Rn 108

Die Reichweite der Sicherungsmaßnahmen des deutschen Insolvenzrechts im Insolvenzeröffnungsverfahren über Vermögen oder Niederlassungen des Schuldners in anderen EU-Mitgliedstaaten sowie die darüber hinaus dort möglichen weiteren Sicherungsmaßnahmen richten sich nach der EU-Verordnung 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO) (vgl. Gruppe 6, Internationales Insolvenzrecht).[291] Auf Insolvenzverfahren, die bis zum 26.06.2017 eröffnet worden sind, findet weiterhin die alte EG-Verordnung Nr. 1346/2000 vom 29. Mai 2000 Anwendung. Nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO[292] sind die nach § 21 getroffenen Sicherungsmaßnahmen von den Mitgliedstaaten direkt anzuerkennen. Ein in einem deutschen Insolvenzeröffnungsverfahren (Hauptinsolvenzverfahren nach § 3 Abs. 1 EuInsVO) bestellter vorläufiger Insolvenzverwalter ist gemäß Art. 52 EuInsVO[293] berechtigt für das im europäischen Ausland belegene Schuldnervermögen Anordnungen nach dem dort geltenden Recht zu beantragen. Umgekehrt kann der vorläufige Insolvenzverwalter eines im europäischen Ausland anhängigen Insolvenzverfahrens gemäß § 344 in Deutschland Maßnahmen nach § 21 beantragen (für Einzelheiten wird auf die Kommentierung zu § 344 verwiesen).

 

Rn 108a

Da bereits die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung in Kombination mit einer allgemeinen Verfügungsbeschränkung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 europarechtlich als Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens anzusehen ist (Art. 4 Abs. 1 Satz 2, Art. 2 Nr. 5 EuInsVO i.V.m. Anhang B zur EuInsVO), muss ein entsprechender Beschluss eine Begründung der europarechtlichen Zuständigkeit des Gerichtes und die Rechtsmittelbelehrung zur Zuständigkeitsbeschwerde nach Art. 5 Abs. 1 EuInsVO i.V.m. Art. 102c § 4 EGInsO enthalten. Auch ist regelmäßig eine öffentliche Bekanntmachung (zumindest im Inland) erforderlich.[294]

 

Rn 109

Außerhalb des Geltungsbereichs der EuInsVO, d.h. gegenüber sonstigen Drittstaaten, fehlt es an einer unmittelbaren Wirkung der in Deutschland erlassenen Sicherungsmaßnahmen. Diese müssen nach Maßgabe der dortigen Gesetze zunächst anerkannt werden.

[291] Ausführlich: Reutershan, FS Vallender (2015), S. 503 ff.
[292] Der alte Art. 25 (EG-Verordnung Nr. 1346/2000) entspricht im Wesentlichen der neuen Regelung.
[293] Der alte Art. 38 (EG-Verordnung Nr. 1346/2000) entspricht materiell der neuen Regelung.
[294] Ausführlich: Frind, ZInsO 2018, 435 (438) m.w.N.; Zipperer/Vallender, ZInsO 2018, 960.

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