Beteiligte

1)…,2)…, Kläger

Berufungsausschuß für Ärzte im Regierungsbezirk Freiburg, Freiburg, Sundgauallee 27, Beklagter und Revisionsbeklagter

1)AOK Baden-Württemberg, Stuttgart, Heilbronner Straße 184, 2)Landesverband der Betriebskrankenkassen Baden-Württemberg, Kornwestheim, Stuttgarter Straße 105, 3)IKK-Landesverband Baden-Württemberg, Ludwigsburg,..

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Die Kläger sind als Kinderärzte zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und betreiben eine Gemeinschaftspraxis mit neuropädiatrischer und sozialpädiatrischer Ausrichtung. Ihr Leistungsangebot umfaßt die Frühdiagnostik und die Therapie von Bewegungsstörungen sowie von geistigen Behinderungen und Sinnesbehinderungen im Säuglings- und Kleinkindesalter, die Betreuung von Anfallskindern und die Diagnose und Therapie von Schulschwierigkeiten, Leistungsschwächen, Verhaltensstörungen und sozialen Problemen. Die Behandlung erfolgt fachübergreifend in Zusammenarbeit mit einem Team aus nichtärztlichen Fachkräften (Psychologen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Heilpädagogen, Sprachtherapeuten).

Den im Januar 1989 gestellten Antrag, die Praxis auf der Grundlage des durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477) neugeschaffenen § 119 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als sozialpädiatrisches Zentrum zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern zu ermächtigen, lehnten die Zulassungsinstanzen ab, weil die sozialpädiatrischen Leistungen Bestandteil der kassenärztlichen (vertragsärztlichen) Tätigkeit seien und eine Ermächtigung neben bzw anstelle der bestehenden Zulassung aus Rechtsgründen nicht möglich sei (Bescheide des Zulassungsausschusses und der Beteiligungskommission vom 5. Juni 1990 und 16. Juli 1990; Bescheide des beklagten Berufungsausschusses und der Berufungskommission für die Ersatzkassenpraxis vom 12. April 1991).

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts [SG] Freiburg vom 9. September 1992 und des Landessozialgerichts [LSG] Baden-Württemberg vom 16. Juni 1993). Das LSG hat sich der Auffassung angeschlossen, daß die Zulassung der Kläger zur vertragsärztlichen Versorgung eine gleichzeitige Ermächtigung der Gemeinschaftspraxis als sozialpädiatrisches Zentrum ausschließe. Der allgemeine Grundsatz der Subsidiarität der Ermächtigung gegenüber der Zulassung gelte auch im Rahmen des § 119 Abs 1 SGB V. Solange die Kläger als Vertragsärzte die erforderlichen sozialpädiatrischen Behandlungen durchführten, bestehe für eine zusätzliche Ermächtigung kein Bedarf. Sie könne auch nicht mit dem Argument beansprucht werden, daß nur auf diesem Wege eine angemessene Vergütung der für die sozialpädiatrische Behandlung notwendigen nichtärztlichen Leistungen zu erreichen sei.

Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich die zu 5) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit der vom LSG zugelassenen Revision. Ebenso wie ein niedergelassener Arzt nebenher eine Privatklinik unterhalten dürfe, müsse es zulässig sein, neben der Kassenpraxis ein sozialpädiatrisches Zentrum zu betreiben und hierfür eine Ermächtigung zu erhalten. Im Unterschied zu anderen Ermächtigungsvorschriften schreibe § 119 SGB V nicht vor, daß sozialpädiatrische Leistungen vorrangig von zugelassenen Vertragsärzten erbracht werden müßten. Die sozialpädiatrischen Zentren seien von den anderen, unter Bedürfnisvorbehalt stehenden ärztlich geleiteten Einrichtungen abgehoben und dem Status eines Krankenhauses angenähert, was sich auch an der Vergütungsregelung in § 120 Abs 2 SGB V zeige. Dem vom Berufungsgericht angeführten § 119 Abs 2 SGB V sei für eine Subsidiarität der Ermächtigung nichts zu entnehmen; die Bestimmung sehe vielmehr eine Abstufung in der Behandlungszuständigkeit dahingehend vor, daß die Versorgung besonders schwerer Krankheitsfälle unabhängig vom Vorhandensein entsprechend qualifizierter niedergelassener Kinderärzte den sozialpädiatrischen Zentren vorbehalten sein solle. Nur diesen ermögliche das Gesetz auch eine ausreichende Vergütung der sozialpädiatrischen Leistungen.

