Gesetzestext

 

1Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Vertrag, der ein dingliches Recht an einem unbeweglichen Gegenstand oder ein Recht zur Nutzung eines unbeweglichen Gegenstandes betrifft, unterliegen dem Recht des Staats, in dem der Gegenstand belegen ist. 2Bei einem im Schiffsregister, Schiffsbauregister oder Register für Pfandrechte an Luftfahrzeugen eingetragenen Gegenstand ist das Recht des Staates maßgebend, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird.

1. § 336 Satz 1

1.1 Sachlicher Anwendungsbereich

 

Rn 1

Entsprechend der Regelung des Art. 11 EuInsVO (Art. 8 EuInsVO a. F.) enthält § 336 Satz 1 eine historisch gewachsene[1] Ausnahme von § 335 und der Anwendung der lex fori concursus und verweist direkt auf das Recht des Lageortes (lex rei sitae)[2]. Von § 336 und der lex rei sitae lässt sich durch Individualvereinbarung der Privatparteien keine Abweichung treffen, insoweit handelt es sich um nicht dispositives Recht.[3]

 

Rn 2

Gemäß § 336 Satz 1 gilt die lex rei sitae bei Verträgen, die ein dingliches Recht an einem unbeweglichen Gegenstand oder ein Recht zur Nutzung eines unbeweglichen Gegenstandes betreffen. Die lex rei sitae regelt auch, ob z. B. ein Wahlrecht bei gegenseitigen Verträgen besteht.

 

Rn 3

§ 336 erfasst im Gegensatz zu § 380 RegE[4] in Übereinstimmung mit Art. 11 EuInsVO (Art. 8 EuInsVO a. F.) auch Kaufverträge über unbewegliche Gegenstände und allgemein alle Verträge über dingliche Rechte an unbeweglichen Gegenständen.[5] Bei § 336 handelt sich um eine allseitige Kollisionsnorm.[6] Die Bestimmung wirkt sowohl für ein eröffnetes ausländisches Hauptinsolvenzverfahren, das seine Wirkungen auf Deutschland erstreckt, als auch umgekehrt für ein eröffnetes inländisches Insolvenzverfahren mit Wirkungen im Ausland.

 

Rn 4

Unter die Regelung des § 336 Satz 1 fallen also beispielsweise Miet-, Pacht-, Leasing-, Erbbaurechts-, Kauf- und Schenkungsverträge.

 

Rn 5

Durch die Sonderregelung für Miet- und Pachtverträge soll dem sozialen Schutz der Mieter und Pächter Rechnung getragen werden.[7] Es treten die Rechtsfolgen ein, als wäre die Insolvenz am Belegenheitsort eröffnet worden.[8]

 

Rn 6

Eine Differenzierung bei den Mietverträgen danach, ob es sich um einen Mietvertrag über Wohnraum oder um einen gewerblichen Mietvertrag handelt, wird nicht vorgenommen.[9]

 

Rn 7

Es kommt für die Anwendbarkeit des § 336 nicht darauf an, ob der Schuldner Eigentümer des unbeweglichen Gegenstandes ist.[10] § 336 findet sowohl in der Insolvenz des Eigentümers als auch in der Insolvenz des Nutzungsberechtigten Anwendung.[11]

 

Rn 8

Weil dingliche Rechte über unbewegliche Gegenstände wesentlich von der lex rei sitae geprägt werden, hielt es der Gesetzgeber für erforderlich, dass sich die Auswirkungen eines ausländischen Hauptinsolvenzverfahrens auf einen inländischen Grundstückskaufvertrag nach deutschem Recht richten. § 336 Satz 1 greift hier sowohl bei der Käufer- als auch bei der Verkäuferinsolvenz.[12]

 

Rn 9

Obwohl bei Verträgen über unbewegliche Gegenstände die lex rei sitae Anwendung findet, ist davon auszugehen, dass das Anfechtungsrecht (welches sich nach der lex fori concursus richtet, § 335[13]) nicht von dem Recht des Belegenheitsstaates überlagert wird.[14]

[1] Hanisch, ZIP 1992, 1125 (1129), ders., FS Merz, S. 159 (166).
[2] Eine Verweisung auf Art. 27 EGBGB hätte nach Ansicht des Gesetzgebers dann zu Schwierigkeiten geführt, wenn im Wege der freien Rechtswahl ein anderes Recht als das des Belegenheitsortes vereinbart worden wäre (BegrRegE, BT-Drs. 15/16, S. 18).
[3] Kritisch Braun-Tashiro, § 336 Rn. 3 f., die Norm stellt einen "erheblichen Eingriff in die Vertragsfreiheit" dar.
[4] § 380 RegE (BT-Drs. 12/2443, S. 68) sah nur eine Sonderregelung für Miet- und Pachtverhältnisse vor.
[5] BegrRegE, BT-Drs. 15/16, S. 18, kritisch zu dem weiten Anwendungsbereich Braun-Tashiro, § 336 Rn. 1.
[6] Kübler/Prütting/Bork-Paulus, § 336 Rn. 3; Uhlenbruck-Lüer, § 336 Rn. 1.
[7] BegrRegE, BT-Drs. 15/16, S. 18.
[8] Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, EuInsVO, Art. 8 Rn. 7; Pannen-Riedemann, Art. 8 Rn. 2.
[9] Kritisch Liersch, NZI 2003, 302 (304).
[10] HK-Swierczok, § 336 Rn. 6 ff.; Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, EuInsVO, Art. 8 Rn. 2; Pannen-Riedemann, Art. 8 Rn. 4; Mankowski/Müller/J. Schmidt-Mankowski, Art. 11 Rn. 13 f.
[11] Pannen-Riedemann, Art. 8 Rn. 4.
[12] Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, EuInsVO, Art. 8 Rn. 2.
[14] So auch zur EuInsVO Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Art. 8 Rn. 10.

1.2 Zeitlicher Anwendungsbereich

 

Rn 10

§ 336 Satz 1 findet nur auf Verträge Anwendung, die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits abgeschlossen waren.[15] Schließt der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verträge über unbewegliche Gegenstände, so sind diese von der Ausnahmenorm des § 336 nicht erfasst.

 

Rn 11

Ob ein Vertrag zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits geschlossen war, bestimmt sich als Vorfrage nach dem Recht des Staates, das auf Grundlage der allgemeinen kollisionsrechtlichen Vorschriften zu ermitteln ist (vgl. Art. 8 Rom I-VO).[16] Problematisch ...

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