Rn 58

Die h. M. hat bereits die Vorgängervorschriften des § 15a Abs. 1, 2 (siehe oben Rn. 3) als Schutzgesetze zugunsten der Gläubiger i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB angesehen.[179] Daran hat sich durch die rechtsformübergreifende Formulierung der Antragspflicht in § 15a Abs. 1, 2 nichts geändert.[180]

[179] BGHZ 29, 100 (102 ff.); 75, 96 (106); 100, 12 (21); 126, 181 (190); 138, 211 (214 ); Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, Anh. zu § 64 GmbHG Rn. 64; Scholz/K. Schmidt, § 64 GmbHG Rn. 175; Schulze-Osterloh FS Lutter, 2000, 707 (708 ff.).; (nunmehr auch) Roth/Altmeppen, Vor § 64 GmbHG Rn. 121; a. M. Altmeppen/Wilhelm NJW 1999, 673 (679); Wübbelsmann GmbHR 2008, 1303 (1304).
[180] Wälzholz DStR 2007, 1914 (1915); Ulmer/Casper, § 64 Rn. 118; Poertzgen ZInsO 2007, 574 (575).

8.1.1.1 Der Kreis der geschützten Gläubiger

 

Rn 59

Die Schutzrichtung des § 15a ist eine doppelte, nämlich zum einen das vorhandene Vermögen den bestehenden Gläubigern zu erhalten und zum anderen den Geschäftsverkehr davor zu schützen, mit der insolvenzreifen Gesellschaft in Vertragsbeziehung zu treten. Einbezogen in den Schutzbereich sind alle Gläubiger, und zwar unabhängig davon, ob sie ihre Forderung vor oder nach Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gegen die Gesellschaft erworben haben.[181] Gleichgültig ist auch die Rechtsnatur des Anspruchs (vertragliche oder gesetzliche Grundlage).

 

Rn 60

Ausgenommen vom Schutzbereich sind allerdings die Gesellschaft selbst sowie die Gesellschafter.[182] Letzteres gilt aber nicht, wenn der Gesellschafter durch die Insolvenzverschleppung (auch) in seiner Gläubigerstellung beeinträchtigt wird.[183] Hier liegt aber – mit Blick auf § 51a GmbHG – ein Mitverschulden desselben recht nahe. Nicht einbezogen in den Schutzbereich sind zudem diejenigen Gläubiger, die ihre Ansprüche erst mit oder aber erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben haben.[184] Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht endet nämlich spätestens mit der Eröffnung des Verfahrens oder Ablehnung des Antrags mangels Masse (siehe oben Rn. 30). Gläubiger, die ihre Ansprüche gegen die Gesellschaft erst nach diesem Zeitpunkt etwa durch cessio legis erwerben, fallen daher nicht in den Schutzbereich der Norm.[185] Aus diesem Grund kann die Bundesagentur für Arbeit nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a Abs. 1 Ersatz dafür verlangen, dass sie infolge Zahlungsrückständen des Arbeitgebers Insolvenzgeld zahlen muss.[186] Schadensersatzansprüche wegen Insolvenzverschleppung kann sie auch nicht aus übergeleitetem Recht geltend machen, da von der gesetzlichen Abtretung (§ 169 SGB III) zugunsten der Bundesagentur für Arbeit nur die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt, nicht aber deren Schadensersatzansprüche gegen das Leitungsorgan erfasst sind.[187]

[181] BGHZ 29, 100 (104); 100, 19 (21); 126, 181 (190 f.); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. zu § 64 GmbHG Rn. 64; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baumert, § 64 GmbHG Rn. 77 f.; Scholz/ K. Schmidt, § 64 GmbHG Rn. 176.
[182] Scholz/K. Schmidt, § 64 GmbHG Rn. 175, 178; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. zu § 64 GmbHG Rn. 64; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baumert, § 64 GmbHG Rn. 77; Wagner ZInsO 2008, 622 (624); a. M. (Schutz der Gesellschafter) RGZ 81, 269 (271); (Schutz der Gesellschaft) BGHZ 29, 100 (103); siehe auch Uhlenbruck/Hirte, § 15a Rn. 59 f (differenzierter).
[183] Vgl. für Genossenschaft BGH ZIP 2010, 776, (779) [BGH 01.02.2010 - II ZR 209/08].
[184] Vgl. BGHZ 108, 134 (136 f.); 110, 343 (361); OLG Frankfurt NZG 1999, 947 (Zahlung von Konkursausfallgeld); LG Stuttgart EWiR 2008, 615 (616); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. zu § 64 GmbHG Rn. 65; Scholz/K. Schmidt, § 64 GmbHG Rn. 177.; a. M. Piekenbrock ZIP 2010, 2421 (2427 ff.).
[186] BGHZ 108, 134 (136 f.); LAG Hamm EWiR 2001, 871 [LAG Hamm 31.01.2001 - 4 Ta 359/00]; LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, 433; ArbG Offenbach ZIP 2002, 997 (998); siehe auch OLG Jena ZIP 2002, 631; OLG Saarbrücken ZIP 2007, 328.; a.M. Piekenbrock ZIP 2010, 2421 (2427 ff.).
[187] BAG ZIP 2002, 992 f. [BAG 20.03.2002 - 5 AZB 25/01]; LAG Hamm EWiR 2001, 871; ArbG Offenbach ZIP 2002, 997 (998); siehe auch OLG Saarbrücken ZIP 2007, 328; OLG Frankfurt DStR 1999, 1784 (Haas).

8.1.1.2 Schuldhafte Pflichtverletzung

 

Rn 61

Die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a Abs. 1, 2 setzt eine schuldhafte Verletzung der Antragspflicht (zum Inhalt, siehe oben Rn. 23 ff.; 20 ff.) voraus. Bzgl. des Verschuldens reicht Fahrlässigkeit hinsichtlich aller Tatbestandsvoraussetzungen.[188] Hierfür spricht auch ein Vergleich mit § 15a Abs. 5. In Bezug auf die Insolvenzreife reicht grds. Erkennbarkeit (siehe oben Rn. 22) aus. Das Verschulden wird dann vermutet. Hat das Leitungsorgan nicht die notwendige Fach- und Sachkunde, muss es externen Rat in Anspruch nehmen (siehe oben Rn. 26).[189] Schaltet das Leitungsorgan Dritte ein, entfällt das Verschulden nur, wenn es sich aufgrund der fehlerhaften Beratung in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden hat.[...

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