Die Beigeladene zu 5) beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 1993 und des Sozialgerichts Freiburg vom 9. September 1992 sowie die Bescheide der Berufungskommission für die Ersatzkassenpraxis bei der KÄV Südbaden und des Beklagten vom 12. April 1991 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Gemeinschaftspraxis der Kläger als sozialpädiatrisches Zentrum zu ermächtigen,

hilfsweise,

über den Ermächtigungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte sowie die Beigeladenen zu 1), 2), 3) und 6) beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die Kläger und die Beigeladenen zu 4) und 7) haben im Revisionsverfahren keine Anträge gestellt.

II

Die Revision der beigeladenen KÄV ist zulässig, aber unbegründet.

Allerdings fehlt es nicht an der für eine Nachprüfung des Berufungsurteils im Rechtsmittelzug erforderlichen rechtlichen Beschwer der Beigeladenen (vgl dazu BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 9 S 27 ff mwN). Deren Belange werden zwar durch die Ablehnung des Ermächtigungsantrags der Klägerin vordergründig nicht berührt. Das Gesetz gesteht den KÄVen aber im Hinblick auf ihre Aufgabenstellung ein umfassendes rechtlich geschütztes Interesse an der Regelung von Zulassungsangelegenheiten zu, was darin zum Ausdruck kommt, daß ihnen neben Antrags-und Beteiligungsrechten im Verwaltungsverfahren (vgl ua § 27 Satz 2, § 37 Abs 2, § 45 Abs 3 der Zulassungsverordnung für Kassenärzte [Ärzte-ZV]) in § 96 Abs 4 Satz 1 SGB V ein selbständiges Anfechtungsrecht gegen die Entscheidungen der Zulassungsausschüsse eingeräumt wird. Der erkennende Senat hat zu dem entsprechenden Anfechtungsrecht der Landesverbände der Krankenkassen freilich in anderem Zusammenhang ausgeführt, der Gesetzgeber habe damit lediglich anerkannt, daß durch die Zulassungsentscheidung "berechtigte Interessen" der Krankenkassen berührt werden, weshalb eine Beiladung der Landesverbände im Prozeß nicht erforderlich sei (BSGE 29, 65, 66 = SozR Nr 32 zu § 368a RVO). Ähnlich einschränkend hat der frühere 14a- Senat des Bundessozialgerichts (BSG) das in § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V geregelte Widerspruchsrecht der Krankenkassenverbände gegen Entscheidungen der Prüfungsausschüsse im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung interpretiert und entschieden, daß daraus keine von der materiellen Beschwer im konkreten Einzelfall losgelöste Klage- bzw Rechtsmittelbefugnis folgt (SozR 3-2500 § 106 Nr 18 S 97 ff). Im Unterschied zu den Krankenkassen und ihren Verbänden werden die KÄVen jedoch aufgrund der ihnen übertragenen Verantwortung für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs 1 SGB V) durch Entscheidungen der Zulassungs- und Berufungsausschüsse stets und unmittelbar in eigenen Rechten betroffen. Hieraus folgt ihre Befugnis, die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidungen unabhängig vom Nachweis eines darüber hinausgehenden konkreten rechtlichen Interesses im Einzelfall im Prozeß geltend zu machen.

Die Revision kann aber in der Sache keinen Erfolg haben.

Der beklagte Berufungsausschuß und ihm folgend das LSG haben eine Ermächtigung der klägerischen Praxis als sozialpädiatrisches Zentrum mit der Begründung abgelehnt, die Zulassung der Kläger als Vertragsärzte schließe eine gleichzeitige Ermächtigung der von ihnen betriebenen Einrichtung aus. Da es sich bei der Ermächtigung um eine gegenüber der Zulassung subsidiäre Form der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung handele, könnten beide Beteiligungsformen nicht nebeneinander bestehen. Für die sozialpädiatrische Behandlung gelte insoweit keine Ausnahme. Diese rechtlichen Erwägungen halten den Angriffen der Revision stand.

Nach § 119 Abs 1 Satz 1 SGB V können sozialpädiatrische Zentren, die fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen und die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche sozialpädiatrische Behandlung bieten, vom Zulassungsausschuß zur sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern ermächtigt werden. Wie sich aus § 119 Abs 2 SGB V ersehen läßt, versteht das Gesetz unter sozialpädiatrischen Zentren ärztlich geleitete Einrichtungen, die über die organisatorischen, personellen und apparativen Voraussetzungen zur ambulanten sozialpädiatrischen Behandlung von Kindern verfügen, deren Versorgung wegen der Art, Schwere und Dauer ihrer Krankheit die Möglichkeiten einer herkömmlichen Kassenpraxis übersteigt. Daraus ist jedoch nicht etwa im Umkehrschluß zu folgern, daß die entsprechende Versorgung ausschließlich ermächtigten sozialpädiatrischen Zentren vorbehalten ist und ein niedergelassener Vertragsarzt, dessen Praxis die Voraussetzungen für eine leistungsfähige sozialpädiatrische Behandlung erfüllt, deshalb neben oder anstelle seiner Zulassung ermächtigt werden müßte. § 119 SGB V schafft, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, keine neue, nach besonderen Kriterien zu beurteilende Teilnahmeform für die sozialpädiatrische Behandlung, sondern ermöglicht es, im Bedarfsfall außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung stehende ärztlich geleitete Einrichtungen zu ermächtigen, soweit und solange eine ausreichende sozialpädiatrische Betreuung durch geeignete zugelassene Kinderärzte nicht sichergestellt wird (§ 119 Abs 1 Satz 2 SGB V).

Die beiden seit der Neuordnung und Vereinheitlichung des Zulassungsrechts durch das GRG in § 95 Abs 1 SGB V allein noch vorgesehenen Formen der Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung - die Zulassung als Vertragsarzt auf der einen und die Ermächtigung nicht zugelassener Ärzte bzw ärztlich geleiteter Einrichtungen auf der anderen Seite - schließen sich gegenseitig aus. Sie können, jedenfalls soweit sie das gleiche Tätigkeitsfeld betreffen, in bezug auf denselben Arzt oder eine von ihm geleitete Gesundheitseinrichtung nicht nebeneinander bestehen. Nach der Konzeption des Gesetzes ist die ambulante ärztliche Versorgung der von der gesetzlichen Krankenversicherung erfaßten Personen in erster Linie durch zugelassene Vertragsärzte sicherzustellen. Die Ermächtigung ist demgegenüber die subsidiäre Teilnahmeform, die - von den Ausnahmen in §§ 117 und 118 SGB V abgesehen - nur in Frage kommt, wenn eine bestehende oder drohende Unterversorgung abzuwenden ist. Werden deshalb die sozialpädiatrischen Leistungen wie im Fall der Kläger von entsprechend ausgebildeten zugelassenen Kinderärzten im Rahmen ihrer Praxis erbracht, ist für eine an die Stelle der Zulassung tretende oder daneben bestehende Ermächtigung kein Raum. Daß § 120 Abs 2 SGB V für die in sozialpädiatrischen Zentren erbrachten Leistungen eine andere, für die betroffenen Einrichtungen möglicherweise günstigere Form der Vergütung vorsieht, ändert daran nichts.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Haufe-Index 517746

AusR 1995, 24

Breith. 1996, 188

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