2.1 Beschluss der Gläubigerversammlung

 

Rn 2

Voraussetzung für ein entsprechendes Tätigwerden des Insolvenzgerichts ist nach dem Gesetzeswortlaut das Vorliegen eines Beschlusses der Gläubigerversammlung. Hierfür ist zunächst auf § 76 und dort normierte Erfordernisse abzustellen. Da es jedoch im Übrigen an einem Anfechtungsverfahren gegen rechtswidrige bzw. unwirksame Beschlüsse fehlt, dürfte auch eine sonstige Willensäußerung der Gläubigerversammlung dem Beschlussbegriff des § 78 unterfallen, auch wenn er nicht die formalen Anforderungen des § 76 erfüllt. § 78 ist also Ausdruck eines allgemeinen Prinzips, dass bei Vorliegen der sonst noch erforderlichen Voraussetzungen alle Maßnahmen und Entschließungen im Rahmen der Gläubigerselbstverwaltung verhindert werden sollen, die für die Gesamtgläubigerschaft nicht interessengerecht und nützlich sind.[2]

 

Rn 3

Gleichgültig ist weiterhin, ob ein entsprechender Beschluss der Gläubigerversammlung konstitutive Wirkung hat oder noch der Ausführung durch ein anderes Verfahrensorgan (Insolvenzverwalter, Gläubigerausschuß) bedarf.[3] Zum einen stellt das Gesetz im Gegensatz zu § 99 KO nach seinemWortlaut nicht mehr auf die Untersagung der Ausführung eines Beschlusses ab, sondern spricht von dessen Aufhebung, zum anderen war schon für die KO anerkannt, dass über den Wortlaut der konkursrechtlichen Vorschrift hinaus vom Konkursgericht die Wirksamkeit auch solcher Beschlüsse beseitigt werden konnte, die keiner Ausführung mehr bedürfen.[4] Es ist also verfehlt, entgegen dem jetzigen Gesetzeswortlaut noch auf eine Ausführbarkeit eines Gläubigerversammlungsbeschlusses als Voraussetzung für dessen Aufhebung durch das Insolvenzgericht abzustellen.[5] Nicht Gegenstand eines gerichtlichen Aufhebungsverfahrens sind Beschlüsse des Gläubigerausschusses oder eines etwa im Verfahren informell gebildeten Gläubigerbeirats zur Unterstützung des Insolvenzverwalters. Hier bleibt dem Gericht lediglich die Möglichkeit, gemäß § 58 seine Aufsichtspflicht auszuüben und notfalls den Verwalter gemäß § 59 zu entlassen, wenn er gleichwohl verfahrenswidrige Beschlüsse dieser Gremien umsetzt.

[2] So die Formulierung bei Kuhn/Uhlenbruck, § 99 Rn. 1, obwohl dort ausschließlich auf wirksame Beschlüsse abgestellt wird; so wie hier auch Kilger/K. Schmidt, KO § 99 Anm. 1c.
[3] a.A. wohl Kübler/Prütting-Lüke, § 78 Rn. 4.
[4] Kilger/K. Schmidt, KO § 99 Anm. 1b; Kuhn/Uhlenbruck, § 99 Rn. 4 mit einer auch auf die Verhältnisse der InsO übertagbaren zutreffenden Begründung.
[5] So aber Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 6 Rn. 69, die mit ihrer Begründung einem Zirkelschluss unterliegen. Die dort herangezogene fehlende Zubilligung eines Vetorechts des Insolvenzgerichts beruht nicht darauf, dass der Gesetzgeber konstitutiv wirkende Beschlüsse von der Regelung ausnehmen wollte, sondern auf der gegenüber der KO abweichenden Fassung des § 78, die statt einer bloßen Untersagung der Beschlussumsetzung gleich die Aufhebung dieses Beschlusses durch das Insolvenzgericht vorsieht.

2.2 Widerspruch zu gemeinsamem Gläubigerinteresse

 

Rn 4

Der Beschluss muss des Weiteren nach seinem Inhalt dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widersprechen. Da dieser Begriff identisch schon in § 99 KO verwendet wurde, darf insoweit auf die bereits nach der KO hierzu entwickelten Kriterien verwiesen werden.[6] Danach ist das gemeinsame Gläubigerinteresse als das Interesse an der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zu definieren.[7] Dadurch soll vermieden werden, dass einzelne Großgläubiger, insbesondere die absonderungsberechtigten Gläubiger, ihre Sonderinteressen in der Gläubigerversammlung mit ihrer häufig gegebenen Stimmenmehrheit zu Lasten des Interesses der übrigen am Verfahren beteiligten Gläubiger durchsetzen können.[8] Dabei ist entgegen der ursprünglichen Fassung der Vorschrift nach dem RegE InsO nicht mehr darauf abzustellen, dass diese Beeinträchtigung der Gesamtgläubigerinteressen unangemessen sein muss und sämtliche Gläubiger erheblich schlechter stellt.[9] Ausreichend ist vielmehr eine feststellbare einfache Beeinträchtigung des gemeinsamen Interesses aus der Sicht und nach dem Kenntnisstand[10] aller Insolvenzgläubiger im Verfahren, um die Aufhebung eines zugrunde liegenden Beschlusses zu rechtfertigen. Allerdings sollte sich das Gericht bei der Prüfung dieser Voraussetzung immer bewusst sein, dass hier notwendige Rechtskontrolle und Gläubigerautonomie konkurrieren. Ist also eine Verfolgung bloßer Sonderinteressen nicht erkennbar oder haben alle Gläubiger eine vom Gericht als wirtschaftlich nachteilig erkannte Maßnahme beschlossen, ist für die Bejahung dieser Voraussetzung nach bloß objektiver Prüfung kein Raum, da wirtschaftliche Zweckmäßigkeitserwägungen des Insolvenzgerichts autonom getroffene Entscheidungen der Gläubigerselbstverwaltung nicht ersetzen dürfen. Unanwendbar ist § 78 ferner auf Beschlüsse der Gläubigerversammlung zur Neuwahl eines anderen Verwalters nach § 57[11] sowie zur Wahl eines anderen Ausschusses nach § 68 Abs. 1 Satz 2[12].

[6] Kuhn/Uhlenbruck, § 99 Rn. 2; Kilger/K. Schmidt, KO § 99 Anm. 1a; für d...

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