Verfahrensgang

BGH (Beschluss vom 23.02.2007; Aktenzeichen AnwSt(B) 7/06)

Niedersächsischer AGH (Urteil vom 10.07.2006; Aktenzeichen AGH 13/05)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Gründe

Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Anwendungsbereich des § 138a StPO nicht überdehnt, indem er die anwaltliche Wahrnehmung rechtlicher Interessen eines Betroffenen im DNA-Identitätsfeststellungsverfahren als Verteidigung wertete. Damit hat er auch nicht unzulässig in das Recht auf freie Berufsausübung des Beschwerdeführers eingegriffen. Zudem stellt es keine willkürliche Rechtsanwendung dar, dass der Gerichtshof von einem schuldhaften Verstoß des Beschwerdeführers gegen das Verteidigungsverbot ausgegangen ist.

Nach § 138a Abs. 4 Satz 1 StPO darf ein von der Teilnahme an einem Strafverfahren ausgeschlossener Verteidiger seinen Mandanten auch in anderen gesetzlich geordneten Verfahren nicht verteidigen. Das Gesetz führt nicht auf, was gesetzlich geordnete Verfahren im Sinne dieser Vorschrift sind. Eine Begriffsbestimmung ist jedoch möglich über das dem Rechtsanwalt in diesen Verfahren von Gesetzes wegen verbotene Verhalten. Verboten ist ihm die Übernahme einer Verteidigung. Damit ergeben sich als gesetzlich geordnete Verfahren die Verfahren, in denen der Mandant des Rechtsanwalts beschuldigt wird, denn Verteidigung ist das Sich-Zur-Wehrsetzen gegen eine von anderer Seite erhobene Beschuldigung. Gesetzlich geordnete Verfahren nach § 138a Abs. 4 Satz 1 StPO sind damit Bußgeldverfahren, Ehren- und Berufsgerichtsverfahren sowie sonstige rechtlich geregelte Disziplinarverfahren (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49 Aufl., § 138a Rn. 25). Zu den gesetzlich geordneten Verfahren im Sinne der Vorschrift zählen aber auch andere Strafverfahren (vgl. Wohlers, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Stand: 51. Lfg., Februar 2007, § 138a Rn. 26).

Wie das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden hat, ist das DNA-Identitätsfeststellungsverfahren Teil eines solchen “anderen” Strafverfahrens, denn Sinn und Zweck des Verfahrens nach § 81g StPO ist die Identitätsfeststellung des Täters in zukünftigen und damit “anderen” Strafverfahren (vgl. BVerfGE 103, 21 ≪30≫). Mithin wird der die rechtlichen Interessen des Betroffenen eines DNA-Identitätsfeststellungsverfahrens wahrnehmende Rechtsanwalt als Verteidiger tätig (vgl. BVerfGE, a.a.O. ≪40 f.≫), weshalb er bei wirksamer Verteidigerausschließung nach § 138a Abs. 1 und 2 StPO für seinen Mandanten in einem solchen Verfahren nicht auftreten darf.

Die Zugehörigkeit des DNA-Identitätsfeststellungsverfahrens zum Strafverfahrensrecht hätte dem Beschwerdeführer aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die Eingang in die von ihm – dem Beschwerdeführer – genutzte Kommentarliteratur gefunden hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. bzw. 47. Aufl., § 81g Rn. 16) – auch bekannt sein müssen. Hinzu kommt, dass auch die Fachgerichte die rechtliche Interessenvertretung im Verfahren nach § 81g StPO als Verteidigung begreifen (vgl. LG Karlsruhe, StV 2001, S. 390 f.). Deshalb ist es nicht willkürlich, dass der Anwaltsgerichtshof einen schuldhaften Verstoß des Beschwerdeführers gegen das Verteidigungsverbot angenommen hat.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Hassemer, Di Fabio, Landau

 

Fundstellen

Haufe-Index 1799449

NStZ 2008, 226

StRR 2007, 243

StV 2008, 57

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