Darstellung der wesentlichen Neuerungen gegenüber dem BMF-Schreiben v. 6.10.2017

[Ohne Titel]

Dr. Matthias Gehm[*]

Aufgrund des Jahressteuergesetzes 2022 (JStG 2022; BGBl. I 2022, 2294 = BStBl. I 2023, 7 = EStB 2022, 442 [Günther]) hat der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.1.2023 die steuerliche Geltendmachung des häuslichen Arbeitszimmers grundlegend neu geordnet, wobei die als Reaktion auf die Corona-Pandemie durch das JStG 2020 v. 21.12.2020 (BGBl. I 2020, 3096) geschaffene Homeoffice-Pauschale des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 4 EStG in die Tagespauschale des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c EStG überführt wurde. Die Regelung zum Homeoffice ist nunmehr zweigeteilt: nämlich einerseits das klassische häusliche Arbeitszimmer in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG und andererseits steht für Steuerpflichtige, die aufgrund räumlicher Beschränkung nicht ihre Aufwendungen nach dieser Regelung zum Abzug bringen können, zumindest der Weg der Pauschalierung nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c EStG offen. Das BMF hat mit Schreiben v. 15.8.2023 (BMF v. 15.8.2023 – IV C 6 - S 2145/19/10006 :027 – DOK 2023/0007603, BStBl. I 2023, 1551 = EStB 2023, 348 [Apitz]) zu der aktuellen Rechtslage ausführlich Stellung genommen. Die wesentlichen Neuerungen gegenüber dem BMF-Schreiben v. 6.10.2017 (BMF v. 6.10.2017 – IV C 6 - S 2145/07/10002 :019 – DOK 2017/0224975, BStBl. I 2017, 1320 = EStB 2017, 434 [Günther]) zum häuslichen Arbeitszimmer sollen hier vorgestellt werden.

[*] Der Autor ist Lehrbeauftragter für Steuer- und Steuerstrafrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Er kann auf eine langjährige Tätigkeit als Jurist in der Finanzverwaltung zurückblicken.

I. Einleitung

1. Kontinuität in Begrifflichkeiten und Grundkonzeption

Noch vor Rz. 1 des BMF-Schreibens v. 15.8.2023 wird darauf hingewiesen, dass die Begrifflichkeiten

  • des häuslichen Arbeitszimmers sowie
  • des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung

unverändert geblieben sind[1].

Arbeitsecke: Insofern sind – wie bisher – bloße Arbeitsecken kein häusliches Arbeitszimmer mit der Folge, dass hierauf entfallende Aufwendungen nicht nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b bzw. § 9 Abs. 5 S. 1 EStG abgezogen werden können. Beachten Sie: Wohl kommt aber die Tagespauschale nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c EStG ggf. zur Anwendung (BMF-Schreiben v. 15.8.2023, Rz. 4).

Mittelpunkts-Fall = auch möglich, wenn anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht: Der Mittelpunkts-Fall erfordert nicht, dass kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht[2]. Dabei wurde für die bis 31.12.2022 geltende Rechtslage teilweise vertreten, dass man von der Prüfungsreihenfolge her erst zu den Mittelpunkts-Fällen gelangt, wenn zuvor verneint wurde, dass ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht[3]. Die Finanzverwaltung sah dies jedoch für die bis 31.12.2022 geltende Rechtslage anders, so dass ein Mittelpunkts-Fall auch vorliegen konnte, wenn ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht[4]. Damit ist auch insoweit Kontinuität gewahrt.

Des Weiteren gilt der Grundsatz unverändert fort, dass Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht abziehbar sind (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG)[5].

[1] Vgl. auch Müller, EStB 2023, 113; Gehm, SIS Steuerberater-Brief 2023/2, 1.
[2] Seifert, StuB 2023, 74(75); Hörster, NWB 2023, 86 (88).
[3] Schäfer, StuB 2020, 417.
[4] BMF v. 6.10.2017 – IV C 6 - S 2145/07/10002 :019 – DOK 2017/0224975, BStBl. I 2017, 1320 Rz. 1 = EStB 2017, 434 (Günther).
[5] BMF v. 15.8.2023 – IV C 6 - S 2145/19/10006 :027 – DOK 2023/0007603, BStBl. I 2023, 1551 Rz. 1 = EStB 2023, 348 (Apitz); Müller, EStB 2023, 113.

2. BMF = Großzügigeres Vorgehen bei Freiberuflerpraxen

Was die Begrifflichkeit des "häuslichen Arbeitszimmers" anbelangt, so verfährt aber nunmehr die Verwaltung großzügiger bei Praxen von Freiberuflern (Ärzten, Steuerberatern und Rechtsanwälten etc.).

Offensichtliche Widmung für den Publikumsverkehr: So wird das Kriterium der offensichtlichen Widmung für den Publikumsverkehr, das die Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG aushebelt, nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Patienten/Mandanten, um in die Praxis zu gelangen, einen dem privaten Bereich des Steuerpflichtigen zuzuordnenden Flur passieren müssen (BMF-Schreiben v. 15.8.2023, Rz. 6 unter b) erstes Beispiel).

Durchqueren der privaten Wohnfläche: Dies hängt damit zusammen, dass der BFH zwischenzeitlich entschieden hatte, dass bei einem in die häusliche Sphäre eingebundenen Raum, der als ärztliche Notfallpraxis genutzt und entsprechend eingerichtet ist sowie nachhaltig zur Behandlung von Patienten genutzt wird, aufgrund seiner Einrichtung und tatsächlichen Nutzung eine private (Mit-)Nutzung praktisch auszuschließen sei. Allein der Umstand, dass die Patienten den Behandlungsraum nur über einen dem privaten Bereich zuzuordnenden Flur erreichen können, begründe kein häusliches Arbeitszimmer[6]. Beachten Sie: Zuvor vertrat der BFH noch die Auffassung, dass es schädlich sei, wenn die private Wohnfläche durchquert werden müsse[7].

Beraterhinweis Freiberuflerpraxen werden regelmäßig nicht mehr den Abzugsbeschränkungen des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG unterfallen.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge