Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 16.04.1975)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. April 1975 wird zuruckgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Ersatz der Kosten, die ihr durch die Gewährung von ärztlicher Behandlung und Krankenhauspflege für den bei ihr gegen Krankheit pflichtversicherten Beschädigten K… (K.) in der Zeit vom 25. bis 30. Mai 1970 entstanden sind. Bei K.… waren mit Bescheid der Ruhrknappschaft vom 12. März 1948 nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD Nr. 27) als Schädigungsfolgen u.a. anerkannt worden: “Granatsplittersteckschuß im rechten Oberarm, rechten Oberschenkel”. Eine Rente war K. nicht bewilligt worden, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) weniger als 30 v.H. betrug; jedoch hatte K. wegen der anerkannten Schädigungsfolgen Anspruch auf Heilbehandlung.

Vom 14. Mai bis 10. Juni 1970 war K. unter der Diagnose “Stecksplitter in der rechten Schulter” arbeitsunfähig krank; ihm wurde am 15. Mai 1970 ein Krankenschein ausgestellt. Vom 25. bis 30. Mai 1970 wurde er im St. Josefs-Hospital in Gelsenkirchen-Horst stationär behandelt und dabei der Splitter operativ entfernt.

Im Juli 1970 beantragte K. auf einem Formblatt der Klägerin bei der Versorgungsverwaltung, den Stecksplitter in der rechten Schulter als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anzuerkennen. Gleichzeitig beantragte die Klägerin, gemäß § 11 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung (VerwVG) zu dem Verfahren zugezogen zu werden; das geschah durch die Bescheide vom 29. Oktober 1970 und vom 16. Dezember 1970. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1970 wandte sich die Klägerin an das Versorgungsamt und bat, zumindest den Heilbehandlungsanspruch ab 15. Mai 1970 anzuerkennen. Weiter heißt es in diesem Schreiben: “Im übrigen wird gebeten, uns innerhalb der Rechtsmittelfrist eine Durchschrift des zu erteilenden Bescheides zu übersenden”.

  • Durch Bescheid vom 18. Juni 1971 wurden als Schädigungsfolgen anerkannt:
  • Trommelfellnarben beiderseits bei geringgradiger Schwerhörigkeit,
  • Narben am rechten Oberarm, an der rechten Schulter,
  • Beugehemmung im Grundgelenk des rechten Mittelfingers,
  • Weichteilstecksplitter im rechten Ober- und Unterschenkel mit Narben.

Ein rentenberechtigender Grad der MdE wurde nicht erreicht; der Anspruch auf Heilbehandlung wurde ab 1. Juli 1970 anerkannt. Diesen Bescheid hat K. nicht angefochten. Der Klägerin wurde am 22. Juni 1971 eine Durchschrift des Bescheides übersandt. Mit einem weiteren Schreiben vom 29. Juni 1971 (Bl. 69) teilte das Landesversorgungsamt der Klägerin mit, daß eine Vorverlegung des Heilbehandlungsanspruchs auf eine Zeit vor Juli 1970 nicht erfolgen könne, wie bereits mit Bescheid vom 18. Juni 1971 entschieden worden sei.

Die Klägerin erhob Pm 16. September 1971 Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund mit dem Antrag, unter Abänderung des Bescheides vom 18. Juni 1971 den Beginn des Versorgungsanspruchs auf den 1. Mai 1970 vorzuverlegen und den Beklagten zu verurteilen, von diesem Zeitpunkt an Leistungen nach den §§ 10 – 24a BVG zu gewähren.

Das SG Dortmund hat die Klage durch Urteil vom 29. Februar 1972 als unzulässig abgewiesen; die Klägerin habe kein eigenes Klage- und Anfechtungerecht.

Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) die Bundesrepublik Deutschland auf deren Antrag zum Verfahren beigeladen. Der Beklagte hat am 18. März 1975 einen Widerspruchsbescheid erteilt, in dem er die Klageschrift zugleich als Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Juni 1971 ansah und als verspätet verwarf. Das LSG hat durch Urteil vom 16. April 1975 die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die Klägerin verfolge zwei selbständige Ansprüche, nämlich einmal den Anspruch des K. auf Anerkennung des Stecksplitters in der rechten Schulter bzw. der nach der operativen Entfernung des Stecksplitters verbliebenen Narben als Schädigungsfolgen, zum anderen ihren eigenen Ersatzanspruch nach § 19 BVG. Bei dem – abgeleiteten – Anspruch des K. ergebe sich die Zulässigkeit der Berufung aus § 150 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil das erstinstanzliche Verfahren einen wesentlichen Mangel insofern aufweise, als das SG ein Prozeßurteil erlassen habe, obwohl eine Sachentscheidung. notwendig gewesen sei. Entgegen der Auffassung des SG habe nämlich die Klägerin in Fällen der vorliegenden Art ein eigenes Klagerecht. Der Anerkennungsbescheid gegenüber dem Beschädigten habe “Tatbestandswirkung” für den Ersatzanspruch der Krankenkasse nach § 19 BVG, weil dieser davon abhänge, von wann ab ein anerkanntes Schädigungsleiden vorliege. Die Berufung hinsichtlich des Ersatzanspruchs sei nach § 149 SGG zulässig, weil dieser den Beschwerdewert von 500 DM übersteige. Das SG habe aber im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen, weil der von der Klägerin beanstandete Bescheid des Beklagten gemäß § 77 SGG und § 24 Abs. 1 VerwVG bindend geworden sei. Die Klägerin habe nämlich den gebotenen Widerspruch nicht innerhalb der Widerspruchsfrist eingelegt. Ein Vorverfahren sei hier nicht deshalb unnötig, weil sich die Klägerin und der Beklagte als gleichgeordnete Hoheitsträger gegenüberstünden. Auch § 81 Nr. 3 SGG führe nicht dazu, daß ein Vorverfahren entfalle. Wenn für den Rechtsinhaber ein Vorverfahren vorgeschrieben sei, so müsse das auch für den Prozeßstandschafter gelten. Das sonach notwendige Widerspruchsverfahren sei von der Klägerin nicht rechtzeitig eingeleitet worden. Die dem Bescheid des Beklagten beigefügte Rechtsmittelbelehrung sei zutreffend gewesen, so daß die Widerspruchsfrist auch nicht nach § 66 Abs. 2 SGG auf ein Jahr verlängert worden sei. Der Ersatzanspruch der Krankenkasse sei von dem Anspruch des Beschädigten auf Heilbehandlung abhängig. Habe die Versorgungsverwaltung über einen Heilbehandlungsanspruch des Beschädigten bindend entschieden, dann müsse die Krankenkasse die bindende Regelung in vollem Umfang wegen deren Tatbestandswirkung gegen sich gelten lassen. Da K. einen Anspruch auf Heilbehandlung erst nach Abschluß der Behandlung durch die Klägerin erworben habe, sei deren Ersatzanspruch unbegründet.

Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Klägerin hat gegen das ihr am 28. Mai 1975 zugestellte Urteil Revision eingelegt.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Beklagten

  • unter Abänderung des Bescheides vom 18. Juni 1971 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1975 zu verurteilen, dem Beschädigten schon ab 1. Mai 1970 die Schädigungsfolgen anzuerkennen und für die Zeit vom 25. Mai 1970 bis 30. Mai 1970 Heilbehandlung zu gewähren;
  • dem Grunde nach zu verurteilen, der Revisionsklägerin für die von ihr für die Zeit vom 25. Mai 1970 bis 30. Mai 1970 erbrachten Leistungen Ersatz zu leisten.

