehmen benachteiligt werde. Ferner solle den Steuerberatern dadurch eine bessere Altersversorgung gewährleistet sein. Für Steuerbevollmächtigte sei die Berufsausübung in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht vorgesehen, weil ihr Tätigkeitsbereich enger sei. Außerdem habe ihr Berufsstand keine Wünsche geäußert, auch in Form einer juristischen Person Steuerberatung betreiben zu dürfen. Die Steuerbevollmächtigten hätten die Möglichkeit, eine Sozietät einzugehen. Andere juristische Personen als die Gesellschaft mit beschränkter Haftung sah der Entwurf nicht vor, gestattete jedoch den bereits bestehenden Aktiengesellschaften das Fortbestehen (vgl. § 97 Abs. 2 Satz 2 des Entwurfs).

Im Gegensatz zum Regierungsentwurf ermöglicht die geltende Fassung des Gesetzes auch die Anerkennung von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien als Steuerberatungsgesellschaften (§ 16 StBerG) und begnügt sich damit, daß nur die Hälfte der Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer oder persönlich haftenden Gesellschafter Steuerberater sind. Damit sollte insbesondere Wirtschaftsprüfern, vereidigten Buchprüfern und Juristen ermöglicht werden, in Steuerberatungsgesellschaften an verantwortlicher Stelle mitzuwirken. Der Ausschuß sah in der von ihm vorgeschlagenen und jetzt geltenden Fassung eine Garantie, “daß die in den steuerberatenden Berufen Tätigen auch in den Gesellschaften uneingeschränkt persönlich und eigenverantwortlich tätig sein können. Auch hier ist die Berufsausübung an die natürliche Person gebunden” (Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucks. III zu 2859, S. 4).

§ 17 Abs. 1 und 2 StBerG bestimmt:

(1) Voraussetzung für die Anerkennung ist, daß die Mitglieder des Vorstandes, die Geschäftsführer oder die persönlich haftenden Gesellschafter Steuerberater sind und mindestens ein Mitglied des Vorstandes, ein Geschäftsführer oder ein persönlich haftender Gesellschafter seinen Wohnsitz am Sitz der Gesellschaft hat.

(2) Die oberste Landesbehörde kann nach Anhörung der Berufskammer genehmigen, daß Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Steuerbevollmächtigte sowie besonders befähigte Kräfte anderer Fachrichtungen, die nicht Steuerberater sind, neben Steuerberatern Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder persönlich haftende Gesellschafter von bestehenden Steuerberatungsgesellschaften werden. Die Genehmigung darf bei Personen anderer Fachrichtung nur versagt werden, wenn die besondere Fachkunde fehlt oder die charakterliche Zuverlässigkeit nicht vorhanden ist. Die Zahl dieser Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer und persönlich haftenden Gesellschafter darf die Zahl der Steuerberater im Vorstand, unter den Geschäftsführern oder unter den persönlich haftenden Gesellschaften nicht übersteigen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Beschwerdeführer ist Steuerbevollmächtigter. Er hatte am 24. August 1962 zusammen mit einem anderen, inzwischen verstorbenen Steuerbevollmächtigten vor einem Notar eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet unter der Firma:

“Hermann B…, Steuerbevollmächtigter, und Otto E…, Steuerbevollmächtigter, – Steuerberatungsgesellschaft m. b. H.”

Diese Gesellschaft sollte Beratung, Vertretung und Hilfe in Steuersachen leisten. Geschäftsführer sollten die beiden Gesellschafter sein. Der Antrag des Beschwerdeführers und seines Mitgesellschafters auf Anerkennung der Gesellschaft als Steuerberatungsgesellschaft wurde vom Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg mit Entscheidung vom 3. Oktober 1962 abgelehnt, weil eine Steuerberatungsgesellschaft nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 17 StBerG nur von Steuerberatern verantwortlich geführt werden könne. Eine Ausnahmegenehmigung nach § 17 Abs. 2 StBerG könne nicht erteilt werden, da nicht wenigstens einer der Gesellschafter Steuerberater sei. Dagegen haben die Gesellschafter den Rechtsweg zu den Finanzgerichten beschritten, der noch nicht abgeschlossen ist.

