Gesetzestext

 

(1) 1Wird die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines gruppenangehörigen Schuldners bei einem anderen Insolvenzgericht als dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands beantragt, kann das angerufene Gericht das Verfahren an das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands verweisen. 2Eine Verweisung hat auf Antrag zu erfolgen, wenn der Schuldner unverzüglich nachdem er Kenntnis von dem Eröffnungsantrag eines Gläubigers erlangt hat, einen zulässigen Eröffnungsantrag bei dem Gericht des Gruppen-Gerichtsstands stellt.

(2) 1Antragsberechtigt ist der Schuldner. 2§ 3a Absatz 3 gilt entsprechend.

(3) Das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands kann den vom Erstgericht bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter entlassen, wenn dies erforderlich ist, um nach § 56b eine Person zum Insolvenzverwalter in mehreren oder allen Verfahren über die gruppenangehörigen Schuldner zu bestellen.

1. Allgemeines

 

Rn 1

§ 3d wurde durch das Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen[1] eingeführt, dem ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 30.01.2014[2] zugrunde liegt. Vgl. Kommentierung zu § 3a Rn. 1 ff. zu weiteren Hintergründen der Gesetzesentstehung.

 

Rn 2

Das Insolvenzrecht in der Ausprägung der InsO ist auf die Bewältigung der Insolvenz einzelner Rechtsträger zugeschnitten. Für jeden insolventen Rechtsträger ist ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, in dessen Rahmen ein Insolvenzverwalter das Vermögen zugunsten der Gläubiger dieses Rechtsträgers verwertet. Geraten in einem Konzern mehrere Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, müsste folglich für jeden Unternehmensträger ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt werden. Dies kann insbesondere in den Fällen zu Nachteilen führen, in denen die zu dem Konzern zusammengeschlossenen Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden, weil betriebs- und finanzwirtschaftliche Funktionen der insgesamt verfolgten unternehmerischen Tätigkeit auf unterschiedliche Unternehmensträger verteilt sind. Durch die Dezentralisierung der – ehemals durch die Ausübung der Konzernleitungsmacht aufeinander abgestimmten – Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die konzernweit verfügbaren Ressourcen, d.h. durch deren Verteilung auf mehrere Insolvenzverwalter, wird es schwieriger, die wirtschaftliche Einheit des Konzerns als solche zu erhalten und ihren vollen Wert für die Gläubiger zu realisieren. Ineffizienzen drohen in Gestalt suboptimaler Verwertungsergebnisse insbesondere dann, wenn die Insolvenzverwalter unterschiedliche und nicht aufeinander abgestimmte Verwertungsstrategien verfolgen oder wenn sie wegen konzerninterner Transaktionen – aus Sicht der Summe der Einzelmassen – unproduktive und kostenträchtige Rechtsstreitigkeiten führen.[3]

[1] BGBl. I 2017, S. 866.
[2] BT-Drs. 18/407.
[3] BT-Drs. 18/407, S. 1 und S. 15; Bauer, Die GmbH in der Krise, § 12 Sanierung im Insolvenzverfahren, Rn. 2322.

2. Verweisung an Gruppen-Gerichtsstand

 

Rn 3

Um eine solche einheitliche Verwertungsstrategie zu erhalten, ermöglicht § 3d die Verweisung an das Gericht des Gruppen-Gerichtsstandes nach §§ 3a. Sofern gruppenangehörige Schuldner oder deren Gläubiger Anträge auf Eröffnung von Gruppen-Folgeverfahren bei anderen Gerichten als bei dem nach § 3a Abs. 1 zuständigen Gericht stellen, eröffnet § 3d die Verweisungsoption. Die Vorschrift gilt damit für Eigenanträge und für Fremdanträge am Gerichtsstand ihres Sitzes oder des wirtschaftlichen Mittelpunktes i.S.v. § 3. Die Konstellation, die § 3d beschreibt, kann etwa aus Unkenntnis der Begründung eines Gruppen-Gerichtsstands nach § 3a entstehen.[4]

 

Rn 4

Streitig ist, ob der durch § 3d in Bezug genommene Gruppen-Gerichtsstand nach § 3a bereits begründet werden musste, es also bereits eine diesbezügliche Beantragung und Eröffnung gegeben haben muss. Auf der einen Seite wird genau dieses gefordert.[5] Es soll danach hier nur der Fall gemeint sein, dass der Antrag auf Zuständigkeitserklärung für die Gruppen-Folgeverfahren bereits gestellt und von dem anderen Gericht positiv beschieden worden ist.[6] Diese Ansicht ist indes vor dem Hintergrund der Erleichterung der Konzerninsolvenzen und der Fokussierung auf den Gruppen-Gerichtsstand abzulehnen. Es kann keinen Unterschied machen, ob der Gruppen-Gerichtsstand bereits beantragt und entsprechend eröffnet wurde, oder ob nämlicher zeitgleich beantragt wird. Auch dann kommt eine Verweisung nach § 3d in Betracht.[7]

 

Rn 5

Die Verweisung liegt im Ermessen[8] des Gerichts, welches zu prüfen hat, ob eine Verweisung auch bei Berücksichtigung des erreichten Verfahrensstands im Interesse der Gläubiger des Schuldners liegt. Die Verweisungsüberprüfung hat ferner von Amts wegen zu erfolgen.[9] Diese kann dann zu verneinen sein, wenn das Verfahren bereits eröffnet wurde und der eingesetzte Verwalter bereits eine Vielzahl von Dispositionen getroffen hat.[10]

In Teilen der Literatur wird eine Verweisungsverpflichtung angenommen.[11] Dies ist abzulehnen.[12] Es sind Fallkonstellationen vorstellbar, in denen eine Konzentration kontraproduktiv, bzw. nicht unbed...

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