In der Begründung führt sie u.a. aus, ein Vorverfahren sei gemäß § 81 Nr. 3 SGG aF nicht erforderlich gewesen. Diese Regelung sei auch in § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG in der ab 1. Januar 1975 geltenden Fassung (SGG nF) aufgenommen und dadurch bekräftigt worden. Gegen die Durchführung eines Vorverfahrens spreche auch der Umstand, daß die Revisionsklägerin nicht der Hoheitsgewalt des Beklagten unterstehe. Selbst wenn ein Widerspruchsverfahren habe durchgeführt werden müssen, so habe die Widerspruchsfrist nicht automatisch einen Monat betragen, weil die Verwaltungsbehörde nicht eine für den Krankenversicherungsträger verbindliche Rechtsbehelfsfrist setzen könne. Auch wenn in Verfolgung eigener Rechte der Krankenkasse Ansprüche den Kriegsbeschädigten mitverfolgt werden müßten, sei diese nicht an die Widerspruchsfrist von einem Monat gebunden. In sinngemäßer Anwendung des § 66 Abs. 2 SGG könne hier höchstens die Jahresfrist maßgebend sein; diese Frist sei gewahrt. In der Sache selbst habe das LSG keine Entscheidung getroffen. Es müsse hier aber den Urteilen BSGE 34, 289 und BSG 35, 60 gefolgt werden. K. sei im Zeitpunkt der Beantragung der Krankenhilfeleistungen im Mai 1970 Berechtigter im Sinne des § 18a Abs. 1 BVG gewesen. Sein Antrag auf Krankenhilfeleistungen gelte daher zugleich als Antrag auf die entsprechenden Leistungen nach dem BVG.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

In ihren Revisionserwiderungen gehen sie davon aus, daß das Urteil des LSG zutreffend ist.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil sie vom LSG zugelassen (§ 160 Abs. 1 SGG nF) und von der Klägerin frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 164, 166 SGG). Sie ist jedoch unbegründet; das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin zwei selbständige Ansprüche gegen den Beklagten verfolgt, nämlich einmal den von K. abgeleiteten Anspruch auf Vorverlegung des Beginns der Heilbehandlung, zum anderen ihren eigenen, auf § 19 BVG gestützten Ersatzanspruch. Es hat auch zutreffend die Berufung für jeden dieser Ansprüche als zulässig angesehen. Das folgt für den ersten Anspruch aus § 150 Nr. 2 SGG, weil das SG die Klage nicht mit der von ihm gegebenen Begründung als unzulässig abweisen durfte. Entgegen der Auffassung des SG ist die Prozeßführungsbefugnis der Klägerin insoweit zu bejahen, Wie das BSG bereits wiederholt entschieden hat (vgl. Urteile vom 12. Oktober und 14. November 1972, BSGE 34, 289 und 35, 60), ist der Beginn des Heilbehandlungsanspruchs des Beschädigten auch für den Ersatzanspruch einer Krankenkasse maßgebend, weil nach § 19 BVG Ersatz nur für “anerkannte Schädigungsfolgen” begehrt werden kann. Um sich gegen diese “Tatbestandswirkung” und die darin liegende Beeinträchtigung ihrer Rechtsposition wehren zu können, muß der Krankenkasse ein selbständiges gerichtliches Abwehrrecht zustehen, durch das sie den Eintritt der Bindungswirkung ihr gegenüber verhindern kann. Über den mit dem ersten Klageanspruch eng zusammenhängenden Erstattungsanspruch hätte das SG in jedem Falle sachlich entscheiden müssen. Die Berufung ist insoweit nach § 149 SGG zulässig, weil der Beschwerdewert 500 DM übersteigt.