Die unmittelbar gegen § 17 StBerG gerichtete Verfassungsbeschwerde rügt die Verletzung der Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Der Beschwerdeführer und sein Mitgesellschafter hätten die Steuerberatungsgesellschaft gegründet, um die Fortführung ihrer Praxis über ihren Tod hinaus zur Versorgung ihrer Angehörigen sicherzustellen. Alle wesentlichen Dinge wie Berufstätigkeit, Berufspflichten und Berufsgerichtsbarkeit seien für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte völlig gleich geregelt. Deshalb sei nicht verständlich, warum sie gerade für die Leitung von Steuerberatungsgesellschaften verschieden behandelt würden.

Der Bundesminister der Finanzen hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

Das Gesetz ist am 1. November 1961 in Kraft getreten (§ 122 StBerG). Die Verfassungsbeschwerde ist am 24. Oktober 1962 eingegangen, also rechtzeitig erhoben.

Der Beschwerdeführer ist unmittelbar und gegenwärtig durch das Gesetz in seinen Grundrechten betroffen. Das Gesetz selbst macht dem Beschwerdeführer als Steuerbevollmächtigtem die verantwortliche Leitung einer Steuerberatungsgesellschaft unmöglich.

Das Rechtsschutzinteresse ist nicht deshalb entfallen, weil der Mitgesellschafter inzwischen verstorben ist, da der Beschwerdeführer die Gesellschaft mit den Erben fortzusetzen oder aber eine neue Gesellschaft zu gründen und verantwortlich zu leiten beabsichtigt.

IV.

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das in § 17 StBerG enthaltene Verbot für Steuerbevollmächtigte, Steuerberatungsgesellschaften alleinverantwortlich zu leiten, verletzt nicht die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des Beschwerdeführers. Es betrifft nicht die freie Berufswahl, regelt vielmehr nur die Berufsausübung. Wer eine Steuerberatungsgesellschaft gründet und deren Leitung übernimmt, wählt keinen neuen Beruf, sondern nur eine andere Ausübungsform seines Berufs. Eine Regelung der Berufsausübung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zulässig, wenn sie aus vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls dem Gesetzgeber zweckmäßig erscheint und in Ausmaß und Auswirkung zumutbar ist. Dies ist hier der Fall.

Die Ausübung des Berufs als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter in Form einer Gesellschaft widerspricht im Grunde dem höchstpersönlichen Charakter dieser Berufe und kann deshalb nur eine besonders begründete Ausnahme sein. Daher hat der Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH oder das Vorstandsmitglied einer Steuerberatungs-AG die steuerberatende Tätigkeit nach den gleichen Grundsätzen auszuüben wie ein freier Steuerberater, also unabhängig und eigenverantwortlich; an Weisungen etwa des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung ist er hinsichtlich der steuerberatenden Tätigkeit nicht gebunden. Die Leiter einer solchen Gesellschaft sind Steuerberater und werden als solche auch in das Berufsregister eingetragen. Das gleiche gilt von einem Steuerbevollmächtigten, der gemäß § 17 Abs. 2 StBerG neben Steuerberatern in die Leitung einer Steuerberatungsgesellschaft gewählt werden kann. Es liegt in der Eigenart dieser Berufe, daß sie persönliche Dienstleistungen zum Gegenstand haben und deshalb grundsätzlich nur persönlich ausgeübt werden können.

Die Ausübung der Steuerberatung ist kein Gewerbe (§ 1 StBerG); aus diesem Grunde betreiben Steuerberatungsgesellschaften kein Handelsgewerbe, sondern sind nur in der Rechtsform von Handelsgesellschaften aufgebaut. Dies ist in der Firmenbezeichnung zum Ausdruck zu bringen (§ 19 StBerG).

Der Beschwerdeführer motiviert seinen Wunsch zum Zusammenschluß mit einem anderen Steuerbevollmächtigten zu einer Gesellschaft damit, daß die Fortführung der Praxis und damit eine Versorgung der Angehörigen über den Tod der Gesellschafter hinaus sichergestellt werden solle. Dieses an sich legitime Motiv kann für sich allein nicht ausreichen, den Gesetzgeber zu zwingen, eine Ausnahme von dem Grundsatz der höchstpersönlichen und selbständigen Ausübung des steuerberatenden Berufs zuzulassen. Der eigentliche Sinn des Zusammenschlusses von Steuerberatern zu Steuerberatungsgesellschaften liegt darin, daß hierdurch der berufliche Wirkungsbereich erweitert wird. Die Gesellschaft hat gegenüber dem einzelnen Steuerberater umfassendere Arbeitsmöglichkeiten und ist besser in der Lage, vor allem die großen industriellen Unternehmen zu beraten. Arbeiten besonders großen Umfangs kann (ähnlich wie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf ihrem Gebiet) die Steuerberatungsgesellschaft leichter und besser erfüllen als ein einzelner Steuerberater, weil der Gesellschaft in der Regel größere Hilfsmittel zur Verfügung stehen und sich bei ihr die Arbeit erfolgreicher rationalisieren und spezialisieren läßt.

