Eine Kurzanalyse zum BMF-Schr. v. 1.10.2021

[Ohne Titel]

StB Rainald Vobbe / Mag. iur. Timm Stelzer[*]

[*] Rainald Vobbe, Dipl.-Finw., StB/FB Zölle u VerbrSt, und Timm Stelzer, Mag. iur., Dipl.-Finw., beide Flick Gocke Schaumburg, Bonn.

1. Abmahnungen auf gesamtem Gebiet des geistigen Eigentums umsatzsteuerpflichtig

Das BMF-Schr. v. 1.10.2021[1] zur Umsatzsteuerpflicht von Abmahnungen wurde lange erwartet und beinhaltet keine großen Überraschungen. Mit ihm bestätigt die Finanzverwaltung die gefestigte Rechtsprechungslinie des BFH zur Umsatzsteuerpflicht von Abmahnungen, die ihren Ausgang in der Entscheidung vom 16.1.2003[2] zur lauterkeitsrechtlichen Abmahnung eines sog. Abmahnvereins nahm. Später übertrug der BFH diese Rechtsprechung mit Urteil vom 21.12.2016[3] auf lauterkeitsrechtliche Abmahnungen eines Mitbewerbers und mit Urteil vom 13.2.2019[4] auf urheberrechtliche Abmahnungen.

In einem Hinweisbeschluss vom 21.1.2021[5] bestätigte der BGH die Rechtsprechung des BFH nicht nur für die kennzeichenrechtliche Abmahnung im Entscheidungsfall, sondern für sämtliche gewerblichen Schutzrechte. Heute sind sich BFH, BGH und BMF also einig: Abmahnungen auf dem gesamten Gebiet des geistigen Eigentums (v.a. UrhG, PatG, GebrMG, MarkenG) und des Lauterkeitsrechts (UWG) unterliegen der Umsatzsteuer. Der BFH und in der Folge nun auch die Finanzverwaltung gehen davon aus, dass dem Abgemahnten durch die Abmahnung ein Vorteil gegen Entgelt eingeräumt werde, indem der Abmahnende diesem eine kostengünstige Gelegenheit zur außergerichtlichen Streitbeilegung biete (Leistung) und seine hierfür erforderlichen Aufwendungen ersetzt verlangen könne (Gegenleistung).

2. Die Kernaussagen des BMF-Schreibens

Ergänzung des UStAE: Nachdem bislang nur das Urteil des BFH v. 16.1.2003 im BStBl. II veröffentlicht wurde, werden nunmehr auch die Urteile des BFH v. 21.12.2016 sowie vom 13.2.2019 folgen und verwaltungsseitig für verbindlich erklärt. Das BMF-Schreiben, das nun Abschn. 1.3 UStAE um einen neuen Abs. 16a und Abschn. 13.1 UStAE um einen neuen Abs. 7 ergänzt, lässt sich dabei auf folgende Kernaussagen reduzieren:

  • Die Leistung besteht darin, dass dem Abgemahnten sein Rechtsverstoß zur Kenntnis gebracht und er somit in die Lage versetzt wird, den Unterlassungsanspruch des Abmahnenden mittels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung außergerichtlich zu erfüllen. Dadurch kann er eine gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise vermeiden.
  • Das Entgelt der "Leistung durch Abmahnung" bilden die Abmahnkosten. Die Abmahnkosten sind zu trennen von etwaigen Schadensersatzforderungen, die der abmahnende Unternehmer womöglich mit der Abmahnung geltend macht. Insoweit handelt es sich weiterhin um (echten) Schadensersatz, der nicht umsatzsteuerbar ist.

    • Der Umsatzsteuer unterliegen damit die für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen des Abmahnenden (z.B. Ermittlungskosten zur Identifizierung des Rechtsverletzers, Kosten für anwaltliche Beratungsleistungen).
    • Die geltend gemachten Zahlungsansprüche sind nach Aufwendungsersatz für die Abmahnung und übrigem Schadensersatz aufzuteilen. Unterbleibt die gebotene Aufteilung, ist der Gesamtbetrag als Aufwendungsersatz und damit als Entgelt der steuerbaren Abmahnleistung zu behandeln.
  • Leistungszeitpunkt: Maßgeblicher Leistungszeitpunkt ist der Zugang der Abmahnung. Aus Vereinfachungsgründen kann der abmahnende Unternehmer bei der Periodenzuordnung in den Voranmeldungen auf das Versanddatum der Abmahnung abstellen.

    • Soweit der Abgemahnte die Abmahnung bzw. die ihm vorgeworfene Rechtsverletzung substantiiert bestreitet, hat der Abnahmende den Umsatz zu korrigieren. Berichtigungszeitraum ist der Voranmeldungszeitraum, in dem der Abgemahnte die Rechtsverletzung bestreitet. Die Regelung zielt wohl auf die Uneinbringlichkeit bestrittener Forderungen ab (Abschn. 17.1 Abs. 5 S. 4 UStAE) und sorgt über § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 8 UStG für einen Gleichlauf der Berichtigungsfolgen.
  • Steuersatz: Die Abmahnung unterliegt dem allgemeinen Steuersatz i.H.v. 19 % (§ 12 Abs. 1 UStG). Demnach handelt es sich – soweit die Abmahnung einer Urheberrechtsverletzung in Rede steht – nicht um eine "Wahrnehmung" von Urheberrechten i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG.
  • Erteilt der abmahnende Unternehmer eine Rechnung über eine unberechtigte Abmahnung und weist Umsatzsteuer gesondert aus, führt dies zu einem unberechtigten Steuerausweis und er schuldet die ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 2 S. 1 UStG.
  • Nichtbeanstandungsregelung für Abmahnungen vor dem 1.11.2021: Bis dahin dürfen Unternehmer sowohl für die ausgangsseitige Umsatzsteuerschuld als auch für den eingangsseitigen Vorsteuerabzug von nicht steuerpflichtigem Entgelt (≈ "echtem" Schadensersatz) ausgehen.

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