Entgegen der Auffassung des LSG war die Durchführung eines Vorverfahrens, soweit die Klägerin den dem K. erteilten Bescheid vom 18. Juni 1971 angreifen wollte, nicht erforderlich. Allerdings folgt dies noch nicht aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des erkennenden Senats vom 21. Mai 1974 – 10 RV 451/73 –. Dort war über eine reine Erstattungsstreitigkeit zu entscheiden, deren Erfolg nicht davon abhing, daß zuvor ein Verwaltungsakt des Beklagten abgeändert wurde. Maßgebend ist vielmehr § 81 Nr. 3 SGG aF, wonach ein Vorverfahren nicht stattfindet, wenn ein Versicherungsträger oder ein Land klagen will. Dieser Vorschrift ist eine Einschränkung, wie sie das LSG für Fälle der vorliegenden Art – Klage aus abgeleitetem Recht im Wege der Prozeßstandschaft – annehmen will, nicht zu entnehmen. Der 3. Senat des BSG hat zwar in seinem in BSGE 25, 66 veröffentlichten Urteil ausgeführt, daß das Vorverfahren nicht entfallen könne, wenn eine ersatzberechtigte Gemeinde als Sozialhilfeträger die Rechte eines Versicherten auf die ihm zustehende Versicherungsleistung betreibt, weil dieser Anspruch seine alleinige Grundlage in dem Versicherungsverhältnis habe. Durch das Recht des Sozialhilfeträgers, die Feststellung der Leistung im eigenen Namen zu betreiben, werde die Rechtsnatur des Klageanspruchs nicht verändert. Dieser Fall war jedoch dadurch gekennzeichnet, daß eine Gemeinde als Kläger auftrat; die Voraussetzungen des § 81 Nr. 3 SGG (Land oder Versicherungsträger als Kläger) waren also ohnehin nicht gegeben. In einem neueren Urteil vom 24. Mai 1973 (SozR SGG § 81 Nr. 2) hat der 3. Senat des BSG entschieden, daß es für § 81 Nr. 3 SGG ohne Belang ist, ob der Anspruchsberechtigte aus ursprünglich eigenem Recht oder aus abgeleitetem Recht klagt, und daß ein von dem ursprünglich Berechtigten eingeleitetes Vorverfahren gegenstandslos wird, wenn das Land oder der Versicherungsträger den die Klage zugrunde liegenden Anspruch erst während des Vorverfahrens erworben hat. Diese verfahrensrechtliche Sonderstellung bestimmter Kläger ergebe sich aus ihrer besonderen fachlichen Qualifikation; die “Filterfunktion” des Vorverfahrens sei daher entbehrlich und würde nur eine unnötige Verzögerung bedeuten. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Er sieht eine Bestätigung in der Neuregelung, die das Vorverfahren mit Wirkung ab 1. Januar 1975 durch das Gesetz zur Änderung des SGG vom 30. Juli 1974 (BGBl I S. 1625) erfahren hat. Das Vorverfahren ist zwar auf sämtliche Rechtsgebiete ausgedehnt worden; die bisherige Regelung des § 81 Nr. 3 SGG ist jedoch ausdrücklich beibehalten worden (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG nF). Außerdem aber ist das bisher für den Versorgungsberechtigten obligatorische Vorverfahren dahin modifiziert worden, daß die Anfechtungsklage unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Vorverfahren zulässig ist. Entspricht es aber dem Willen des Gesetzgebers, daß nunmehr der Betroffene nach seiner Wahl ein Vorverfahren einleiten oder sogleich Klage erheben kann, dann erscheint es auch unter dem früheren Rechtszustand wenig sinnvoll, die prozessuale Sonderstellung von Ländern und Versicherungsträgern entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut (§ 81 Nr. 3 SGG aF) einzuschränken oder in bestimmten Fällen zu beseitigen. Die Klägerin war also nicht gehalten, daß die Widerspruchsfrist von der Klägerin nicht versäumt worden ist, denn bei einem nicht notwendigen Widerspruchsverfahren kann auch keine diesbezügliche Frist versäumt werden.