Überdies bestehen seit langem Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die auch Steuerberatung betreiben. Sollten die großen Objekte nicht endgültig und ausschließlich diesen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften überlassen werden, sollte vielmehr auch den Steuerberatern die Chance gegeben werden, derartige Großaufträge zu erhalten und durchzuführen, dann mußte auch ihnen ermöglicht werden, sich zu Gesellschaften zusammenzuschließen. Im übrigen fand der Gesetzgeber bereits Steuerberatungsgesellschaften vor, deren zwangsweise Auflösung schwierige rechtliche und wirtschaftliche Fragen aufgeworfen hätte.

Der Gesetzgeber hätte für die Zukunft an dem Prinzip festhalten können, daß die Steuerberatung höchstpersönlich auszuüben und die Gründung von Gesellschaften ausgeschlossen sei. Wenn sich der Gesetzgeber trotzdem entschloß, Steuerberatungsgesellschaften zuzulassen, dann durfte er dieses Privileg auf die Steuerberater beschränken, sofern er dafür triftige Gründe hatte. Da diese Gründe mit jenen zusammenfallen, die in Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG eine verschiedene Behandlung von Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten erlauben, werden sie im Zusammenhang mit der Prüfung an Art. 3 Abs. 1 GG erörtert.

2. Eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG scheidet deshalb aus, weil diese Vorschrift nur insoweit heranzuziehen ist, als nicht bestimmte Lebensbereiche durch besondere Grundrechte geschützt sind (BVerfGE 9, 338 [343]). Diesen Schutz gewährt im vorliegenden Fall Art. 12 GG.

3. Die angefochtene Vorschrift ist auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat, verstößt eine gesetzliche Vorschrift nur dann gegen den Gleichheitssatz, wenn wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes wegen Verletzung des Gleichheitssatzes kann nur dann festgestellt werden, wenn für die differenzierende Regelung keine sachlich einleuchtenden Gründe erkennbar sind, sie also “willkürlich” ist.

a) Nach der Konzeption des Gesetzes sind zwar die beiden Berufe des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten einander weitgehend angenähert. Es bestehen zahlreiche wichtige Vorschriften für beide Berufe gemeinsam. Das gilt vor allem für Inhalt und Umfang der Berufstätigkeit (§§ 1, 2 StBerG) und für die Berufspflichten (§§ 22 ff. StBerG). Für beide Berufsgruppen ist die Steuerberatung kein Gewerbe, sondern ein freier Beruf, der unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben ist (§ 22 StBerG). Auch die übrigen in § 22 StBerG umschriebenen Pflichten sind für beide Berufe einheitlich geregelt. An die in § 28 StBerG vorgesehene Gebührenordnung sind beide Berufe gebunden. Schließlich gelten die Bestimmungen für ehemalige Angehörige der Finanzverwaltung (§ 25 StBerG), über die Verschwiegenheitspflicht der Gehilfen (§ 26 StBerG) und die Pflicht zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung (§ 29 StBerG) für beide Berufe in gleicher Weise. Nach der Finanzgerichtsordnung vom 6. Oktober 1965 (BGBl. I S. 1477) ist der Umfang des Vertretungsrechts vor Finanzbehörden oder Finanzgerichten für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte gleich (§ 62 FGO).

Aus der Gleichheit der beiden Berufe auf diesen wichtigen Gebieten folgt jedoch nicht die Pflicht des Gesetzgebers, den Steuerbevollmächtigten in gleichem Umfang wie den Steuerberatern Zugang zur Leitung von Steuerberatungsgesellschaften zu geben.

b) Trotz der angeführten Gleichheiten hat der Gesetzgeber Steuerberater und Steuerbevollmächtigte als verschiedene Berufe ausgestaltet:

Die sachgerechte Hilfe, die den Steuerpflichtigen im eigenen Interesse und dem der Steuerbehörden nach dem Steuerberatungsgesetz zu gewähren ist, umfaßt eine weite Spanne. Auf der einen Seite ist es wegen der Unübersichtlichkeit und Kompliziertheit der anzuwendenden Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsanweisungen schon dem durchschnittlichen Steuerpflichtigen nur schwer möglich, den Umfang seiner Steuerpflicht ohne die Unterstützung eines Sachkenners zu beurteilen. Hinzu kommt die Ungewandtheit weiter Schichten der Steuerpflichtigen. Für die Hilfe in solchen Fällen genügt eine praktische Ausbildung, für die ein grundlegendes wissenschaftliches Studium nicht erforderlich ist. Auf diese Aufgaben sind die Prüfungsvorschriften des Gesetzes für Steuerbevollmächtigte abgestellt.

