Gesetzestext

 

Die Vorschriften über die Erfüllung der Rechtsgeschäfte und die Mitwirkung des Betriebsrats (§§ 103 bis 128) gelten mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Insolvenzverwalters der Schuldner tritt. Der Schuldner soll seine Rechte nach diesen Vorschriften im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben. Die Rechte nach den §§ 120, 122 und 126 kann er wirksam nur mit Zustimmung des Sachwalters ausüben.

1. Bisherige gesetzliche Regelung

 

Rn 1

Die Vorschrift wurde bei Neuschaffung der Insolvenzordnung mit Gesetz vom 5.10.1994 (BGBl. I S. 2866) eingeführt und gilt seitdem unverändert. §§ 50 ff. VglO enthielten vom Konkursverfahren abweichende Regeln.

2. Anwendungsbereich

 

Rn 2

Satz 1 ordnet an, dass für die Ausübung der Rechte aus §§ 103 bis 128 nicht der Sachwalter, sondern der Schuldner zuständig ist. En passant wird dadurch klargestellt, dass im Verfahren der Eigenverwaltung diese Vorschriften überhaupt und ohne inhaltliche Einschränkung Anwendung finden. So ergibt sich ein für Sanierungszwecke interessanter Ansatz, weil sich der Schuldner auf diese Weise in geeigneten Fällen von Verträgen lösen kann, die er selbst geschlossen hat. Zu beachten ist auch, dass bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach §§ 115 f. Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge erlöschen, obwohl der Schuldner – jedenfalls gefühlt – ohne Unterbrechung mit der Führung seiner Geschäfte betraut ist.

3. Beschränkung des Schuldners

 

Rn 3

Satz 2 bestimmt wegen der großen Bedeutung der betroffenen Rechte, dass sie der Schuldner im Einvernehmen mit dem Sachwalter ausüben soll. Das heißt, dass vor Ausübung der Rechte eine Abstimmung zwischen dem Schuldner und dem Sachwalter stattfinden muss. Im eigenen Interesse sollte der Schuldner darauf achten, dass das Einvernehmen auch dokumentiert wird. Der Schuldner hat die Ausübung der Rechte am Ziel des Insolvenzverfahrens gemäß § 1 zu orientieren und damit an der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung auszurichten. Genau das muss vom Sachwalter überwacht werden.

 

Rn 4

In Satz 3 ist zusätzlich und ohne, dass es einer gerichtlichen Anordnung bedarf, ein gesetzlicher Zustimmungsvorbehalt angeordnet, wenn der Schuldner gemäß § 120 Betriebsvereinbarungen kündigen, nach § 122 eine gerichtliche Zustimmung zur Durchführung einer Betriebsänderung einholen oder nach § 126 ein Beschlussverfahren zur Kündigung bestimmter Arbeitnehmer beantragen will. Eine öffentliche Bekanntmachung dieses Zustimmungsvorbehaltes ist nicht vorgesehen, da er sich bereits aus dem Gesetz ergibt.

4. Bedeutung

 

Rn 5

Ob ein Insolvenzverwalter bestellt oder ob Eigenverwaltung angeordnet wird, führt für den Bereich der §§ 103 bis 128 nicht zu einem Unterschied. Es sind stets die gleichen materiell-rechtlichen Regelungen anwendbar,[1] so dass nicht wegen unterschiedlicher Gestaltungsmöglichkeiten das eine oder das andere Verfahren bevorzugt wird.

 

Rn 6

Im Außenverhältnis hat ein Verstoß gegen die Vorschrift des Satz 2 nicht die Unwirksamkeit der Rechtshandlung des Schuldners zur Folge.[2] Lediglich wenn der Schuldner und der Vertragspartner kollusiv zusammen wirken, kann eine ohne Einvernehmen vorgenommene Handlung des Schuldners nach den allgemeinen Vorschriften unwirksam sein.[3] Ein bloßes Abstellen auf die Insolvenzzweckwidrigkeit mit der Folge der Unwirksamkeit von Rechtshandlungen ist mit dem Schutz der Vertragspartner nicht vereinbar.[4] Diese können nicht erkennen, ob der Schuldner, dem die Gläubiger mit ihrer Zustimmung zur Eigenverwaltung einen erheblichen Vertrauensvorschuss leisten, gerade noch innerhalb oder schon außerhalb des Insolvenzzweckes handelt. Anders ist das bei einem Verstoß gegen Satz 3: Die Ausübung der Rechte bleibt bis zur Zustimmung durch den Sachwalter schwebend unwirksam,[5] wobei die Kündigung nach § 120 ein einseitiges Recht darstellt, bei dem eine nachträgliche Genehmigung ohnehin ausgeschlossen ist.[6] Fehlt für die Vornahme von Handlungen nach §§ 122, 126 die Zustimmung des Sachwalters, führt dies zur Unzulässigkeit des angestrengten Beschlussverfahrens, die aber bis zur gerichtlichen Entscheidung durch Vorlage der Zustimmung des Sachwalters beseitigt werden kann.[7] Wurde gleichwohl in Unkenntnis des Zustimmungserfordernisses entschieden, steht dem Betriebsrat bzw. den beteiligten Arbeitnehmern ein Recht zur außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit in Betracht.[8]

 

Rn 7

Zu empfehlen ist eine schriftliche Erteilung der Zustimmung und deren Vorlage bei Ausübung der Kündigungsrechte nach § 120 bzw. Einreichung der Anträge nach §§ 122, 126.

 

Rn 8

Zusätzlich zum Einvernehmen bzw. der Zustimmung des Sachwalters ist die Zustimmung des Gläubigerausschusses gemäß § 276 einzuholen, wenn es sich um Rechtshandlungen dreht, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind.[9]

 

Rn 9

Verstößt der Schuldner gegen die Verpflichtung zur Einholung des Einvernehmens oder der Zustimmung, hat der Sachwalter hierüber das Gericht und die Gläubiger zu informieren, wenn den Gläubigern Nachteile entstehen. Diese haben dann zu entscheiden, ob sie die Anordnung bestimmter Zustimmungsvorbehalte gemäß § 277 oder die Aufhebun...

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