Gleichwohl ist der Bescheid des Beklagten aus einem anderen Grunde bindend geworden. Die Klägerin hat nämlich die von ihr einzuhaltende Klagefrist (§ 87 Abs. 1 SGG) versäumt. Die Auffassung der Klägerin, da der Beklagte das zwischen ihnen bestehende Rechtsverhältnis nicht einseitig durch Verwaltungsakt regeln könne, sei auch die von ihm gesetzte Frist unmaßgeblich, beruht auf einer Verkennung der Rechtslage; der Beklagte hat gegenüber der Klägerin keine Frist “gesetzt”. Der Bescheid (§ 22 VerwVG) vom 18. Juni 1971 ist an den Beschädigten K. abgesandt worden. Eine zweite Ausfertigung dieses Bescheides ist am gleichen Tage der Klägerin, die auf ihren Antrag zu dem Verfahren zugezogen worden war (§ 11 VerwVG), übersandt worden. Damit ist dieser Bescheid sowohl dem K. als auch der Klägerin “bekanntgegeben” worden (§ 27 Abs. 1 und 2 VerwVG); eine besondere Zustellung war nicht erforderlich. Durch die Bekanntgabe ist die Klagefrist von einem Monat (§ 87 Abs. 1 SGG) in Lauf gesetzt worden (vgl. Peters/Sautter/Wolff, SGG § 87 Anm. 1). Diese Fristsetzung betraf zwar unmittelbar nur den Beschädigten K. Der Klägerin als rechtskundiger Stelle war jedoch bekannt, daß dieser Bescheid auch Einfluß auf ihre Beziehungen zum Beklagten haben konnte. Wenn die Klägerin diesen Bescheid anstelle des K. angreifen wollte (Prozeßstandschaft, vgl. BSGE 34, 289), so trat sie damit nicht nur in die materiell-rechtliche Stellung des K., sondern auch in seine prozessuale Stellung – mit der Besonderheit des § 81 Nr. 3 SGG aF – ein. Sie mußte daher Klage erheben, bevor der ablehnende Bescheid bindend geworden war (vgl. BSG SozR SGG § 54 Nr. 81), d.h. bevor die dem K. gesetzte Klagefrist abgelaufen war. Darauf hat auch der 3. Senat des BSG in seinem Urteil vom 24. Mai 1973 (SozR SGG § 81 Nr. 2) hingewiesen. Überdies hat die Klägerin die Klagefrist in dem dem Urteil BSGE 34, 289 zugrunde liegenden Fall beachtet und ist offenbar auch im vorliegenden Verfahren zunächst davon ausgegangen, daß die “Rechtsmittelfrist” von ihr eingehalten werden muß (vgl. Schreiben der Klägerin vom 2.12.1970).

Die Klagefrist ist hier nicht, wie die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung meint, in sinngemäßer Anwendung des § 66 Abs. 2 SGG auf ein Jahr verlängert worden. Der an K. gerichtete Bescheid vom 18. Juni 1971 enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung; diese entsprach dem Gesetz (vgl. § 66 SGG; § 23 VerwVG). Ebenso war die an die Klägerin übersandte Ausfertigung mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Wenn die Klägerin daraus den – zutreffenden – Schluß zog, daß für sie als Versicherungsträger nicht der Widerspruch, sondern sogleich die Klageerhebung in Betracht kam, so wurde die dem K. erteilte Rechtsbehelfsbelehrung dadurch nicht unrichtig. Eine besondere, an die Klägerin gerichtete Rechtsbehelfsbelehrung war schon deshalb nicht erforderlich, weil die Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 VerwVG von dem “Ausgang des Verfahrens” in Kenntnis zu setzen war und insoweit keine eigenen, sondern nur abgeleitete Rechte (des K.) geltend machen konnte. – Der vom BSG am 29. Mai 1962 (vgl. BSGE 17, 89, 95) entschiedene Rechtsstreit betraf einen anders gelagerten Fall; dort griff der angefochtene Honorarbescheid “unmittelbar” (und belastend) in die Rechte der beteiligten Ersatzkassen ein. – Schließlich konnten der Klägerin auch keine Nachteile entstehen, wenn sie sich an die Rechtsbehelfsbelehrung in dem an K. gerichteten Bescheid gehalten hätte, weil der Widerspruch die Klageerhebung einschließt, so daß die Klagefrist – bei rechtzeitiger Einlegung des Widerspruchs – ohnehin gewahrt wäre (vgl. BSG SozR SGG § 81 Nr. 2). Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BSG vom 2. Februar 1971 – 8 RV 617/69 – ist gleichfalls nicht einschlägig, weil die Klägerin damals weder zum Verwaltungsverfahren hinzugezogen noch ihr der dem Beschädigten erteilte Bescheid bekanntgegeben worden war.

Der Klägerin ist auch keine neue Anfechtungsmöglichkeit dadurch eröffnet worden, daß der Beklagte während des Berufungsverfahrens den Widerspruchsbescheid vom 18. März 1975 erlassen hat. Abgesehen davon, daß ein Vorverfahren nicht stattzufinden hatte (vgl. § 81 Nr. 3 SGG aF), hat der Beklagte in diesem Bescheid lediglich zum Ausdruck gebracht, daß die Widerspruchsfrist von einem Monat (§ 84 Abs. 1 SGG) versäumt ist.

Nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist eine Ausfertigung des dem Beschädigten erteilten Bescheides am 22. Juni 1971 auch an die Klägerin abgesandt worden. Erfolgt die Bekanntgabe eines Bescheides oder anderen Verwaltungsaktes durch einfachen Brief, so gilt sie mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bewirkt (§ 27 Abs. 2 VerwVG). Für die Klägerin lief die Klagefrist daher spätestens am 26. Juli 1971 ab (vgl. § 64 Abs. 2 und 3 SGG). Die Klageschrift ist Jedoch erst am 16. September 1971, also verspätet, beim SG eingegangen. Der Bescheid, in dem der Beginn des Anspruchs auf Heilbehandlung auf den 1. Juli 1970 festgelegt worden war, ist daher gemäß § 77 SGG, § 24 VerwVG bindend geworden (vgl. auch BSGE 15, 118). Die Klägerin kann nicht (mehr) verlangen, daß K. Heilbehandlung schon vom 1. Mai 1970 an zuerkannt werden soll.

Der Ersatzanspruch der Klägerin ist vom LSG zutreffend als unbegründet angesehen worden. Die Klägerin war zwar insoweit berechtigt, unmittelbar und ohne Einhaltung einer Frist – mit Ausnahme der Verjährungsfrist (§ 21 Abs. 2 BVG) – Klage zu erheben (§ 54 Abs. 5 SGG). Ein Verwaltungsakt des Beklagten hatte nicht zu ergehen, weil die Klägerin insoweit keinen abgeleiteten, sondern einen eigenen Anspruch geltend macht und sich die Beteiligten dabei als gleichgeordnete Rechtsträger des öffentlichen Rechts gegenüberstanden (vgl. Peters/Sautter/Wolff, SGG § 54 Anm. 6 c, S. 185/13-2/2). Der Ersatzanspruch der Krankenkasse ist jedoch von dem Anspruch des Beschädigten auf Heilbehandlung abhängig.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 BVG wird Ersatz nur gewährt, wenn die Aufwendungen durch die Behandlung anerkannter Schädigungsfolgen entstanden sind. Daher können nur die Kosten ersetzt werden, die in der Zeit entstanden sind, für die dem Beschädigten Heilbehandlung (bereits) zuerkannt worden war (vgl. BSGE 34, 289; 35, 60; Urteile BSG vom 23. Juli 1969 – 10 RV 282/67 –, vom 9. Oktober 1969 – 10 RV 231/68 – und vom 2. Februar 1971 – 8 RV 617/69 –). Insoweit liegt eine ständige Rechtsprechung der KO-Senate des BSG vor. Auf die Urteile BSGE 34, 289 und 35, 60 kann sich die Klägerin nicht stützen, weil es im Falle des K. an der Identität zwischen den nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften anerkannten Gesundheitsstörungen und den jetzt nach dem BVG anerkannten Schädigungsfolgen, die Anlaß zu der von der Klägerin durchgeführten Heilbehandlung gegeben hatten, fehlt. Jedenfalls hat dazu das LSG nichts festgestellt und die Klägerin auch nichts vorgetragen. Eine weitere Sachaufklärung in dieser Richtung erübrigt sich auch deshalb, weil der Beschädigte das schadenstiftende Ereignis, nämlich die Bombensplitterverletzung vom 13. Juni 1944, in seinem damaligen Versorgungsantrag vom 21. Februar 1946 überhaupt nicht erwähnt hatte. Der Klägerin steht daher ein Ersatz für die in der Zeit vom 25. bis 30. Mai 1970 – also vor der am 1. Juli 1970 wirksam gewordenen Anerkennung der Schädigungsfolgen – erbrachten Aufwendungen nicht zu.

Nach § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG ist ihre Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Unterschriften

Sonnenberg, Dr. Volkmann, Dr. Burdenski

 

Fundstellen

Dokument-Index HI781795

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