Auf der anderen Seite gibt es zahlreiche Fälle, in denen der Umfang der Steuerpflicht von schwierigen Fragen des Steuerrechts, des sonstigen Rechts sowie der Betriebswirtschaftslehre abhängt und die für den Steuerpflichtigen und für den Steuerfiskus unter Umständen von großer Bedeutung sind. Solche Fälle werden in der Regel ohne eine theoretisch-wissenschaftliche Vorbildung nicht sicher beurteilt werden können; eine rein praktische Vorbildung wird kaum genügen. Diesen schwierigen Aufgaben entspricht die wissenschaftliche Ausbildung der Steuerberater.

Wenn das Gesetz selbst bei der Aufzählung der Aufgaben der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten eine solche ausdrückliche Unterscheidung nicht enthält, so ist es doch von dieser Unterscheidung ausgegangen, wie die Ausbildungsvorschriften ergeben. Die Zulassungsprüfung zum Beruf des Steuerberaters setzt in der Regel eine abgeschlossene wirtschafts- oder rechtswissenschaftliche Hochschulbildung voraus, auf die eine der Referendarzeit entsprechende dreijährige praktische Ausbildung folgt (§ 5 Abs. 1 StBerG). Ausnahmen gelten u. a. für ehemalige Sachgebietsleiter der Finanzverwaltung und für Steuerbevollmächtigte, die zehn Jahre hauptberuflich tätig waren und sich besonders bewährt haben (§ 5 Abs. 2 und 3 StBerG); von der Steuerberaterprüfung sind Hochschullehrer, ehemalige Finanzrichter und ehemalige Sachgebietsleiter des höheren Dienstes der Finanzverwaltung zu befreien (§ 8 StBerG).

Anders sind die Anforderungen an die Vorbildung der Steuerbevollmächtigten. Bei ihnen genügt das Zeugnis der mittleren Reife ode die Absolvierung einer Handelsschule oder der Erwerb entsprechender Kenntnisse auf andere Weise. Daran schließt sich eine Lehrzeit im steuerberatenden, wirtschaftsberatenden oder kaufmännischen Beruf mit der Gehilfenprüfung als Abschluß und schließlich eine vierjährige praktische Tätigkeit an (§ 6 Abs. 1 StBerG). Die Abschlußprüfung für Steuerbevollmächtigte setzt geringere Kenntnisse voraus als die für Steuerberater. Unterschiedliche Prüfungsanforderungen ergeben sich aus § 11 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes vom 1. August 1962 (BGBl. I S. 537). Danach werden die Steuerberater über das Prüfungspensum der Steuerbevollmächtigten hinaus zusätzlich geprüft über die Grundzüge der Finanzwirtschaft, in der allgemeinen und besonderen Steuerlehre, in der Lehre von den Staatseinnahmen, über die Grundzüge der Volkswirtschaftslehre und Volkswirtschaftspolitik und über die Bilanzierungsvorschriften des Aktiengesetzes. Insgesamt setzt der Beruf des Steuerberaters also größere Fachkenntnisse und eine vertieftere Sachkunde voraus. Deshalb müssen auch die langjährig tätigen, besonders bewährten Steuerbevollmächtigten, die Steuerberater werden wollen, die Steuerberaterprüfung ablegen. Die Prüfungen entsprechen der Vorbildung der Kandidaten. Akademisch vorgebildete Kandidaten oder solche mit längerer praktischer Erfahrung müssen schwierigeren Fragen gewachsen sein als Kandidaten mit mittlerer Reife und nur vierjähriger Berufserfahrung. Wenn sich zahlreiche Akademiker, insbesondere Rechtsanwälte, gerade nicht der Steuerberaterprüfung unterziehen, sondern nur die Steuerbevollmächtigtenprüfung ablegen, so folgt daraus nicht die Gleichheit der beiden Berufe, sondern lediglich, daß die Steuerberaterprüfung erheblich schwieriger ist als die Steuerbevollmächtigtenprüfung. Zwischen Steuerberater und Steuerbevollmächtigtem bestehen demnach so bedeutende Unterschiede, daß gesetzliche Differenzierungen daran anknüpfen können.

c) Die Begründung des Regierungsentwurfs, mit der Möglichkeit der Gesellschaftsgründung solle den Steuerberatern eine bessere Altersversorgung und eine Sicherstellung ihrer Erben gewährleistet werden, vermag freilich die Differenzierung nicht zu stützen. Dieses Argument träfe auch für die Steuerbevollmächtigten zu. Ebenso kann es nicht darauf ankommen, daß der Berufsverband der Steuerbevollmächtigten keine entsprechenden Wünsche geäußert habe.

Der wichtigste und zugleich legitimierende Grund für die gesetzliche Unterscheidung zwischen Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten bei der verantwortlichen Leitung von Steuerberatungsgesellschaften liegt, wie bereits erwähnt, in der unterschiedlichen Vorbildung und Aufgabe der Angehörigen beider Berufsgruppen. Dieser Funktionsunterschied rechtfertigt es, die verantwortliche Leitung von Steuerberatungsgesellschaften im Sinne des § 16 StBerG grundsätzlich Steuerberatern vorzubehalten. Der Gesetzgeber hat mit der Zulassung von Steuerberatungsgesellschaften die Möglichkeit schaffen wollen, die Hilfe in Steuersachen auf einer Vielzahl von Gebieten des Steuerrechts insbesondere für Unternehmen von beträchtlicher volkswirtschaftlicher Bedeutung und für eine große Zahl von Auftraggebern durchzuführen; bei den Steuerberatungsgesellschaften hat er deshalb eine besondere, nur den Steuerberatern eigene Sachkunde für unentbehrlich gehalten. Wenn der Gesetzgeber die Steuerbevollmächtigten, deren Aufgabe die Erledigung einfacherer Steuerfälle ist, von der verantwortlichen Leitung von Steuerberatungsgesellschaften grundsätzlich ausgeschlossen hat, liegt darin keine Willkür.

Unterstützend kommt hinzu, daß der Gesetzgeber den Steuerberatern eine gleiche Berufschance wie den Wirtschaftsprüfern geben wollte, die ebenfalls Steuerberatung betreiben und sich häufig zu Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zusammengeschlossen hatten. Gerade die großen Steuerberatungsaufträge würden ausschließlich diesen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zufließen, wenn es nicht auch Steuerberatungsgesellschaften gäbe. Hier aber war der Gesetzgeber berechtigt, zwischen Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten zu differenzieren und letztere nicht zur alleinigen verantwortlichen Leitung einer Steuerberatungsgesellschaft zuzulassen, weil sich gerade hier der prinzipielle, in Vorbildung und Prüfung liegende Unterschied der beiden Berufe auswirkt. Bei der Steuerberatung von Großunternehmen besteht ein Konkurrenzverhältnis zwischen Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern, dagegen nicht zwischen diesen Berufen und Steuerbevollmächtigten.

Im übrigen hat der Gesetzgeber den Interessen der Steuerbevollmächtigten weitgehend Rechnung getragen. Neben Steuerberatern können auch Steuerbevollmächtigte Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder von Steuerberatungsgesellschaften werden (§ 17 Abs. 2 StBerG). Besonders bewährte Steuerbevollmächtigte können zur Steuerberaterprüfung zugelassen werden und nach erfolgreichem Examen als Steuerberater eine Gesellschaft leiten. Schließlich können Steuerbevollmächtigte auch als Angestellte bei einer Steuerberatungsgesellschaft tätig sein (§ 23 StBerG). Für alle Fälle bleibt den Steuerbevollmächtigten aber die Möglichkeit, sich mit anderen Steuerbevollmächtigten zur gemeinsamen Berufsausübung zu assoziieren und im Sozietätsvertrag eine bestimmte Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu vereinbaren. Damit sind ihre Interessen ausreichend berücksichtigt. Eine volle Gleichstellung mit den Steuerberatern hinsichtlich der Möglichkeit der Gesellschaftsleitung ist durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht geboten.

 

Fundstellen

BVerfGE, 227

NJW 1967, 1315

MDR 1967, 732

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